Betrachtung über Matthäus (Synopsis)

Kapitel 19

Betrachtung über Matthäus (Synopsis)

Dieses Kapitel setzt die Behandlung des Geistes, der dem Reich der Himmel angemessen ist, fort, und geht tief in die Grundsätze ein, welche die menschliche Natur leiten, sowie in das, was jetzt göttlich eingeführt war. Der Herr hatte sich Judäa genähert, und eine Frage der Pharisäer gibt Anlass zur Darstellung seiner Lehre über die Ehe. Indem Er dabei das Gesetz verlässt, das wegen ihrer Herzenshärtigkeit gegeben worden war, geht Er zu der Anordnung Gottes zurück 1, nach der ein Mann und eine Frau sich verbinden sollten, um in Gottes Augen eins zu sein. Er stellt den wahren Charakter des unlöslichen Bandes der Ehe fest oder vielmehr wieder her. Ich sage unlöslich; denn die Ausnahme im Fall der Untreue kann nicht als eine solche gelten, weil die strafbare Person das Band bereits gebrochen hat; Mann und Frau sind dann nicht mehr ein Fleisch! Doch wenn Gott die geistliche Kraft dazu verleiht, ist es noch besser, unverheiratet zu bleiben.

In den folgenden Versen erneuert der Herr seine Unterweisungen betreffs der Kinder, indem Er seine Zuneigung zu ihnen bezeugt, und zwar hier, wie es mir scheint, mehr in Verbindung mit dem Nichtvorhandensein alles dessen, was an die Welt, an ihre Zerstreuungen und ihre Lust bindet, und in Anerkennung des Lieblichen, Vertrauenden und äußerlich Unverdorbenen in der Natur. In Kapitel 18 handelte es sich dagegen um den inneren Charakter des Reiches.

Sodann zeigt Jesus (mit Bezug auf die Einführung des Reiches in seiner Person) die Natur einer gänzlichen Widmung und Aufopferung von allem, um Ihm nachzufolgen, wenn man wirklich nur Gott zu gefallen suchte. Der Geist der Welt, seien es fleischliche Leidenschaften oder Reichtümer, stand in allen Punkten im Gegensatz zu dieser Gesinnung. Allerdings legte das Gesetz Moses diesen Leidenschaften einen Hemmschuh an; allein es setzt dieselben voraus und erträgt sie in gewisser Beziehung. Im Blick auf die Herrlichkeit der Welt hatte ein Kind keinen Wert. Welche Bedeutung konnte es da haben? Aber in den Augen des Herrn hat es Wert.

Das Gesetz verhieß dem, der es hielt, das Leben. Der Herr vereinfacht seine Forderungen und macht sie praktisch, oder vielmehr Er stellt die Forderungen in ihrer wahren Einfachheit wieder her. Reichtümer waren nicht durch das Gesetz verboten; das will sagen: obwohl die sittlichen Verbindlichkeiten der Menschen untereinander durch das Gesetz aufrecht gehalten wurden, verurteilte es doch nicht das, was das Herz an die Welt fesselte. Vielmehr war der Regierung Gottes gemäß äußerer Wohlstand mit dem Gehorsam gegen das Gesetz verbunden; denn es hatte diese Welt und den Menschen, als in ihr lebend, zur Voraussetzung, und es stellte ihn hier auf die Probe. Christus erkennt das an; aber die Beweggründe der Herzen werden geprüft. Das Gesetz war geistlich, und der Sohn Gottes war da. Wir finden hier wieder dasselbe wie früher: der Mensch wird erprobt und bloßgestellt, und Gott wird offenbart. Alles ist innerlich und ewig in seiner Natur, denn Gott ist schon offenbart. Christus richtet alles, was einen schlechten Einfluss auf das Herz ausübt, was auf seine Selbstsucht einwirkt und es auf diese Weise von Gott trennt. Er sagt zu dem Jüngling: „Verkaufe deine Habe und folge mir nach!“ (V. 21). Ach, der junge Mann konnte nicht auf seine Besitztümer, auf seine Bequemlichkeiten und auf sich selbst verzichten; und so fügt der Herr hinzu: „Schwerlich wird ein Reicher in das Reich der Himmel eingehen.“ Das eine war klar: es handelte sich um das Reich Gottes, um das Reich der Himmel, in dem das ich und die Welt keinen Raum fanden. Die Jünger, die nicht begriffen, dass nichts Gutes im Menschen ist, verwunderten sich, dass ein so bevorzugter und gutgesinnter Mann noch vom Heil fern sein sollte; und sie fragen den Herrn: „Wer kann dann errettet werden?“ (V.25). Hierauf enthüllt sich die ganze Wahrheit: „Bei Menschen ist dies unmöglich.“ Der Mensch kann die Begierden des Fleisches nicht überwinden; denn in sittlichem Sinn und soweit es seinen Willen und seine Neigungen betrifft, sind diese Begierden er selbst. Kann man auch einen Mohren weiß waschen, oder einem Leoparden seine Flecken nehmen? Die Farbe des Mohren und die Flecken des Leoparden gehören ihrer Natur an. Aber bei Gott – Sein Name sei dafür gepriesen! – sind alle Dinge möglich.

