Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Kapitel 14

Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Hier wird uns sodann gezeigt, wie Gott dem Bösen gegenüber handelnd auftritt, zuvor jedoch den Überrest anerkennt und beiseite stellt. Dieser Überrest gehört gänzlich der erneuerten Erde an; er erscheint an dem Ort, welcher den Mittelpunkt der dann auf Erden entfalteten Herrschaft und Herrlichkeit bilden wird - auf dem Berge Zion, von welchem aus das Lamm regieren wird. Die zu diesem Überrest Gehörenden tragen Seinen Namen und den Namen Seines Vaters an ihren Stirnen, d. h. sie sind durch ihr offenes Bekenntnis von Gott und dem Lamme Zeugen der Namen derselben gewesen und haben durch Leiden gehen müssen, denen ähnlich, welche Christus in Seinem Leben erduldet hat, indem Er bekannte, dass Gott Sein Vater sei; nur haben sie nicht den Tod erlitten. In ihnen wird uns nicht die Versammlung, nicht solche, die für den Himmel bestimmt sind, vor Augen gestellt; vielmehr erblicken wir in ihnen einen neuen Anfang, die Segnung einer befreiten Erde in ihren Erstlingen, d. h. in denen, welche um des Zeugnisses willen, das sie von ihr ablegten, gelitten haben. Der Himmel gibt dieser Tatsache mit einer Stimme Ausdruck, die wie das Rauschen vieler Wasser und wie das Rollen eines lauten Donners klingt, zugleich aber seine Freude bezeugt; denn die Stimme ist wie von Harfensängern. Ein neues Lied wird gesungen vor dem Throne und den lebendigen Wesen und den Ältesten. Die Tatsache, dass dies geschieht, ist hier die wichtige Sache. Im 5. Kapitel wurde im Himmel und vom Himmel ein Lied gesungen, das mit der Erlösung in Verbindung stand; und die Erlösten wurden als Könige und Priester bezeichnet. Hier ist zwar auch von Erlösung die Rede, aber es ist eine Erlösung, ein Erkauftsein, das mit irdischen Segnungen, nicht aber mit dem König- und Priestertum droben in Verbindung steht; auch wird das Lied, von dem hier die Rede ist, vor den Himmelsbewohnern und vor dem Throne gesungen. Doch steht der Himmel mit dem Liede in unmittelbarer Verbindung. Es knüpft an einen Triumph über die Macht des Bösen an, der durch geduldiges Ertragen von Leiden errungen worden ist.

Was diesen Überrest in besonderer Weise kennzeichnet, ist, dass er sich von der ihn umgebenden Befleckung rein erhalten hat. Er ist durch Bedrängnisse gegangen, hat in denselben überwunden und steht infolgedessen mit den Überwindern, die im Himmel sind, in unmittelbarer Verbindung. Das hier erklingende Lied ist zwar nicht, wie schon bemerkt, jenes neue Lied, das von einem Erkauftsein für den Himmel redet, doch wird in ihm ein Sieg gepriesen, der unmittelbar vor den Toren des Todes errungen wurde, wenngleich der Tod selbst nicht erlitten worden ist. Dieses neue Lied kann niemand lernen als nur diejenigen, welche an den von dem Lamme auf Erden erduldeten Leiden teilgenommen haben, und die nun auch in der königlichen Herrschaft des Lammes auf Erden Seine Genossen sein sollen; sie waren Ihm vordem gefolgt, und so werden sie Ihm auch jetzt folgen wohin irgend es geht. Sie sind die Erstlinge des neuen Zustandes, der auf Erden eintreten soll. Sie haben zu einer Zeit, da alle sich verderbten, sich rein erhalten. Sie sind Jungfrauen. Sie hatten nicht zu denen gehört, welche die Lüge liebten und taten oder in sie einwilligten. Von Verderbnis und Falschheit sind sie frei geblieben und haben offen die Wahrheit bekannt. Einen Platz im Himmel haben sie zwar nicht, aber sie sind tadellos und teilen nun den Platz und die Herrlichkeit des Lammes auf Erden, indem sie Es bei der Entfaltung dieser Herrlichkeit begleiten, wohin irgend Es geht. Ist erst einmal das Reich aufgerichtet, so wird für alles das, was zu den hier genannten Vorrechten führt, kein Raum mehr sein. Dann wird es zu spät sein, in der Weise, wie diese es getan haben, Treue zu beweisen.

