Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Kapitel 3

Betrachtung über Offenbarung (Synopsis)

Wir haben gesehen, dass das Ende der Geschichte der Kirche auf Erden, das bei dem Kommen des Herrn eintreten soll, bereits in dem Sendschreiben an Thyatira ins Auge gefasst wird. Mit Sardes beginnt ein neuer, aber gleichzeitig mit dem vorigen verlaufender Abschnitt jener Geschichte. Außer dass von Christo gesagt wird, Er habe die sieben Sterne, wird keiner Seiner auf die Kirche bezüglichen Charaktere hier genannt, keiner von jenen Zügen, die an Ihm, als dem inmitten der Versammlungen Wandelnden, bemerkt werden. Dennoch wird die Versammlung als solche bezeichnet. Es handelt sich immer noch um die Geschichte der Versammlung. Da jedoch das Kommen des Herrn bereits in Aussicht gestellt worden ist, knüpfen nun alle Darstellungen der Charaktere Christi an das an, was Ihn im Reiche kennzeichnen wird. Doch Er hat noch die sieben Sterne, das heißt die höchste Autorität über die Versammlung. Das ist nicht etwas, das nur für diese Versammlung zutrifft. Er besitzt diese Autorität über alle und in Bezug auf alle Versammlungen. Nur hat Er es in diesem Charakter mit Sardes zu tun. Er besitzt die sieben Geister, die Fülle der Vollkommenheit, in welcher Er die Erde regieren wird. Er hat daher ausreichende Mittel, um in der Versammlung Segen darzureichen, wiewohl die regelrechte Verbindung zwischen Ihm und der Kirche nicht mehr besteht. Er besitzt Macht über alle sowie die Fülle des Geistes, und beides in Vollkommenheit. Welches auch der Zustand der Versammlung sein mag, Er ist alles dieses. Das ist ein großer Trost. Die Versammlung kann in ihrer Stellung als Zeugin nie deshalb zu Schanden werden, weil es in Ihm an Gnadenfülle gemangelt hätte. ebenso wenig kann Er den zu Schanden werden lassen, der Ohren hat zu hören.

Der Zustand der Versammlung zeigte aber, dass sie weit davon entfernt war, sich dies zunutze zu machen. Sie hatte in der Tat den Namen, dass sie lebte: dem Bösen gegenüber, das sich in Thyatira fand, machte sie Anspruch darauf, etwas Besseres zu sein; es gab in ihr auch keine Jesabels und keine Verderbnis. In Wirklichkeit war aber der Tod da. In ihren Werken gab es vor Gott keine Völligkeit. Unmittelbar Böses war nicht da, aber Mangel an geistlicher Energie; und dieser ließ es zu, dass einzelne ihre Kleider in der Weit besudelten. Die Versammlung in Sardes wird aufgefordert, nicht ihrer ersten Werke zu gedenken, sondern dessen, was sie empfangen und gehört hatte, der ihr anvertrauten Wahrheit, des Evangeliums und des Wortes Gottes. Wenn sie das nicht täte, würde sie wie die Welt behandelt werden. Der Herr würde kommen wie ein Dieb; denn das Kommen des Herrn steht jetzt immer in Aussicht.

Es wird hier nicht mit dem Wegrücken des Leuchters gedroht; dass dies geschehen würde, war bereits eine beschlossene Sache. Das Gericht, die Beiseitesetzung der Versammlung, stand unwiderruflich fest. Die hier in Rede stehende Körperschaft sollte vielmehr wie die Welt behandelt werden, nicht als eine auf dem Boden der Kirche stehende Versammlung, die sich verderbt hatte (vgl. 1.Thes 5). Indessen hatten einige ihre Reinheit bewahrt; diese sollten Anerkennung finden und als solche, die Werke der Gerechtigkeit getan hatten, mit Christo wandeln. Dasselbe wird in der Verheißung ausgesprochen. Sie hatten wirklich Seinen Namen vor den Menschen, vor der Welt bekannt, deshalb sollten ihre Namen vor Gott bekannt werden, wenn das, was den Namen „Versammlung“ trug, wie die Welt behandelt werden würde. Sie waren wahre Christen inmitten eines weltlichen Bekenntnisses; daher sollten ihre Namen nicht aus der Liste gestrichen werden, die damals zwar auf Erden unrichtig geführt wurde, durch ein vom Himmel her vollzogenes Gericht aber unfehlbar richtig gestellt werden wird. Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass von da ab, wo das Kommen des Herrn zum ersten Mal in Aussicht gestellt wird, die Aufforderung zu hören erst dann laut wird, wenn die Überwinder von der Gesamtheit unterschieden worden sind. Nur nach einem solchen Überrest wird noch geforscht. Ich zweifle nicht daran, dass wir in Sardes den Protestantismus vor uns haben.

