Betrachtung über das Buch Josua (Synopsis)

Kapitel 7

Betrachtung über das Buch Josua (Synopsis)

Das 7. Kapitel eröffnet die Grundsätze der Regierung Gottes oder seiner Wege inmitten seines im Kampf stehenden Volkes. Sieg führt zu Nachlässigkeit. Man denkt, das Werk sei leicht. Nach einer Erweisung der Macht Gottes ist eine Art des Vertrauens da, das in Wirklichkeit nur Selbstvertrauen ist, denn es unterlässt es, auf Gott zu achten. Der Beweis dafür ist, dass Gott nicht befragt wird. Ai war bloß eine kleine Stadt. Zwei- oder dreitausend Mann konnten sie leicht einnehmen. Sie zogen hinauf und besahen das Land, aber Gott wurde vergessen. Die Folge davon wird gesehen werden. Wenn sie den HERRN befragt hätten, so hätte Er entweder wegen des Verbannten keine Antwort gegeben, oder Er hätte dessen Anwesenheit kundgetan. Sie suchten aber seinen Rat nicht; sie gingen voran und erlitten eine Niederlage. Das Volk Gottes, vom Feind umringt, hat seine Kraft verloren und flieht vor der geringsten Stadt im Land. Was werden sie jetzt tun? Das ist mehr, als sie wissen. Im Kampf begriffen, und unfähig zu siegen, was können sie da tun, wo der Sieg ihre einzige Sicherheit ist? „Da zerschmolz das Herz des Volkes und wurde wie Wasser.“

Josua schreit zu dem HERRN, denn in einem solchen Fall wird sogar der überrascht, der den Geist hat, da er nicht nach dem Geist gehandelt hat. Er muss vor dem HERRN auf sein Angesicht fallen, denn ihr Zustand ist nicht normal, nicht nach dem Geist, der der einzige Führer und die einzige Weisheit seines Volkes ist. Josua jedoch erinnert an die Macht, durch die Gott das Volk über den Jordan gebracht hatte, und vermerkt den Gegensatz zu ihrem gegenwärtigen Zustand, der so offensichtlich nicht damit übereinstimmt. „Ach, Herr, HERR! Warum hast du denn dieses Volk über den Jordan ziehen lassen, um uns in die Hand der Amoriter zu geben, uns zugrunde zu richten? O hätten wir es uns doch gefallen lassen und wären jenseits des Jordan geblieben. Bitte, Herr, was soll ich sagen?“

Das war ein verwirrter Seelenzustand, die Wirkung eines Gemisches von Unglauben mit der Erinnerung an die Wunder, die die Macht Gottes vollbracht hatte. Josua liebt das Volk, und er stellt Gott die Herrlichkeit seines Namens vor Augen; doch von dem ängstlichen Wunsch begleitet, dass sie auf der anderen Seite des Jordan hätten bleiben sollen (was sollten sie aber dort tun? denn der Unglaube urteilt immer schlecht), weit von dem Kampf entfernt, der zu solchen Katastrophen geführt hatte – ein Wunsch, der den Unglauben verriet, der sein Herz verwirrte.