Es zeigt sich hier eine Verbindung mit den himmlischen Heiligen, die bei der weißgekleideten Menge in Kapitel 7 nicht zu sehen war. Letztere stand vor dem Throne und dem Lamme. Alle, die zu ihr gehören, sind vor dem Throne Gottes, beten in Seinem Tempel an und werden von dem Lamme getröstet. Hier hingegen tritt sowohl in dem Pfade, den die Überwinder zu gehen hatten, als auch in dem Platze, der ihnen infolgedessen zuteil wird, eine besondere Verbindung mit dem Lamme, wie Es Sich auf Erden zeigt, zutage. Sie sind der Überrest, dem wir in den Psalmen (besonders in Psalm 1-41) begegnen. Aber obwohl sie bei dem König sind, wenn Er auf Erden erscheint, werden sie doch bereits aus den Menschen erkauft sein, ehe Christus auf die Erde kommt, und das Lied, das sie singen lernen, wird vor den Ältesten und den lebendigen Wesen gesungen. Sie sind nicht bei ihnen, singen aber das Lied, das vor ihnen gesungen wird. Der Menge aus den Nationen werden also besondere Vorrechte, die sie angesichts Gottes und des Lammes genießen, zuteil, während der jüdische Überrest mit dem Lamme, wie Es Sich auf Erden zeigt, und in gewissem Sinne mit dem Himmel in Verbindung steht.

In dem nun Folgenden wird uns der weitere Verlauf der Wege Gottes gezeigt, indem an die Erde die Warnung ergeht, den Götzendienst aufzugeben, da die Stunde des Gerichts Gottes gekommen sei. Das ewige Evangelium (V. 6) ist das Zeugnis von der Macht Christi, wie es von dem Paradiese an abgelegt worden ist; es wird so genannt im Gegensatz zu der besonderen Predigt, welche die Versammlung zum Gegenstand hat, und des damit in Verbindung stehenden Evangeliums. Weiter wird angekündigt, dass Babylon gefallen sei; gegen jeden, der das Tier anerkennen würde, werden Drohungen und Warnungen ausgesprochen, doch ist jetzt die Zeit gekommen, da das Sterben im Herrn aufhören soll: von nun an bleibt nur die Glückseligkeit der also Gestorbenen. Sterben und Erdulden von Drangsalen sind jetzt vorüber. Die im Herrn Gestorbenen werden hier als eine zusammengehörige Körperschaft betrachtet. Solange noch irgendwelche zu ihrer Zahl hinzukommen sollten, waren sie wohl im Herrn Gestorbene, genossen jedoch noch nicht die ihnen bestimmte Ruhe und Segnung. Jetzt aber ist die Zeit gekommen, in welcher sie ihre Ruhe genießen und ihren Lohn erhalten sollen.

Hierauf erntet Christus die Erde, d. h. Er scheidet, sammelt und übt Gericht; dann tritt Er die Kelter, d. h. Er vollstreckt eine unnachsichtige Rache an den Bösen. Das ist auch der Grund, weshalb nach diesem letzten Gericht der Engel verlangt, der Gewalt über das Feuer hat, indem es sich dabei um ein vollständiges, dem Charakter Gottes entsprechendes Gericht handelt. Dieses Gericht wird nicht innerhalb der Grenzen Babylons vollzogen, nicht in jenem Bereich, wo der Mensch in Auflehnung gegen Gott seine Einrichtungen ersonnen und getroffen hat. Es ist der Abschluss der geschichtlichen Ereignisse, die durch die Entrückung des männlichen Sohnes in den Himmel eingeleitet wurden. Dieser männliche Sohn ist jetzt zurückgekehrt, um Rache zu üben.

Eine interessante Frage bleibt noch zu beantworten, die nämlich, was unter dem Weinstock der Erde zu verstehen ist. Ich denke, es ist das, was als Pflanzung Gottes auf Erden angelegt ist, sich als solche dem Bekenntnis nach in Verbindung mit Ihm befindet und daher Frucht trägt oder, seiner Bestimmung gemäß, doch Frucht tragen sollte. Israel war der Weinstock, der aus Ägypten gezogen wurde. Christus war auf Erden der wahre Weinstock; um die Verbindung, in welcher die Seinigen mit Ihm im Himmel stehen, handelt es sich dabei nicht. Wenn wir in letzterer gesehen werden, so werden wir als vollendet betrachtet, nicht aber als solche, die Frucht tragen sollen und beschnitten werden müssen. In ähnlicher Weise bestand das Verhältnis noch fort, nachdem Christus in die Höhe hinaufgestiegen war, nur mit dem Unterschiede, dass jetzt bekennende Christen die Zweige des Weinstocks bilden. Was wir hier erblicken, ist jedoch der Weinstock der Erde, d. h. etwas, was den Charakter der Erde trägt und sein Gedeihen auf ihr hat, dabei aber, aufgrund ererbter Ansprüche, sich anmaßt, den Platz des auf Erden zu Recht bestehenden religiösen Bekenntnisses einzunehmen. Die wahren Heiligen sind zu der Zeit, um die es sich hier handelt, entweder droben, oder sie bilden einen Überrest, der aus einzelnen, der Verfolgung ausgesetzten Personen besteht. Ich zweifle nicht daran, dass in jenen Tagen die Juden den Mittelpunkt des hier in Rede stehenden Systems bilden werden, doch werden sie mit den Nationen vermengt sein, sich dem Götzendienst zugewandt haben und zur Behausung von sieben Geistern geworden sein, die noch böser sind als der Geist des Götzendienstes; und die von Gott abgefallenen Nationen werden in alledem völlig mit ihnen verbunden sein (siehe Jes 34; 63; 65; 66 ).

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