Der Charakter der Versammlung in Philadelphia ist besonders interessant. Von ihren Werken wird nichts weiter gesagt, als dass Christus sie kennt. Das interessante bei ihr ist, dass sie in besonderer Weise mit Christo Selbst verbunden erscheint. Christus wird hier, wie bei allen diesen letzten Versammlungen, nicht in den Charakteren erblickt, in denen Er inmitten der goldenen Leuchter wandelte, sondern vielmehr in solchen, die für den Glauben dann besonders hervortreten, wenn die kirchliche Organisation zur Brutstätte des Verderbens geworden ist. Hier tritt Sein persönlicher Charakter ans Licht, das, was Er innerlich ist, heilig und wahrhaftig, das, was das Wort darstellt und was es fordert, und was das Wort Gottes in sich selbst ist; es ist ein innerer, sittlicher Charakter und Treue. Das letzte Wort schließt alles ein: innere und äußere Treue Gott gegenüber demgemäß, was von Ihm geoffenbart ist, und Treue, die alles wahr machen wird, was Er ausgesprochen hat.

Christus wird hier als der Heilige gekannt. Äußere kirchliche Verbindungen und Ansprüche können daher vor Ihm nicht genügen. Er sucht das, was Seiner Natur entspricht, sowie treue Übereinstimmung mit jenem Wort, das Er sicher und gewiss wahr machen wird. Außerdem liegen Regierung und Verwaltung in Seiner Hand: Er öffnet, und niemand wird schließen; Er schließt, und niemand wird öffnen. Erinnern wir uns an den Pfad, den Er auf Erden gegangen ist! Nur nahm Er damals in Gnaden den Platz der Abhängigkeit ein, wie auch wir abhängig sind. Er war der Heilige und Wahrhaftige. Vor den Augen des Menschen hatte Er eine kleine Kraft, Er bewahrte das Wort, lebte von jedem Wort, das durch den Mund Gottes ausging, harrte beharrlich auf Jehova, und Ihm tat der Türhüter auf. Er lebte in den letzten Tagen einer göttlichen Verantwortung oder Haushaltung als der Heilige und Wahrhaftige, der verworfen wurde und vor menschlichen Augen keinen Erfolg hatte bei denen, die da sagten, sie seien Juden, während sie in Wirklichkeit die Synagoge Satans waren. In derselben Lage befinden sich die Heiligen in diesem Sendschreiben: sie wandeln an einem Platz, der dem Seinigen gleicht; sie bewahren Sein Wort, haben eine kleine Kraft, zeichnen sich nicht durch eine Geisteskraft aus, wie sie z. B. Paulus besaß, verleugnen aber nicht Seinen Namen. Das ist der Charakter, und das sind die Beweggründe, die ihr ganzes Verhalten kennzeichnen. Es wird ein offenes Bekenntnis abgelegt, das Wort bewahrt, Sein Name nicht verleugnet. Das scheint wenig zu sein; aber in einer Zeit allgemeinen Verfalls, vieler Anmaßung und hoher kirchlicher Ansprüche, in einer Zeit, da viele durch die Vernunftschlüsse des Menschen fortgerissen werden, ist das Bewahren des Wortes Dessen, der heilig und wahrhaftig ist, und das Nichtverleugnen Seines Namens alles. Und dieser grundlegende Zug wird hier erwähnt. Christus, der Heilige und Wahrhaftige, harrt aus. Hier auf Erden wartete Er beharrlich auf Jehova. Das ist es, was einen vollkommenen Glauben kennzeichnet. Der Glaube trägt einen doppelten Charakter: überwindende Energie und ein Ausharren, das auf Gott wartet und Ihm vertraut. (Die erstere finden wir in Hebräer 11,23-34, das letztere in Vers 8-22.) Hier begegnen wir dem letzteren; das Wort des Ausharrens wird bewahrt.

