Betrachtung über das erste Buch Samuel (Synopsis)

Kapitel 27-31

Betrachtung über das erste Buch Samuel (Synopsis)

David war aber schließlich nur ein Mensch, und unmittelbar nach diesem Zeugnis, daß Gott mit ihm war (ein Zeugnis, das selbst Saul anerkannte), versagt sein Glaube, und er zieht hinüber in die Mitte der Feinde des Volkes Gottes. Zweifellos gebraucht Gott dieses Mittel, um David außer Gefahr zu bringen. Gleichzeitig wird er aber geprüft und gezüchtigt, und er wird der schrecklichen Notwendigkeit ausgesetzt, so zu tun, als ob er bereit wäre, wider Israel zu kämpfen. Es gibt nur den Einen, dessen Vollkommenheit und Weisheit Seine Sicherheit in jeder Prüfung waren.

Wir können bemerken, daß es nach einem offenbaren Eingreifen Gottes (Kap. 26, 12) war, daß der Glaube Davids versagt. Es geht Elia ebenso (1. Kön. 19). Man möchte sagen, daß sich der Glaube in unseren Herzen durch die ungewöhnliche Anstrengung erschöpft. Der Glaube mag uns durch die Krise hindurchtragen, das Herz aber, das das Gefäß des Glaubens ist, ist dadurch entsetzt, während wir in Jesum eine völlig ausgeglichene göttliche Vollkommenheit finden.

David verzieht sich in eine gewisse Entfernung von der Königsstadt. Im Lande der Philister gewinnt er die Gunst ihres Königs, aber nicht durch Glauben, sondern durch eine mit der Wahrheit nicht übereinstimmende Klugheit. Es ist eine unglückselige Lage; nichtsdestoweniger verläßt ihn Gott nicht. Er züchtigt ihn, und zwar auf eine schmerzliche Weise, aber Er verschont und bewahrt ihn. Wir haben ähnliche Wege des Herrn in bezug auf den Flüchtling Jakob gesehen.

Achis, der David kennt, will ihn in seinem Dienst gebrauchen, und David kann nicht absagen, denn wenn einer, der die Kraft besitzt, die der Geist Gottes durch den Glauben gewährt, sich durch Untreue in eine falsche Lage gebracht hat, so hat er keine Kraft gegen den, unter dessen Gewalt er sich gestellt hat; und wenn er die Kraft nicht gebraucht, mit der er durch die Gunst seines Beschützers ausgestattet ist, so ruft er natürlich seine Eifersucht hervor. Er hätte das alles vermieden, wenn er nach Ziklag gegangen wäre, er vermochte es aber nicht. In Seiner Barmherzigkeit bewahrte Gott David, aber er war jetzt in einer betrüblichen und falschen Lage.

Saul war, wie auch Israel in diesem Zeitpunkt, in einer noch schlimmeren Lage, denn er hatte weder von Gott noch von dem Feinde Entsatz. Saul ist von Gott verlassen. Samuel ist tot, so daß Israel durch ihn nicht mehr mit Gott verbunden ist.

David, der wenigstens wider die Philister kämpfte, war nun durch das Tun Sauls in ihrer Mitte. Der äußere Eifer des Königs hatte alle Totenbeschwörer und Wahrsager weggeschafft. Er sucht Anweisung von Gott, bekommt aber keine Antwort. Jetzt hat er weder Gewissen noch Glauben. Der Fall ist dringend; er stürzt sich aber nicht in den äußeren Dienst Gottes wie früher (denn er ist zur traurigen und ernsten Überzeugung gekommen, daß dies ihm nicht mehr gehört), sondern in die Dinge, die er als böse verurteilt und verbannt hatte, als er noch eine religiöse Wesensart aufrechterhielt - in Dinge, von denen er immer noch wußte, daß sie böse waren. Aber die Philister waren da, und sein Herz erbebte sehr. Er sucht sich ein Weib, das einen Totenbeschwörergeist hat. Gott begegnet ihm dort. Samuel steigt herauf, aber auf solch eine Weise, daß er das Weib sehr erschreckt. Sie erkennt die Gegenwart einer Macht, die ihrer Zauberei überlegen ist. Samuel tut Saul das ernste Gericht Gottes kund und zwar ohne Vorbehalt und ohne jegliches Mitgefühl, denn das war nicht mehr länger möglich.

