Betrachtung über Matthäus (Synopsis)

Kapitel 17

Betrachtung über Matthäus (Synopsis)

Jesus führt Petrus, Jakobus und Johannes auf einen hohen Berg und wird dort vor ihren Augen umgestaltet. „Sein Angesicht leuchtete, wie die Sonne, seine Kleider aber wurden weiß wie das Licht“; auch erschienen Moses und Elias und unterredeten sich mit Ihm. Ich möchte jedoch den höchst wichtigen Gegenstand ihrer Unterredung für jetzt außer acht lassen, um bei der Betrachtung des Evangeliums Lukas darauf zurückzukommen; denn Lukas fügt einige andere Umstände hinzu, die uns hinsichtlich dieses Vorgangs in gewissen Beziehungen andere Gesichtspunkte eröffnen.

Hier erscheint der Herr in Herrlichkeit, und Moses und Elias mit Ihm: Moses, der Gesetzgeber der Juden, und Elias (fast ebenso ausgezeichnet wie jener), der Prophet, der die zehn abtrünnigen Stämme zur Anbetung des HERRN zurückzuführen suchte, und der, an dem Volk verzweifelnd, nach Horeb, dem Ausgangspunkt des Gesetzes, zurückkehrte und schließlich, ohne durch den Tod zu gehen, in den Himmel aufgenommen wurde.

Diese beiden überaus wichtigen Personen in den Wegen Gottes mit Israel, als Gründer und Wiederhersteller des Volkes in Verbindung mit dem Gesetz, erscheinen mit Jesu. Ergriffen von dieser Erscheinung und sich freuend, seinen Meister mit diesen Säulen des jüdischen Systems, mit so großen Dienern Gottes, vereinigt zu sehen, wünscht Petrus – unwissend bezüglich der Herrlichkeit des Sohnes des Menschen und nicht eingedenk der Offenbarung, die ihm über die Herrlichkeit seiner Person, als Sohn Gottes, zuteil geworden war – drei Hütten zu machen und Jesum, Moses und Elias, als Vermittler der Aussprüche Gottes, auf einen und denselben Boden zu stellen. Aber die Herrlichkeit Gottes, d. h. das in Israel als Wohnstätte (schechinah) dieser Herrlichkeit 1 gekannte Zeichen, offenbart sich, und die Stimme des Vaters lässt sich vernehmen. Die Gnade mag Moses und Elias in gleiche Herrlichkeit mit dem Sohn Gottes versetzen und diese Männer Ihm zugesellen, wenn aber der törichte Mensch in seiner Unwissenheit sie zusammenstellen will, als ob sie in sich selbst eine gleiche Autorität über das Herz des Gläubigen hätten, so muss der Vater sogleich die Rechte seines Sohnes geltend machen. Unverzüglich verkündigt die Stimme des Vaters die Herrlichkeit der Person seines Sohnes, seine Beziehungen zu Ihm selbst, und erinnert daran, dass Er der Gegenstand seiner innigen Zuneigung sei an dem Er sein ganzes Wohlgefallen finde. Ihn sollten die Jünger hören. Moses und Elias verschwinden; Jesus bleibt allein zurück als der Eine, der verherrlicht werden und diejenigen belehren soll, die auf die Stimme des Vaters hören. Der Vater selbst zeichnet Ihn aus, indem Er Ihn der Aufmerksamkeit der Jünger vorstellt, und zwar nicht als Den, der ihrer Liebe würdig war, sondern vielmehr als den Gegenstand seiner eigenen Wonne. Er selbst fand sein Wohlgefallen an Jesu. So wird uns die Liebe des Vaters als die Richtschnur der unsrigen vorgestellt, indem sie uns einen gemeinsamen Gegenstand vor Augen führt. Welch eine Stellung für solch arme Geschöpfe, wie wir sind. Welche Gnade! 2