Diese Unterweisungen Jesu betreffs der Reichtümer veranlassen Petrus zu der Frage: Was wird das Teil derer sein, die um Jesu willen alles verlassen haben? Das führt uns zu der Herrlichkeit des 17. Kapitels zurück. Jesus erwidert ihm, dass eine Wiedergeburt stattfinden, und dass unter der Herrschaft des Sohnes des Menschen der Zustand der Dinge gänzlich erneuert werden würde. Zu jener Zeit sollten sie auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. Die Jünger werden den ersten Platz in der Verwaltung des irdischen Reiches einnehmen. Übrigens wird jeder seinen besonderen Platz haben; für alles, was man verlassen und worauf man um des Namens Jesu willen verzichtet hat, wird man hundertfältig empfangen und das ewige Leben erben (V. 28+29). Die Entscheidung hierüber wird jedoch nicht nach dem äußeren Schein gefällt werden, auch nicht nach dem Platz, den der Mensch in dem alten System und vor den Menschen einnahm; denn „viele Erste werden Letzte, und Letzte Erste sein“.

Fußnoten

  • 1 Die Verbindung zwischen der neuen Sache und der Natur, wie Gott sie von Anfang an geschaffen hatte, wird hier gezeigt, indem das Gesetz übergangen wird als etwas, das bloß nebeneingekommen ist. Es war eine neue Macht, weil das Böse eingedrungen war; aber es erkannte Gottes Schöpfung an, während es zugleich den Zustand des Herzens erprobte und seiner Schwachheit nicht Rechnung trug. Die Sünde hat verdorben, was Gott gut geschaffen hatte. Die Macht des Geistes Gottes, die uns durch die Erlösung gegeben ist, hebt den Menschen und seinen Weg völlig aus dem ganzen Zustand des Fleisches heraus und führt eine neue göttliche Macht ein, durch die er, dem Beispiel Christi gemäß, in dieser Welt wandelt. Zugleich ist damit die völligste Bestätigung dessen verbunden, was Gott selbst ursprünglich angeordnet hat. Es ist gut, obwohl es etwas Besseres geben mag. Sehr eindrucksvoll ist die Weise, wie der Herr das übergeht, um zu Gottes ursprünglicher Anordnung zurückzukehren, wo die geistliche Kraft das Herz nicht völlig aus der ganzen Szene herausnahm, obwohl es in jener Kraft wandelte. In der Ehe, in dem Kind und in dem Charakter des Jünglings wird das, was aus Gott und was lieblich in der Natur ist, von dem Herrn anerkannt. Aber der Zustand des menschlichen Herzens wird erforscht; dieser hängt nicht vom Charakter, sondern von Beweggründen ab und wird völlig durch Christus erprobt (die Haushaltung hat gänzlich gewechselt, denn einem treuen Juden waren Reichtümer verheißen), und zwar durch einen verworfenen Christus. Alles wird beurteilt, was aus dem Herzen des Menschen kommt. Gott schuf den Menschen aufrichtig, mit bestimmten Familienbeziehungen. Die Sünde hat diese alte oder erste Schöpfung des Menschen vollständig verdorben. Das Kommen des Heiligen Geistes hat eine neue Macht eingeführt, die in dem zweiten Menschen aus der alten Schöpfung in die neue erhebt und uns himmlische Dinge gibt - nur noch nicht in Bezug auf das Gefäß, den Leib; aber sie kann nicht das, was Gott im Anfang geschaffen hat, verleugnen oder verurteilen. Das ist unmöglich. Im Anfang schuf Gott Mann und Frau. Wenn wir zu der himmlischen Stellung gelangen, so verschwindet alles das, obwohl nicht die Früchte davon, in Gnade. Wenn ein Mensch in der Kraft des Heiligen Geistes die Gabe hat, es aufzugeben und ganz himmlisch zu sein, um so besser; aber es ist ganz verkehrt, die Beziehungen, die Gott ursprünglich geschaffen hat, zu verurteilen oder gegen sie zu sprechen, oder die Autorität, die Gott mit ihnen verbunden hat, zu verringern oder zu schwächen. Kann ein Mensch ganz außer oder über dem allen leben, um Christus zu dienen, so ist alles recht; aber es ist ein seltener Ausnahmefall.
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