In Kapitel 29 führt Gott in Seiner Gütigkeit David mittels der Eifersucht der Fürsten der Philister aus seiner schwierigen Lage heraus. Um sein Ansehen bei Achis zu wahren, fällt David nichtsdestoweniger noch tiefer, wie mir scheint, indem er angibt, daß er durchaus bereit sei, wider die Feinde des Königs der Philister, d. h. wider das Volk Gottes, zu kämpfen. Dieses scheint mir der erbärmlichste Teil des Lebens Davids zu sein - jedenfalls bevor er König wurde. Gott läßt ihn dessen bewußt werden, denn während er sich dort befindet, rauben ihm die Amalekiter alles und verbrennen Ziklag, und sein Gefolge ist willens, ihn zu steinigen.

Alles dieses ist betrüblich, doch richtet ihn die Gnade Gottes wieder auf, und die Wirkung dieser Züchtigung ist, daß er zu Gott zurückgebracht wird, denn im Herzen war er Ihm immer treu. David stärkt sich in Jehova, seinem Gott, und befragt Ihn, was er tun soll. Welche Langmut, welche Güte in Gott! Wie Er für die Seinigen sorgt, sogar wenn sie sich von Ihm abwenden!

David wird wahrhaftig zu Gott zurückgeführt und aus seiner falschen Lage befreit, und er wandelt und handelt mit Gott, Ohne sein Wissen war Gott dabei, eine ganz andere Stellung für ihn zu bereiten, und Er reinigte und bereitete ihn für sie vor. Wie schrecklich wäre es gewesen, wenn David bei den Philistern gewesen wäre und an der Niederlage des Volkes Gottes teilgenommen hätte, wie auch am Tode dessen, dessen Leben er oft so rührend verschont hatte! Wie weit das Kind Gottes abirren kann, wenn es sich dem Schutze Ungläubiger anvertraut, anstatt auf die Hilfe Gottes in allen Schwierigkeiten zu vertrauen, die den Pfad des Glaubens umgeben! Gerade durch diese Schwierigkeit geschieht es aber, daß sich jeder Wesenszug der Gnade entwickelt.

Man merke sich die Gefahr, in der sich der Gläubige befindet, wenn sein Glaube nicht einfältig ist, sondern nur ein klein wenig versagt - er kann durch die Verfolgung bloßer Bekenner in die Arme der Feinde getrieben werden. Das Natürliche ermüdet und sucht sich Trost fern vom schmalen Wege, der durch Dornen führt. Das geschieht immer, wenn das Volk Gottes, indem sie ihrem Eigenwillen folgen, ihre Interessen denen anvertrauen, die nichts als ihren eigenen Vorteil in einer weniger schwierigen Lage suchen, die weder Gottes noch des Glaubens ist. Wenn der Glaube schwach wird, wird das Natürliche desto müder, je herrlicher das für den Glauben vorhandene Werk ist. Ziklag wird in der Abwesenheit Davids genommen, jedoch verfolgt er die Räuber und führt die ganze Beute wieder zurück.

Aufrichtig und großzügig, fand David in der Schwierigkeit, die sich aus der Selbstsucht des Volkes ergab, eine Gelegenheit, um das einzuführen, was dem Willen Gottes entsprach, und anstatt sich durch seinen Anteil an der Beute zu bereichern, gebraucht er die Gelegenheit, um gute Beziehungen mit den Altesten des Volkes zu unterhalten und ihnen zu beweisen, daß Jehova noch mit ihm ist.