Zugleich hat das Gesetz und jeder Gedanke an dessen Wiederherstellung unter dem Alten Bund ein Ende genommen, und Jesus, als Sohn des Menschen verherrlicht und als Sohn des lebendigen Gottes, bleibt der alleinige Spender der Erkenntnis und der Gedanken Gottes. Die erschrockenen Jünger fallen auf ihr Angesicht, als sie die Stimme Gottes hören; aber Jesus, für den diese Herrlichkeit und diese Stimme natürlich waren, ermutigt sie, wie Er es immer hienieden zu tun pflegte, indem Er sagt: „Steht auf und fürchtet euch nicht!“ Sie waren bei Ihm, dem Gegenstand der Liebe des Vaters; warum sollten sie sich fürchten? Ihr bester Freund war die Offenbarung Gottes auf der Erde; Ihm gehörte die Herrlichkeit. Moses und Elias waren verschwunden und ebenso die Herrlichkeit, die zu ertragen die Jünger noch nicht fähig waren. Jesus, der ihnen auf solche Weise in der Ihm gegebenen Herrlichkeit und in den Rechten seiner glorreichen Person, in seinen Beziehungen zum Vater offenbart worden war – Jesus bleibt für sie Derselbe, wie sie Ihn Immer gekannt hatten. Indes sollte diese Herrlichkeit nicht eher der Gegenstand ihres Zeugnisses werden, bis der Sohn des Menschen, der leidende Sohn des Menschen, aus den Toten auferstanden wäre. Dieser große Beweis, dass Er der Sohn Gottes in Macht war (Röm 1,4), sollte gegeben und dann Zeugnis davon abgelegt werden. Dann wollte Er persönlich in die Herrlichkeit hinaufsteigen, die soeben ihren Glanz vor den Augen der Jünger hatte ausstrahlen lassen.

Jedoch erhob sich eine Schwierigkeit für die Jünger, die ihren Grund in der Lehre der Schriftgelehrten bezüglich des Elias hatte. Diese hatten nämlich gesagt, dass Elias vor der Offenbarung des Messias kommen müsse; und in der Tat rechtfertigte die Prophezeiung des Maleachi (Mal 4,5+6) diese Erwartung. Die Jünger fragen Jesum: „Was sagen denn die Schriftgelehrten, dass Elias zuerst kommen müsse“ (d. h. vor der Offenbarung des Messias), während wir doch soeben gesehen haben, dass Du selbst dieser Messias bist? und Elias ist doch noch nicht gekommen? Jesus bestätigt ihnen die Worte des Propheten, und nachdem Er hinzugefügt hat, dass Elias alle Dinge wiederherstellen werde (V 11), fährt Er fort: „Ich sage euch aber, dass Elias schon gekommen ist, und sie haben ihn nicht erkannt, sondern an ihm getan, was irgend sie wollten. Also wird auch der Sohn des Menschen von ihnen leiden“ (V. 12). Jetzt verstanden die Jünger, dass Er von Johannes dem Täufer zu ihnen sprach, der, wie der Heilige Geist durch seinen Vater Zacharias angekündigt hatte, in dem Geist und in der Kraft des Elias gekommen war. Indes bedarf diese Stelle noch einiger Erläuterungen.

Wenn der Herr zunächst (V 11) sagt: „Elias zwar kommt zuerst“. so bestätigt Er nur das, was die Schriftgelehrten nach der Prophezeiung Maleachis behauptet hatten. Dann gibt Er die Wirkung des Kommens des Elias an, indem Er sagt: „Er wird alle Dinge wiederherstellen.“ Nun aber sollte der Sohn des Menschen noch kommen, wie Jesus zu seinen Jüngern gesagt hatte: „Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen sein wird“ (Mt 10,23). Nichtsdestoweniger war Er bereits gekommen und unterredete sich eben mit ihnen: allein jenes Kommen des Sohnes des Menschen, von dem Er gesprochen hatte, ist sein Kommen in Herrlichkeit, wenn Er nach Dan 7 als des Menschen Sohn im Gericht offenbart werden wird. In dieser Weise sollte also alles, was zu den Juden gesagt worden war, erfüllt werden; und im Matthäusevangelium redet der Herr zu seinen Jüngern in Verbindung mit dieser Erwartung seiner Ankunft. Dennoch war es nötig, dass Jesus der Nation dargestellt wurde und litt; denn durch diese Darstellung des Messias, gemäß der Verheißung, sollte die Nation auf die Probe gestellt werden. Dies war geschehen, und wie Gott es durch die Propheten vorausgesagt hatte, wurde Er von den Menschen verworfen. Auch war Johannes der Täufer (nach Jes 40) im Geist und in der Kraft des Elias, als die Stimme eines Rufenden in der Wüste, vor Ihm hergegangen; aber auch er wurde, wie nachher der Sohn des Menschen, verworfen 3.