An die erstgenannten Eigenschaften aber, auf die es wesentlich ankommt, nämlich das Wort zu bewahren und Christi Namen nicht zu verleugnen (wenn dabei auch nur eine kleine Kraft vorhanden ist), während kirchlicherseits Ansprüche darauf erhoben werden, eine auf Nachfolge beruhende von Gott Selbst gestiftete Religion zu besitzen, werden besondere Verheißungen geknüpft. Christus wird jene, die sich voll Anmaßung auf ererbte, von Gott ihnen verliehene Rechte beriefen, zwingen, zu kommen und anzuerkennen, dass Er die, welche Sein Wort bewahrten, geliebt hat. Für die Gegenwart wurde eine geöffnete Tür gegeben, die niemand zu schließen vermochte; geradeso wie der Türhüter Ihm aufgetan hatte, so dass weder Schriftgelehrte noch Pharisäer und Priester es zu verhindern vermochten. Und an einem zukünftigen Tage werden jene eingestehen müssen, dass sie die Gedemütigten sind, während alle, die dem Worte des Heiligen und Wahrhaftigen gefolgt sind, als solche dastehen werden, die Er geliebt hat. Inzwischen genügte Seine Anerkennung. Die Probe, welcher der Glaube unterworfen wurde, bestand darin, ob man mit Seiner Anerkennung zufrieden war und sich an der Autorität Seines Wortes genügen ließ.

Indes wird auch in Verbindung mit den Gerichten, die der Herr auf Erden ausführen wird, eine Verheißung gegeben. Christus wartet, bis Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt werden. Um alles in der Welt richtig gestellt zu sehen, müssen wir diesem Augenblick entgegenharren. Wir müssen da, wo der Gott dieser Welt (wenn auch nur innerhalb der ihm von Gott gezogenen Grenzen) schaltet und waltet, unseren Weg verfolgen. Wenn man meint, das Gute müsse in dieser Welt zu seinem Recht gelangen, so vergisst man das Kreuz und Christum. Wir können nicht eher zu unseren Rechten gelangen, bis Er zu den Seinigen gelangt ist; denn wir haben keine anderen als diese. Seitdem das Gericht Pilatus übergeben war und Christus als der Gerechte vor ihm gestanden hat, ist das Gericht noch nicht zur Gerechtigkeit zurückgekehrt. Christus wartet bis zu dem Augenblick, da dies geschehen wird, wiewohl Er Sich zur Rechten Gottes befindet, und wir warten ebenfalls. Es handelt sich hier nicht, wie bei Smyrna, um Verfolgung und Märtyrertum. Vielleicht ist die Aufgabe aber ebenso schwer; jedenfalls ist es die, die wir jetzt haben: nämlich auszuharren und uns an der Anerkennung Christi genügen zu lassen, dass wir Sein Wort bewahren und Seinen Namen nicht verleugnen.

