Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Kapitel 17

Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Als erstes werden hier die Charakterzüge Babylons geschildert. Wie bei dem Tiere, so ist es auch hier nur ein einzelner Gegenstand, der von dem Gericht getroffen wird; in sittlicher Hinsicht aber ist Babylon wichtiger und bedeutsamer als alle übrigen Gegenstände des Gerichts. Der allgemeine Charakter Babylons ist der einer großen, tätigen Götzendienerin, welche die Masse der Nationen unter ihren Einfluss gebracht hat; weiter wird von ihr gesagt, dass die Könige der Erde in sträflichem vertrautem Umgang mit ihr gelebt haben, indem sie um ihre Gunst buhlten, während die, welche auf der Erde wohnen, durch den verderblichen und berauschenden Einfluss, den sie ausübte, ihrer Sinne beraubt wurden. Die so gegebenen allgemeinen Charakterzüge sind deutlich genug, um uns das römische oder päpstliche System erkennen zu lassen.

Im weiteren Verlauf des Kapitels werden uns jedoch noch nähere Einzelheiten mitgeteilt. Ein Weib wird gesehen, ein religiöses System, welches auf einem scharlachroten (kaiserlichen) Tiere sitzt, das voll Namen der Lästerung ist und eine Gestalt hat, die es als das Römische Reich erkennen lässt. Das Weib ist in prächtiger, kaiserlicher Würde entsprechender Weise bekleidet, trägt alles, was es an menschlicher Herrlichkeit und Ausschmückung gibt, an sich und hat einen kostbaren Becher in der Hand, der mit groben hurerischen Abgöttereien gefüllt ist. Das Wort „Gräuel“ bezeichnet einfach Götzen, der Ausdruck „Unreinigkeit ihrer Hurerei“ die ganze schreckliche Verderbtheit, welche mit dem Götzendienst Hand in Hand geht. Ihr Becher ist voll davon. Sie ist in der Wüste, wo es keine Quellen Gottes gibt. Es ist sozusagen nicht Gottes Land, keine himmlische Gegend. Für ein geistliches Verständnis trägt sie ihren Charakter an ihrer Stirn, der jedoch nur dann erkannt und verstanden wird, wenn man ihn geistlicherweise zu deuten weiß. Es ist der Charakter der großen Stadt des Verderbens, der Quelle aller auf Menschen wirkenden Verführung und alles auf Erden herrschenden Götzendienstes. Wir erkennen hier, mit einem Wort, das Papsttum. Doch das ist nicht alles. In ihr wird auch alles Blut der Heiligen gefunden; sie hat die verfolgt und hingemordet, an welchen Gott Seine Freude hatte, und die für Jesum Zeugnis ablegten 1. Der Prophet ist bei diesem Anblick im höchsten Grade verwundert; denn was Ihm gezeigt wird, ist das, was aus der Kirche geworden ist.

Hierauf beschreibt der Engel das Tier, auf welchem das Weib reitet. Es war gewesen, hatte zu bestehen aufgehört und steigt nun aus unmittelbar teuflischen Quellen wieder empor; es kommt aus dem Abgrund herauf. Das von dem Schauplatz verschwundene Römische Reich wird bei seinem Wiedererscheinen seiner Natur nach gotteslästerlich und teuflisch sein und in diesem Charakter ins Verderben gehen; doch werden (mit Ausnahme der Auserwählten) alle, die sich auf der Erde befinden, voll Verwunderung sein, wenn sie das Tier sehen werden, welches war, nicht ist und da sein wird. Die Beschreibung des Engels lässt uns in dem Tiere ohne Mühe das römische oder lateinische Weltreich erkennen, nur ist zu beachten, dass es mehr formell wiedererscheinen wird. Indes wird Rom in Vers 9 noch bestimmter bezeichnet: „die sieben Köpfe sind sieben Berge“; es ist die Siebenhügelstadt. Ja, die Mitteilungen gehen noch weiter. Das Tier war die herrschende Gewalt, welche zu der Zeit, als die Weissagung an Johannes geschah, bestand, fünf seiner regierenden Mächte oder Regierungsformen waren bereits gefallen, eine war da, eine sollte noch für eine kleine Weile kommen, und dann würde „das Tier aus dem Abgrund“, d. h. das Reich in seiner letzten teuflischen Gestalt, erscheinen und vernichtet werden. Die letzte Regierungsform ist jedoch nicht neu; sie ist, wiewohl eine achte, „von den sieben“. Nach meinen Eindrücken war der erste Napoleon und seine kurze Herrschaft die siebente Form des Reiches, so dass wir jetzt auf die Offenbarung der letzten zu warten haben. Wiewohl das Tier kaiserlich ist, trägt es doch zehn Hörner, welche zehn verschiedene Königreiche vorbilden. Diese haben ein jedes für sich ihre Macht, und zwar für dieselbe Zeitdauer wie das Tier. Sie geben aber alle ihre Macht dem Tiere und führen Krieg gegen Christum, den auf Erden Verworfenen; aber Er wird sie überwinden. Denn wie verachtet Er auch sein mag, die höchste Gewalt ist doch Sein, und es gibt andere, die mit Ihm kommen, und zwar nicht nur Engel, sondern Berufene, d. h. Seine Heiligen.

Dann werden noch einige Einzelheiten hinzugefügt. Die Wasser, an denen die Hure sitzt, bedeuten nach der Erklärung des Engels Völker, Völkerscharen, Nationen und Sprachen, d. h. also die Volksmassen der Erde nach ihren verschiedenen Einteilungen. Dann wird gesagt, dass die zehn Hörner, oder die mit dem Tiere verbundenen Königreiche, sowie das Tier selbst die Hure hassen, ihr Fleisch fressen und sie mit Feuer verbrennen; mit anderen Worten sie berauben sie zuerst aller Kraft und Fettigkeit und vernichten sie dann; denn Gott Selbst gibt es ihnen ins Herz, ihre königliche Gewalt dem gotteslästerlichen Tiere zu geben, „bis die Worte Gottes vollbracht sein werden“. Und schließlich wird uns noch ausdrücklich gesagt, dass das Weib (nicht die „Hure“, das ist ihr verderbter, abgöttischer Charakter, sondern das „Weib“), das diesen Platz als auf dem Tiere reitend einnehmen soll, Rom ist. Der ganze Inhalt dieses 17. Kapitels ist beschreibender Art.

Fußnoten

  • 1 Es ist eine bemerkenswerte Tatsache, dass eine aus äußeren Formen bestehende Religion, die hinsichtlich ihrer Stiftung auf alten Ansprüchen ruht, und die von solchen, welche die Wahrheit empfangen haben, um dieser willen verlassen wird, die regel- und gewohnheitsmäßige Anstifterin von Verfolgungen ist, wiewohl sie andere zu deren Ausführung benutzen mag. So war es bei den Juden, und so hat es sich in der allgemeinen Weltgeschichte wiederholt. Eine solche Religion wird immer hinsichtlich der Wahrheit zu einer falschen Religion werden, mag sie auch noch einzelne und vielleicht wichtige Wahrheiten beibehalten. Die Wahrheiten, die das Herz und dessen Gehorsam auf die Probe stellen, finden sich in ihr nicht.
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