Mit diesen Worten (V 11+12) verkündigt also der Herr seinen Jüngern in Verbindung mit dem soeben von ihnen geschauten Vorgang und mit diesem ganzen Teil unseres Evangeliums, dass der Sohn des Menschen, so wie Er jetzt den Juden vorgestellt war, verworfen werden müsse. Derselbe Sohn des Menschen aber sollte in Herrlichkeit offenbart werden, so wie sie es für einen Augenblick auf dem Berg gesehen hatten. Elias sollte in der Tat kommen, wie die Schriftgelehrten gesagt hatten; aber Johannes der Täufer hatte diesen Dienst des Elias für die gegenwärtige Darstellung des Sohnes des Menschen in Macht erfüllt. Diese Gegenwart des Sohnes des Menschen (während die Juden gerechterweise ihrer eigenen Verantwortlichkeit überlassen wurden) konnte nur in seiner Verwerfung endigen, sowie in der Beiseitesetzung der Nation bis zu den Tagen, in welchen Gott wieder anfangen wird, Sich mit seinem Volk zu verbinden, das Ihm immer noch teuer war, wie traurig auch sein Zustand sein mochte. Er wird alsdann alle Dinge wiederherstellen – ein herrliches Werk, das Er erfüllen wird durch die Wiedereinführung seines Erstgebornen in der Welt. Der Ausdruck: „alle Dinge wiederherstellen“ bezieht sich hier, und zwar in sittlichem Sinn, auf die Juden, während derselbe Ausdruck in Apg 3,21 die Wirkung der Gegenwart des Menschensohnes selbst bezeichnet.

Die vorübergehende Gegenwart des Sohnes des Menschen auf der Erde war der Augenblick der Erfüllung eines Werkes, von dem die ewige Herrlichkeit abhängt, und das Gott vollkommen verherrlicht hat; eines Werkes, das über und außerhalb jeder Verwaltung stand, und in dem Gott und auch der Mensch offenbart worden sind; eines Werkes, von dem sogar die äußere Herrlichkeit des Sohnes des Menschen, insoweit sie von seinem Werk und nicht von seiner göttlichen Person abhängt, nur die Frucht war, und in dem Er in sittlichem Sinne selbst vollkommen verherrlicht worden ist, indem Er Gott vollkommen darin verherrlicht hat. Jedoch war, in Ansehung der den Juden gemachten Verheißungen, diese vorübergehende Gegenwart des Sohnes des Menschen nur der letzte Abschnitt in der Probe, der dieses Volk durch die Gnade unterworfen worden ist. Gott wusste wohl, dass sie seinen Sohn verwerfen würden; allein Er wollte sie nicht endgültig als schuldig betrachten, bis sie das wirklich getan hatten. So stellt Er denn in seiner göttlichen Weisheit (während Er später seine unfehlbaren Verheißungen erfüllt) den Juden Jesus, seinen Sohn, ihren Messias, vor. Er gibt ihnen alle nötigen Beweise. Er sendet ihnen, als Vorläufer dieses Messias, Johannes den Täufer, in dem Geist und in der Kraft des Elias. Der Sohn Davids wird in Bethlehem geboren mit all den Zeichen, die das Volk hätten überführen sollen. Aber durch ihren Stolz und ihre Eigengerechtigkeit verblendet, verwarfen sie alles.

Dessen ungeachtet geziemte es Jesu, Sich, was seine Stellung betraf, in Gnade dem elenden Zustande seines Volkes anzupassen. Daher teilte Er auch, als das Gegenbild des zu seiner Zeit verworfenen David, die Drangsale seines Volkes. Wenn die Heiden die Israeliten unterjochten, so musste Er, ihr König, ein Mitgenosse ihrer Trübsale werden, indem Er zugleich alle erforderlichen Beweise von dem gab, was Er war, und dem Volk in Liebe nachging. Ist Er einmal verworfen, so wird alles reine Gnade; zufolge der Verheißungen haben die Juden kein Recht mehr auf irgendetwas und sind, gleich einem armen Heiden, einzig und allein auf diese Gnade angewiesen. Gott wird es an Gnade nicht fehlen lassen. Er hat sie demgemäß auf den wahren Standpunkt von Sündern gebracht, wird aber trotzdem seine Verheißungen erfüllen. Dieser Gegenstand wird in Röm 11 behandelt.