In dieser Weise ist der Seelenzustand des Gläubigen im Kampf, in den ihn der Heilige Geist bringt, wenn der Zustand seiner Seele innerlich nicht der Gegenwart des Heiligen Geistes entspricht, der unsere einzige Kraft zum Kampfe ist. Da gibt es kein Entrinnen. Die Lage, in der sich die Heiligen befinden, ist eine solche, die absolut der Kraft bedarf; doch schon die Natur Gottes hindert Ihn daran, sie zu verleihen. Wir klagen, wir erkennen seine Macht an, es graut uns vor dem Feind. Wir reden über die Herrlichkeit Gottes: wir denken aber an unsere eigenen Befürchtungen und an unseren eigenen Zustand. Und doch war die Sache sehr einfach. „Israel hat gesündigt.“ Der Mensch, selbst wenn er geistlich ist, schaut auf Ergebnisse (weil er mit ihnen in enger Berührung ist), und das, während er die Kraft Gottes wie auch die Verbindung zwischen ihm und seinem Volk anerkennt. Gott aber schaut auf die Ursache, aber auch auf das, was Er selbst ist. Es ist wahr, dass Er Liebe ist, Er kann aber nicht die Grundsätze seines Wesens opfern, noch Sich selbst in jenen Beziehungen verleugnen, die auf das, was Er ist, gegründet sind. Seine Herrlichkeit ist wohl mit dem Wohlergehn seines Volkes verbunden. Er wird aber am Ende seine Herrlichkeit rechtfertigen und sogar sein Volk segnen, ohne diese Grundsätze zu beeinträchtigen. Der Glaube muss auf das sichere Ergebnis seiner Treue rechnen, das Herz aber in Einklang mit diesen Grundsätzen und in Unterwürfigkeit unter die Wege Gottes bringen.

Es würde seine Herrlichkeit inmitten seines Volkes nicht aufrechterhalten, wenn Er unter ihnen etwas dulden würde, was seinem wesentlichen Charakter entgegengesetzt ist, oder wenn Er seine Macht dazu gebrauchen würde, sie in einem Zustand zu bewahren, der seine Natur verleugnet. Die Beziehung würde abgebrochen und Gott selbst bloßgestellt – etwas ganz Unmögliches. Unter ihnen war Sünde, und die Kraft Gottes war nicht mehr mit ihnen, denn Gott kann sich nicht mit der Sünde einsmachen.

Lasst uns auch das im Sinn behalten, dass auch in der Unachtsamkeit Sünde lag, mit der sie vorangingen, ohne bei Gott Rat zu suchen. Der Schrei Josuas brachte nicht sofort Errettung, sondern zuallererst die Entdeckung der Sünde, in Bezug auf die Gott sehr sorgfältig und genau ist. Wenn es um die Regierung seines Volkes geht, erforscht Er alles und nimmt die geringsten Einzelheiten zur Kenntnis (siehe V. 11).

Weiterhin sagte Gott nicht nur: „Die Kinder Israel werden nicht vor ihren Feinden zu bestehen vermögen“, sondern: „Du kannst nicht bestehen.“ Ihre Schwachheit würde fortbestehen. Traurige Veränderung! Vordem hieß es. „Es soll niemand vor dir bestehen.“ Jetzt konnten sie selbst nicht bestehen. Dort, wo es keine Heiligkeit gibt, erlaubt Gott, dass die Schwachheit seines Volkes praktisch gesehen wird; denn es gibt keine Kraft als nur in Ihm, und Er wird nicht mit ihnen ausziehen, wo es an Heiligkeit mangelt, noch wird Er die Sünde auf diese Weise billigen und fördern. Lasst uns aber hier bemerken, dass Gott seinen Segen nicht immer sogleich denen entzieht, die untreu sind. Oft züchtigt Er sie einerseits und segnet sie andererseits. Er verfährt langmütig, Er belehrt sie in seiner Gnade, Er segnet sie nicht auf der Seite, wo das Böse ist, Er handelt aber mit bewundernswerter Zartheit und mit vollkommener Kenntnis und bemüht sich sozusagen darum, der Seele in allen Einzelheiten ihrem Zustand gemäß und zu ihrem Wohl nachzugehen, denn Er ist voller Gnade. Wie oft wartet Er so auf die Reue seines Volkes! Doch ach! wie oft wartet Er vergebens. Hier haben wir aber den großen Grundsatz, nach dem Er handelt (wie im Fall von Jericho, wo seine Macht zugunsten seines Volkes ausgeübt wurde) und beweist, dass alles von Gott ist.