Doch es gibt hier noch andere, und zwar sehr kostbare Ermunterungen. Eine Stunde der Versuchung war nahe bevorstehend; sie sollte über die ganze Welt kommen, um alle zu versuchen, die der Erde angehörten, die als ihr Angehörende auf ihr wohnten. Einige mochten verschont bleiben, die sich in der Prüfung siegreich erwiesen; diejenigen aber, welche das Wort des Ausharrens Christi bewahrten, würden vor derselben bewahrt werden. Die Prüfung wird über die ganze Welt kommen; wo werden aber dann jene sein? Außerhalb der Welt. Sie haben ihr nicht angehört, während sie sich in ihr befanden. Sie haben darauf gewartet, dass Christus Seine Macht an Sich nehmen würde; sie haben der Zeit entgegengeharrt, da Er die Welt besitzen wird. Sie gehörten dem Himmel an, Dem, der Sich dort befand, und so sollten sie hinweg genommen werden, um bei Ihm zu sein, während die Welt durch eine furchtbare Prüfungszeit gehen würde. Ehe Christus Seine Macht an Sich nehmen wird, soll noch eine besondere Zeit eintreten, und nicht nur sollen die Treuen nach Verlauf dieser Zeit mit Ihm regieren, sondern sie sollen auch vor jener Stunde selbst bewahrt bleiben; und die Versicherung hiervon tragen sie zu der Zeit, da sie durch Prüfungen gehen müssen, in sich. Daher weist der Herr sie auf Sein Kommen als auf den Gegenstand ihrer Hoffnung hin. Dieser Hinweis trägt hier nicht den Charakter einer Warnung oder Drohung, dass der Unbußfertige beim Erscheinen des Herrn wie die Welt behandelt werden würde. Nein, Seine Ankunft war nahe, und sie, die Schwachen, aber im Geiste mit Ihm Verbundenen, sollten die in Aussicht gestellte Krone im Auge behalten, indem sie das festhielten, was sie hatten, damit niemand ihnen jene Krone nähme.

Die nunmehr folgende Verheißung gilt allen Heiligen; es ist ein Platz in den himmlischen Örtern, gekennzeichnet durch eine besondere Verbindung mit Christo. Auch wird den Überwindern öffentlich das zuerkannt, woran sie, als sie hier auf Erden waren, keinen Anteil zu haben schienen. Andere machten hienieden Anspruch darauf, das Volk Gottes, die Stadt Gottes zu sein - in religiöser Beziehung vor Gott gültige Rechte zu besitzen, während jene sich nur mit Seinem Wort in Übereinstimmung befanden und auf Christum warteten. Wenn nun Christus Seine Macht an Sich nimmt, wenn alle Dinge an den Platz gestellt werden, der ihnen wirklich zukommt, so wie es Ihm, der dann mit Macht bekleidet erscheint, entspricht, dann werden auch die Überwinder diesen Platz als ihnen von Gott verliehen einnehmen. Hienieden waren das Kreuz und Verachtung ihr Teil; droben sind sie es, die den Namen Gottes tragen und zu der himmlischen Stadt gehören.

Doch betrachten wir die Verheißung, die hier den Überwindern gegeben wird, noch etwas eingehender. Der, welcher hienieden nur eine kleine Kraft besaß, ist eine Säule in dem Tempel des Gottes, in welchem und mit welchem er gesegnet ist. Vielleicht galt er auf Erden gar nicht als innerhalb der kirchlichen Einheit und Ordnung stehend; im Himmel ist er eine Säule in derselben und wird nie mehr hinausgehen. Ihm, der kaum dafür gehalten wurde, dass er Teil an der Gnade hätte, ist der Name Seines Heiland-Gottes öffentlich in himmlischer Herrlichkeit aufgedrückt. Auf ihn, der kaum zu der heiligen Stadt gerechnet wurde, ist deren himmlischer Name geschrieben sowie der neue Name Christi - der Name, welcher Propheten und Juden nicht bekannt war, weil er nicht mit dem Fleische in Verbindung steht, den Christus aber angenommen hat als Der, welcher für die Welt (wo die falsche Kirche ihren Wohnort sucht) tot, aber zu himmlischer Herrlichkeit auferstanden ist. Die Sorgfalt, mit der hier die Verbindung mit Christo betont wird, ist auffallend und verleiht der Verheißung einen besonderen Charakter. „In dem Tempel meines Gottes“, sagt Christus; ferner: „den Namen meines Gottes“, „der Stadt meines Gottes“, „meinen neuen Namen“. Dem, der mit Christi eigenem Ausharren verbunden war, gibt Christus ein Teil, das ihn völlig mit der Segnung verbindet, die Er Selbst bei Gott genießt. Darin liegt ein besonderer Segen, und es gereicht uns zu großer Ermunterung.