Der wiederkehrende Sohn des Menschen wird derselbe Jesus sein, der weggegangen ist; der Himmel wird Ihn aufnehmen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von welchen die Propheten geredet haben. Aber sein Vorläufer bei seiner vorübergehenden Anwesenheit hienieden konnte nicht derselbe Elias sein wie der spätere. Demzufolge war Johannes der damaligen Offenbarung des Sohnes des Menschen angepasst, nur mit dem Unterschied, dass die Person des Sohnes des Menschen notwendigerweise nur eine sein konnte, während dies bei Johannes dem Täufer und Elias nicht der Fall war. Doch so wie Jesus die ganze Macht des Messias und alle seine Rechte auf das, was diesem Messias gehörte, offenbarte, ohne jedoch, da seine Zeit (Joh 7) noch nicht gekommen war, die äußere Herrlichkeit anzunehmen, so hat auch Johannes (den einzigen auf ihn angewandten Stellen, Jes 40  und selbst Mal 3, buchstäblich entsprechend) die Sendung des Elias in sittlichem Sinn in Macht erfüllt, um nach dem wahren Charakter der Ankunft des Herrn, so wie dieselbe damals in Erfüllung ging, den Weg des Herrn vor Ihm her zu bereiten. Aus diesem Grund sagt Johannes, dass er nicht Elias sei, während der Herr seinen Jüngern sagte: „Wenn ihr es annehmen wollt, er ist Elias, der kommen soll“ (Mt 11,14). Aus demselben Grunde bezieht auch Johannes niemals Mal 4,5+6 auf sich, sondern kündigt sich selbst als die Erfüllung von Jes 40,3–5  an; und so ist es in allen Evangelien, was auch deren besonderer Charakter 4 sein mag.

Setzen wir indes die Betrachtung unseres 17. Kapitels fort. Wenn der Herr einerseits in die Herrlichkeit einführt, so kommt Er andererseits in diese Welt herab, (selbst heute im Geist und in Mitgefühl), und begegnet der Volksmenge und der Macht Satans, mit der wir zu tun haben. Während der Herr auf dem Berg war, hatte ein armer Vater seinen mondsüchtigen und besessenen Sohn zu den Jüngern gebracht (V. 14 u. f.) Jetzt entwickelt sich ein anderer Charakter des Unglaubens des Menschen, ja, selbst des Gläubigen, nämlich die Unfähigkeit, sich der Kraft zu bedienen, die sozusagen in dem Herrn zu seiner Verfügung bereit steht. Christus, der Sohn Gottes, der Messias, der Sohn des Menschen, hatte den Feind besiegt, den Starken gebunden, und hatte mithin das Recht, ihn auszutreiben. Als Mensch, als der gehorsame Mensch, trotz der Versuchungen Satans, hatte Er diesen in der Wüste überwunden, und hatte darum als Mensch ein Recht, ihm seine Herrschaft über einen Menschen betreffs dieser Welt zu nehmen; und dies tat Er. Indem Er Dämonen austrieb und Kranke heilte, befreite Er die Menschen von der Macht des Feindes. „Gott“, sagt Petrus in Apg 10,38, „hat Jesum von Nazareth mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt, der umherging, wohltuend und heilend alle, die von dem Teufel überwältigt waren“. Nun, die Jünger hätten diese Macht benutzen und verstehen sollen, durch den Glauben das zu gebrauchen, was Jesus also auf Erden offenbart hatte; aber sie waren nicht fähig dazu. Was nutzte es nun, diese Macht auf die Erde zu bringen, wenn die Jünger nicht den Glauben hatten, sie zu benutzen? Die Macht war da, und der Mensch konnte sich ihrer zu einer gänzlichen Befreiung von aller Unterdrückung des Feindes bedienen; aber er hatte keinen Glauben, es zu tun – selbst die Gläubigen hatten ihn nicht. In dem Mann, der sein Kind brachte, war mehr Glaube als in den Jüngern; denn das Gefühl der Not trieb ihn zu Dem, der sie stillen konnte. Die Gegenwart Christi auf Erden war nutzlos, wenn gar seine eigenen Jünger keinen Nutzen daraus zu ziehen wussten. Einen jeden trifft daher das Urteil des Herrn: „O ungläubiges und verkehrtes Geschlecht!“ (V. 17). Er muss sie verlassen, und das, was die Herrlichkeit droben offenbart hatte, wird der Unglaube hienieden verwirklichen.