Noch ein wichtiger Grundsatz wird uns hier vor Augen gestellt. In bezug auf die Auswirkungen der Sünde unter ihnen wird das Volk Gottes als ein Ganzes angesehen. Gott ist in ihrer Mitte. Sünde ist dort begangen worden. Er ist dort. Da aber nur ein Gott da ist, und das Volk eins ist – wenn Gott ungehalten ist und nicht handeln kann, leidet demzufolge das ganze Volk, denn sie haben keine andere Kraft als nur Gott. Das einzige Hilfsmittel dagegen ist, das Verbannte hinwegzutun.

Wir finden dasselbe in Korinth, nur abgeschwächt nach den Grundsätzen der Gnade. Der Böse muss hinausgetan werden. Wenn aber nicht, sind sie alle mit der Sünde einsgemacht, bis sie sie hinweggetan haben und sich auf diese Weise als rein an der Sache erweisen. Indem sie das tun, stehen sie auf Gottes Seite gegen die Sünde, und die Beziehungen zwischen Gott und der Schar werden wieder normal. Trotzdem kann das gewisse schmerzliche Auswirkungen erzeugen. Wenn das Verbannte da ist, so muss doch, obwohl Gott in der Offenbarung der Vollkommenheit seiner Wege – in seinem Eifer gegen die Sünde und in seiner vollkommenen Kenntnis von allem, was geschieht – verherrlicht worden sein mag (denn das Bekenntnis Achans, rechtfertigt Gott, und das Volk kann kein Wort sagen), wenn auch die Sünde nicht mehr verheimlicht wird, Zucht ausgeführt werden. Das Bekenntnis Achans (dessen Sünde durch den Gehorsam des Volkes oder Josuas gegenüber dem Befehl des HERRN ans Licht kam) bestätigt bloß in den Augen aller das gerechte Gericht Gottes.

Es ist aber gut, sich hier daran zu erinnern, dass christliche Zucht immer die Wiederherstellung der Seele zum Ziel hat. Sogar wenn der Schuldige dem Satan überliefert wird, so ist es zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus – ein kräftiger Grund, diese Zucht nach dem Maß unserer geistlichen Kraft auszuüben; denn wir können nicht über diese hinausgehen. Wir sollten uns wenigstens immer vor Gott demütigen, damit das Böse beseitigt werden möchte. Gegenüber dem Vorhandensein von Bösem in der Kirche gleichgültig zu sein, bedeutet, des Verrats gegen Gott schuldig zu sein; es bedeutet, sich seine Liebe zunutze zu machen, um seine Heiligkeit zu verleugnen, Ihn vor allen zu verachten und zu verunehren. Gott handelt in der Kirche in Liebe; Er handelt aber heilig und zur Erhaltung der Heiligkeit, sonst wäre es nicht die Liebe Gottes, die handelt, es wäre kein Bemühen um das Wohlergehen der Seelen.

Es ist interessant zu sehen, dass dieses Tal Achor, Zeuge und Gedenkstätte der ersten von Israel verübten Sünde, nachdem sie in das Land gekommen waren, ihnen als „eine Tür der Hoffnung“ gegeben wird (Hos 2, 15), wenn die unumschränkte Gnade Gottes in Aktion tritt. Es ist immer so. Fürchtet die Sünde, aber fürchtet nicht die Bitterkeit ihrer Aufdeckung noch die Bitterkeit ihrer Züchtigung: denn bei diesem Punkt nimmt Gott den Lauf des Segens wieder auf. Gepriesen sei dafür sein gnadenvoller Name! Doch ach! Sinear (Babylon) und Geld beginnen bald, die Wege des Volkes Gottes zu beeinflussen. Sie finden diese Dinge unter ihren Feinden, und das fleischliche Herz begehrt sie. Man beachte auch, dass Gott, wenn Treue und Gehorsam vorhanden sind, es niemals unterlässt, das offenbar zu machen und das, was die Segnung seines Volkes verhindert, wegzuräumen. Lasst uns die Geschichte der Wiederherstellung des Volkes zur Gunst Gottes verfolgen.

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