Kapitel 31 berichtet über den tief ernsten Tod Sauls wie auch Jonathans und schließt mit der totalen Niederlage Israels diese ergreifende Geschichte. Der ganze Bericht über Saul und seine Familie, der erweckt wurde, um den Philistern zu widerstehen, ist beendet. Saul und seine Söhne fallen ihnen in die Hände; ihre Köpfe wurden abgeschlagen, ihre Waffen wurden im Triumph in das Haus der Götzen der Philister gesandt, und ihre Leichen wurden an die Mauer von Beth-Schan geheftet. Ein trauriges Ende, wie es dem Fleische immer in den Kriegen Jehovas ergehen wird!

Laßt uns einen kurzen Rückblick auf die Geschichte Davids werfen. Die Einfalt des Glaubens hält ihn am Platze der Pflicht, und er ist dort zufrieden und wünscht nicht, ihn zu verlassen, weil ihm die Billigung Gottes genügt. Infolgedessen kann er dort auf den Beistand Gottes als durchaus sicher rechnen; er handelt in der Stärke Gottes. Der Löwe und der Bär fallen unter seiner jugendlichen Hand. Warum nicht, wenn Gott mit ihm war? Er folgt Saul mit derselben Einfalt, und dann kehrt er zur Betreuung seiner Schafe ebenso zufrieden zurück. Im Verborgenen hatte er dort durch den Glauben eingesehen, daß Jehova mit Israel war; er hatte das Wesen und die Kraft dieser Beziehung verstanden. In dem Zustande Israels sieht er etwas, was dem nicht entspricht; was ihn selbst aber betrifft, so ruht sein Glaube auf der Treue Gottes. Ein unbeschnittener Philister fällt wie ein Löwe. Er dient Saul als Musiker in derselben Einfalt wie auch früher; und ob er bei ihm ist oder ob Saul ihn als Obersten über Tausend aussendet, beweist er seinen Mut. Er gehorcht den Befehlen des Königs.

Schließlich jagt der König ihn fort; er befindet sich aber immer noch am Platze des Glaubens. Jetzt gibt es wenig militärische Heldentaten, er hat aber das Unterscheidungsvermögen für das, was sich für ihn geziemte, als die geistliche Kraft in ihm war, während sich die äußere göttliche Autorität in anderen Händen befand. Es war dieselbe Lage, wie die von Jesu in Israel. David versagt in dieser Lage nicht, ihre Schwierigkeiten bringen die ganze Schönheit der Gnade Gottes und die Früchte des Werkes des Geistes um so besser ans Licht, während sie ganz besonders geistliche Zuneigungen und innige Beziehungen zu Gott, seiner einzigen Zuflucht, entwickeln. Daraus entstanden insbesondere die Psalmen. Der Glaube genügt, um ihn durch alle Schwierigkeiten seiner Lage hindurchzubringen, in der er seine ganze Schönheit und seine ganze Gnade entfaltet. Das Edle des Charakters, den der Glaube dem Menschen verleiht und der den Charakter Gottes zurückstrahlt, erzeugt in den allerverhärtetsten Herzen, selbst in denjenigen, die, da sie Gott verlassen haben, von Ihm verlassen worden sind (ein Zustand, in dem Sünde, Selbstsucht und Verzweiflung ihn vereint verhärten), Empfindungen natürlicher Zuneigung, die Gewissensbisse einer Natur, die unter dem Einfluß von etwas, was ihrer Bösartigkeit überlegen ist, erwachen - von etwas, was sein Licht auf die Finsternis ergießt, die den unglücklichen Sünder, der Gott verwirft, umringt; es wirkt schmerzlich, weil es nur einen Augenblick währt und kraftlos ist. Weil der Glaube Gott so nahe ist, ist er dem Bösen überlegen, und deshalb entzieht er die Natur selbst der Macht des Bösen, obwohl die Natur nicht die Kraft der Selbstbeherrschung besitzt. Gott ist aber mit dem Glauben; und der Glaube achtet das, was Gott achtet, und er stattet einen, der etwas von Gott trägt, mit der Ehre aus, die dem gebührt, was Gott gehört und was Gott dem Herzen wieder nahebringt, und zwar mit der ganzen Zuneigung, die der Glaube für Ihn hegt, und mit allem, was sich für Ihn geziemt. Das wird immer in Jesu gesehen und überall, wo Sein Geist ist. Und das ist es, was dem Glauben solch eine Schönheit, solch eine Erhabenheit verleiht, der dadurch mit dem Adel Gottes geadelt wird, daß er das anerkennt, was in Gottes Augen und wegen seiner Beziehung zu Ihm edel ist, und zwar trotz der Schlechtigkeit und der Demütigung derer, die mit ihm ausgestattet sind. Der Glaube handelt für Gott und offenbart Ihn inmitten der Umstände, anstatt von ihnen beherrscht zu werden. Seine Überlegenheit über das, was ihn umgibt, ist augenscheinlich. Welche Ruhe gewährt es, dies inmitten des Sumpfes dieser armseligen Welt zu bezeugen!