Bemerken wir hier, dass das Böse in der Welt nicht der besonderen Dazwischenkunft Gottes ein Ziel setzt, sondern dass es im Gegenteil zu einer solchen Dazwischenkunft in Gnade Gelegenheit gibt. Gerade wegen der Herrschaft, die der Teufel über die Menschen ausübte, war Christus gekommen. Er entfernt sich, weil diejenigen, welche Ihn aufgenommen hatten, unfähig waren, sich der durch Ihn gebrachten oder zu ihrer Befreiung gewährten Kraft zu bedienen; sie verstanden nicht, sich die Vorzüge, deren sie sich in jenen Tagen erfreuten, zunutze zu machen. Der Glaube fehlte. Beachten wir indes auch die wichtige und köstliche Wahrheit, dass, solange jene Verwaltung Gottes fortdauerte, Jesus nicht ermangelte, dem persönlichen Glauben in Segnung zu begegnen, selbst wenn seine Jünger nicht imstande waren, Ihn durch Glauben zu verherrlichen: In demselben Augenblick, da Er den Unglauben der Jünger verurteilt, beruft Er den betrübten Vater zu dem Genuss der Segnung. Doch vergessen wir nicht, dass wir, um uns seiner Macht bedienen zu können, durch die praktische Kraft des Glaubens mit Jesu in Gemeinschaft sein müssen.

Nachdem Jesus dann die Bitte des armen Vaters erhört und seinem Bedürfnis entsprochen hat, nimmt Er voll Geduld den Faden der Unterweisungen wieder auf, die Er seinen Jüngern gerade gibt im Blick auf seine Verwerfung und seine Auferstehung als Sohn des Menschen. Die Jünger, voll Liebe zu ihrem Herrn, aber unfähig, ihre Gedanken über die augenblicklichen Umstände zu erheben, sind betrübt; und doch handelte es sich um Versöhnung, Errettung und um die Herrlichkeit Christi.

Bevor Er jedoch fortfährt, sie über das zu belehren, was ihnen als Jüngern eines also verworfenen Herrn geziemte sowie über die Stellung, die sie einnehmen sollten, stellt Er ihnen seine göttliche Herrlichkeit und ihre Verbindung mit Ihm auf die ergreifendste Weise vor Augen. Ach, wenn sie es nur hätten verstehen können! Zugleich stellt Er in vollkommener Herablassung und Zärtlichkeit sich ihnen gleich, oder vielmehr Er stellt sie auf denselben Boden mit sich, als dem Sohn des großen Königs des Tempels und der ganzen Erde.

Die Einnehmer der Abgaben für den Dienst des Tempels treten zu Petrus und fragen: „Zahlt euer Lehrer nicht die Doppeldrachme?“ Petrus, stets bereit, sich vorzudrängen, und nicht eingedenk der von ihm geschauten Herrlichkeit sowie der ihm vom Vater gewordenen Offenbarung, und zugleich auf den gewöhnlichen Boden seiner eigenen Gedanken zurückkehrend und ängstlich darauf bedacht, dass man seinen Meister doch für einen guten Juden halten möchte, gibt, ohne Ihn zu befragen, eine bejahende Antwort. Als er dann ins Haus tritt, kommt der Herr ihm zuvor und zeigt ihm seine göttliche Kenntnis von allem, was sich fern von Ihm zuträgt. Zugleich redet Er von Petrus und von Sich selbst als von Kindern des Königs des Tempels (der Sohn Gottes nimmt immer noch in Geduld und Güte den Platz der Niedrigkeit als Jude ein), und gibt ihm zu verstehen, dass sie deshalb beide von der Abgabe frei seien. Doch sie sollten kein Ärgernis geben. So gebietet Er denn der Schöpfung – denn Er, der alles weiß, vermag auch alles und lässt durch einen Fisch genau die nötige Summe herbeibringen, indem Er abermals den Namen des Petrus mit dem Seinigen verbindet. Er hatte gesagt: „damit wir ihnen kein Ärgernis geben“. und jetzt sagt Er: „Gib ihnen für mich und dich.“ Welch eine wunderbare, göttliche Herablassung! Er, der die Herzen erforscht und über die ganze Schöpfung verfügt, der Sohn des unumschränkten Herrn des Tempels, versetzt seine armen Jünger in dieses nämliche Verhältnis zu seinem himmlischen Vater, zu dem Gott, der in diesem Tempel angebetet wurde. Er unterwirft sich den Forderungen, die man mit Recht an Fremde gestellt haben würde; aber seine Jünger versetzt Er in alle seine eigenen Vorrechte als Sohn. Der Zusammenhang zwischen diesem rührenden Ausdruck der göttlichen Gnade und dem Gegenstand dieser Kapitel tritt sehr deutlich hervor und zeigt die ganze Bedeutung der Veränderung, die vor sich ging.