Wir kommen jetzt zu Laodicäa. Lauheit kennzeichnet den letzten Zustand des Bekenntnisses, in welchem die Versammlung gesehen wird. Sie erregt den Ekel Christi, Er wird sie aus Seinem Munde ausspeien. Es ist hier nicht bloßer Mangel an Kraft, sondern Mangel an Herz für den Herrn - das schlimmste von allen Übeln. Die Drohung wird hier ganz bestimmt, nicht nur bedingungsweise, ausgesprochen. Sie hat eine Verwerfung zur Folge, für die es keine Heilung gibt. Mit diesem Mangel an Herz für Christum und Seinen Dienst geht große Anmaßung Hand an Hand, die in sich selbst Hilfsquellen und alles Genügende zu besitzen meint. „Ich bin reich“, so sagt man, während man doch nichts von Christo besitzt. Eine äußerlich bekennende Kirche steht vor uns, die sich für reich hält, ohne dass sie durch Glauben Christum als den Reichtum der Seele hat. Daher gibt der Herr ihnen den Rat, von Ihm wahre, von Gott anerkannte Gerechtigkeit zu kaufen, Bekleidung für ihre sittliche Blöße, sowie das, was ihnen geistliches Licht geben konnte; denn sie waren hinsichtlich dessen, was Christus in den Augen Gottes ist und gibt, arm, bloß und jämmerlich, und das in ganz hervorragender Weise.

Das also ist das Urteil Christi über die Errungenschaften, deren man sich menschlicherweise rühmte. Solange indessen die Versammlung noch besteht, fährt Christus fort, in Gnade zu handeln, steht an der Tür und klopft an, macht es dem Gewissen zur dringendsten Pflicht, Ihn aufzunehmen. Wenn jemand selbst aus dem, was Er im Begriff stand auszuspeien, Seine Stimme hören und auftun würde, dem würde Er gestatten, bei Ihm zu sein, und würde ihm teil im Reiche geben.

Von dem Kommen des Herrn wird hier nicht geredet, ebenso wenig wie dies bei dem Gericht über Jesabel geschieht. Jene war tatsächlich Babylon, welches gerichtet wird, ehe Christus kommt. Das, um was es sich hier handelt, wird aus dem Munde Christi ausgespieen, als für Ihn wertlos weggeworfen; die allgemeine Körperschaft aber wird wie die Welt gerichtet. Das Kommen des Herrn ist, wie bei Thyatira, auch bei Philadelphia für die Heiligen. Der Versammlung gegenüber wird von ihm ausschließlich in diesem Sinne gesprochen. Sardes gerät, wenn es nicht Buße tut, in denselben Zustand wie die Welt und wird demzufolge gerichtet. Wenn der Zustand von Laodicäa eintritt, wird die Versammlung in diesem Charakter von Christo verleugnet und verworfen; das gibt aber keine Veranlassung, von Seinem Kommen zu reden. Wiewohl Thyatira sich bis ans Ende hin erstreckt und in kirchlichem Sinne die Geschichte der Versammlung abschließt, lassen doch nur die ersten drei Sendschreiben der ganzen Versammlung Raum zur Buße. In Thyatira war Jesabel Zeit gegeben worden, Buße zu tun, aber sie tat nicht Buße; daher soll die Versammlung vom Schauplatz verschwinden und an ihrer Stelle das Reich aufgerichtet werden. In dieser Beziehung tragen die letzten vier Sendschreiben denselben Charakter. In ihnen ist keine Aussicht mehr vorhanden, dass die ganze Versammlung Buße tue oder wiederhergestellt werde. Sardes wird aufgefordert, zu bewahren und Buße zu tun sowie daran zu gedenken, wie es empfangen habe; wenn es aber nicht wache, so werde es wie die Welt behandelt werden. In Übereinstimmung damit wird, wie wir bereits gesehen haben, in den letzten Sendschreiben die Aufforderung zu hören, erst nach der Verheißung an die Überwinder gerichtet.