Doch obwohl der Glaube allem genügt, dem wir in der Stellung in dieser Welt, die er uns in ihr zeigt, begegnen, so ist doch - leider! - die Gemeinschaft mit Gott bei uns nicht vollkommen. Anstatt unermüdlich unsere Pflicht zu tun, was sie auch sein mag, weil Gott mit uns ist, und wenn wir den Löwen getötet haben, bereit zu, sein, den Bären zu töten, und dadurch um so mehr bereit zu sein, den Goliath zu töten -, anstatt daß der Glaube durch den Sieg gestärkt wird, wird das Natürliche des Kampfes überdrüssig: wir verlieren die normale Stellung des Glaubens, wir erniedrigen und verunehren uns. Welch ein Unterschied zwischen David, der durch die Früchte der Gnade dem Herzen Sauls Tränen entlockt, indem er (wenigstens für den Augenblick) den Fluß seiner Zuneigung wieder öffnet, und David, wie er unfähig ist, seine Hand wider die Philister, die er so oft besiegt hatte, zu erheben, und sich dessen rühmt, und bereit ist, wider Israel und wider den König, dessen Leben er verschont hatte, zu kämpfen!

Meine Brüder, laßt uns in der Stellung des Glaubens bleiben; sie scheint die schwierigere zu sein, doch ist es der Platz, wo Gott gefunden wird und wo die Gnade - das einzig Kostbare in dieser Welt - blüht und das Herz durch tausend Bande der Liebe und Dankbarkeit mit Gott verbindet als Dem, der uns erkannt und Sich zu uns herabgelassen hat, um unserer Not und dem Begehren unserer Herzen zu begegnen.

Der Glaube gibt Lebenskraft; der Glaube gibt Geduld; und oft ist es so, daß die kostbarsten Zuneigungen entwickelt werden - Zuneigungen, die, wenn die Energie des Glaubens uns auf Erden zu Knechten macht, den Himmel glücklich macht, weil Er, der der Gegenstand des Glaubens ist, Sich dort befindet und ihn in der Gegenwart des Vaters füllt.

Die Natur macht uns in den Umständen ungeduldig, weil wir uns Gottes nicht genügend bewußt sind, und sie zieht uns in solche Lagen, wo es unmöglich ist, Ihn zu verherrlichen. Andererseits ist es auch gut, sich zu merken, daß es dann geschieht, wenn der Mensch völlig versagt hat, als sich sogar der Glaube Davids als mangelhaft erwiesen hatte, indem er Israel verließ und sich unter die Philister begab - daß Gott ihm das Königreich gab. Gott muß Sich in Seinem Volke verherrlichen.

« Vorheriges Kapitel