Es ist interessant zu beachten, dass der erste Brief Petri auf Mt 16 und der zweite Brief auf das eben betrachtete 17. Kapitel gegründet sind 5. In Kapitel 16 hatte Petrus, vom Vater unterwiesen, den Herrn als den Sohn des lebendigen Gottes bekannt, und der Herr hatte gesagt, dass Er auf diesen Felsen seine Versammlung bauen, und dass der, der  die Gewalt des Todes hatte, sie nicht überwältigen werde. So erklärt auch Petrus in seinem ersten Brief, dass die Gläubigen durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren seien; und gerade in dieser Auferstehung ist die Macht des Lebens des lebendigen Gottes offenbart worden. Dann nennt Petrus Christus „den lebendigen Stein“, zu welchem kommend auch wir, als lebendige Steine, zu einem heiligen Tempel im Herrn aufgebaut werden.

In seinem zweiten Brief erinnert Petrus in einer besonderen Weise an die Herrlichkeit der Verklärung, als einen Beweis der Ankunft des Reiches des Sohnes des Menschen, und demgemäß redet er dann auch vom Gericht des Herrn.

Fußnoten

  • 1 Petrus, unterwiesen durch den Heiligen Geist, nennt sie die „Prachtvolle Herrlichkeit“.
  • 2 dass Moses und Elias verschwanden, hatte nichts zu tun mit dem göttlichen Wert ihres Zeugnisses, es hätte vielmehr, wie auch Petrus sagt, keine stärkere Bestätigung desselben geben können als gerade der Vorgang auf dem Berg. Allein sie waren nicht nur nicht die Gegenstände des Zeugnisses Gottes, wie Christus es war, sondern ihr Zeugnis und ihre Ermahnungen bezogen und erstreckten sich auch nicht auf die himmlischen Dinge, die jetzt in Verbindung mit dem Sohn vom Himmel offenbart werden sollten. Selbst Johannes der Täufer macht diesen Unterschied (Joh 3,13+31-34). Daher musste, wie dort ausgeführt wird, der Sohn des Menschen erhöht werden. Und so gebot auch hier der Herr den Jüngern, niemand zu sagen, dass Er der Messias sei; denn der Sohn des Menschen musste leiden. Es war der Wendepunkt in dem Leben und Dienst des Herrn, und die kommende Herrlichkeit des Reiches erglänzte vor den Jüngern; aber wenn das so war, so musste Er leiden (siehe Joh 12,27). Die jüdische Geschichte war in Mt 12, eigentlich schon in Mt 11, zu Ende, und der Grund zu der Veränderung war gelegt. Wir sehen dort sowohl Johannes als, auch den Herrn verworfen, ferner die völlige Unterwürfigkeit des Herrn, dann, dass der Vater Ihm alles übergeben hatte, und schließlich, dass Er den Vater offenbarte. Vergleiche auch Joh 13; 14. In Mt 13 aber beginnt Er, getrennt von dem Judentum, mit dem, was Er brachte, ohne länger Frucht bei dem Menschen zu suchen.
  • 3 Aus diesem Grund nimmt Johannes der Täufer die Anwendung von Mal 4,5.6 auf sich nicht an, dagegen werden Jes 40 und Mal 3,1 in Lk 1,76 und Lk 7,27 auf ihn angewandt.
  • 4 Siehe die vorhergehende Anmerkung.
  • 5 Diese beiden Briefe handeln, nachdem sie die Erlösung durch das kostbare Blut Christi und die Wiedergeburt durch den unverweslichen Samen des Wortes festgestellt haben, von der Regierung Gottes. Der erste zeigt deren Ausübung im Blick auf die Gläubigen zu ihrer Bewahrung, der zweite im Blick auf die Bösen und die Welt, indem er bis zur Auflösung der Elemente in glühendem Brand geht und uns bis zu dem neuen Himmel und der neuen Erde führt.
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