Der Charakter, in welchem Christus der Versammlung in Laodicäa gegenüber erscheint, bedarf noch der Beachtung. In ihm kommt der Übergang von den verschiedenen Zuständen der Versammlung zu dem Antritt Seiner Oberherrschaft über die Welt zum Ausdruck, einer Autorität, die von einem höheren Platz aus ausgeübt wird und sich weiter erstreckt, als die Grenzen der Versammlung reichen. Christus nimmt persönlich das auf, was die Versammlung zu sein aufgehört hat. Er ist der Amen, die Erfüllung und der Verwirklicher aller Verheißungen, der wirkliche Zeuge und Offenbarer dessen, was Gott und was die Wahrheit ist, wenn die Versammlung das nicht mehr ist. Er ist ferner der Anfang der Schöpfung Gottes: das Haupt von allem, und die Herrlichkeit und der Zeuge von dem, was sie, als von Gott stammend, als neue Schöpfung ist. Die Versammlung hätte durch den Heiligen Geist die Kraft der neuen Schöpfung offenbaren sollen; denn wenn jemand in Christo ist, so ist eine neue Schöpfung vorhanden, in welcher alles von Gott ist. Wir, als die Erstlingsfrüchte derselben, sind in Ihm neu geschaffen. Die Versammlung besitzt daher das „Bleibende“ (2.Kor 3). Sie ist aber eine untreue Zeugin davon gewesen. Hat sie nun teil an demselben? Nur weil Christus teil daran hat: Er ist der wahre Anfang der neuen Schöpfung in ihrer wirklichen Darstellung. Die Versammlung, welche verantwortlich war, durch den Heiligen Geist hiervon Zeugnis abzulegen, ist untreu gewesen, und Christus tritt nun an ihre Stelle, um das in Wirklichkeit darzustellen, was jene versäumt hat.

Doch ehe dies geschieht, müssen die vorbereitenden Ereignisse, wie sie sich in der Welt abspielen sollen, der Reihe nach vorgeführt werden. Und es ist bemerkenswert, dass hier der Tatsache des Kommens des Herrn zur Aufnahme der Versammlung keine Erwähnung geschieht. Es wird verheißen, dass Er bald kommen werde, und der Versammlung wird gedroht, dass sie aus Seinem Munde ausgespieen werden würde. Aber von der Tatsache Seines Kommens für die Seinigen oder von der Entrückung der Versammlung zu irgendwelcher Zeit hören wir nichts. Das steht in völliger Übereinstimmung mit dem, was wir früher schon von dem Dienst des Apostels Johannes 1 vernommen haben. Johannes ist mit dem Offenbarwerden des Herrn auf Erden beschäftigt, himmlische Verheißungen erwähnt er kaum, es sei denn ausnahmsweise, wenn der Weggang des Herrn von den Jüngern es nötig macht (vgl. Joh 14 und Joh 17). Hier wird das darauf Bezügliche ausgelassen. Selbst in Off 12 (welches das eben Gesagte in bemerkenswerter Weise bestätigt) wird die Entrückung der Versammlung nur in der Weise dargestellt, dass sie als ein mit der Aufnahme des männlichen Sohnes, d. i. Christi Selbst, gleichgemachtes Ereignis erscheint. Wir finden daher auch in der Offenbarung keinerlei genauere, auf die Entrückung der Heiligen bezügliche Zeitangaben, die eine ausgenommen, dass die Gläubigen vor dem im Himmel stattfindenden Kampfe, der die letzten dreieinhalb Jahre einleitet, aufgenommen werden. Anderseits werden aber die Heiligen, welche der Versammlung angehören, samt denen, die früher gelebt haben, nach dem Schluss der Sendschreiben stets droben erblickt. Sie warten darauf, dass ihnen das Gericht gegeben werde, damit ihr Blut gerächt werde, doch werden sie nie auf der Erde gesehen.

Fußnoten

  • 1 Auch der Herr wird hier in der Weise dargestellt, dass Er Sich zur Ausübung des Gerichts inmitten der Versammlungen oder der Versammlung auf Erden befindet, die hier nicht als Seine Braut, sondern als die äußerlich auf Erden sichtbare Körperschaft erscheint.
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