Betrachtung über Römer (Synopsis)

Einleitung

Betrachtung über Römer (Synopsis)

Der Brief an die Römer ist an der Spitze all der anderen Briefe gut platziert, da er auf eine systematische Weise die Grundlagen der Beziehungen des Menschen mit Gott niederlegt, zur gleichen Zeit versöhnt er diese universelle Wahrheit der Stellung des Menschen, erstens in Verantwortung und zweitens unter der Gnade, mit den besonderen, den Juden gemachten Verheißungen. Er stellt auch die großen Grundsätze des praktischen christlichen Lebens auf, nicht der Moral des Menschen, sondern der, die die Frucht des Lichtes und der Offenbarung ist, die durch das Christentum gegeben worden sind! Es ist wichtig zu sehen, dass er den Christen stets als in dieser Welt betrachtet. Er ist gerechtfertigt und hat Leben in Christo, er ist aber hienieden und wird nicht als mit Ihm auferstanden betrachtet.

Ich glaube, dass der Brief wie folgt eingeteilt ist. Nach einigen einleitenden Versen, die dieses Thema eröffnen, von denen einige voll tiefster Bedeutung sind und den Schlüssel zu der ganzen Lehre dieses Briefes und zu dem wahren Zustande des Menschen vor Gott liefern (Röm 1,1-17), zeigt der Apostel (bis zum Ende von Röm 3,20  1), dass der Mensch überaus verderbt und verloren ist, und zwar in allen Umständen, in denen er sich befindet. Ohne Gesetz war es ungehemmte Sünde; bei der Philosophie wurde das Böse verurteilt und ausgeübt, unter Gesetz wurde das Gesetz übertreten, während man sich seines Besitzes rühmte und den Namen Dessen verunehrte, mit Dessen Herrlichkeit diejenigen, die es besaßen, (sozusagen) dadurch einsgemacht waren, dass sie als Sein Volk dieses Gesetz von Ihm empfangen hatten. Von Röm 3,21 bis zum Ende von Röm 8 finden wir das Heilmittel deutlich in zwei Teilen dargestellt. In Röm 3,21 bis zum Ende des Kapitels ist allgemein das Blut Christi durch den Glauben die Antwort auf all die Sünde, die der Apostel soeben beschrieben hat; nachher, in Röm 4, haben wir die Auferstehung, das Siegel des Werkes Christi und das Zeugnis von seiner Wirksamkeit zu unserer Rechtfertigung. Alles dieses genügt der durch das Gesetz bloß verschlimmerten Verantwortlichkeit des Kindes Adams, und zwar gemäß der in Röm 5,1-11 entfalteten vollen Gnade. In Röm 8 aber wird angenommen, dass sie in Christo sind, der droben ist, was den, der daran teilhatte (das heißt, jeden Gläubigen), in eine neue Stellung vor Gott in Christo versetzte, der ihm auf diese Weise Freiheit und Leben schenkte - die Freiheit, in der Christus Selbst war, und das Leben, das Er Selbst lebte. Dieses Letztere ist es, das Rechtfertigung und Heiligkeit im Leben unzertrennlich vereinigt.

Damit ist aber noch ein Punkt verbunden, der dazu veranlasst, eine noch wichtigere Einteilung der Gegenstände dieses Briefes zu bemerken. Von Röm 3,21 bis zum Ende von Röm 5,11 behandelt der Apostel den Gegenstand unserer Sünden - persönlicher Schuld wird durch das Blut Christi begegnet, der (Kap. 4) unserer Übertretungen wegen dahingegeben und unserer Rechtfertigung wegen auferweckt wurde. Von Röm 5,12 an aber wird die Frage der Sünde behandelt - nicht die Erledigung eines zukünftigen Gerichts, sondern Befreiung von einem gegenwärtigen Zustand 2. Das eine endet in der Segnung von Röm 5,1-11, das andere in der Segnung von Röm 8.

In den Kapiteln Röm 9-11 versöhnt der Apostel diese Wahrheiten über dieselbe Errettung, die ohne Unterscheidung jedem Gläubigen gehört, mit der den Juden gegebenen Verheißung, wobei die wunderbare Weisheit Gottes ans Licht gebracht wird, wie auch die Weise, auf welche diese Dinge zuvor ersehen und im Worte geoffenbart wurden.

Später (in Röm 12 und folgend) stellt er die praktische christliche Gesinnung dar. In diesem letzten Teil erwähnt er die Versammlung als einen Leib. Sonst geht es allgemein um den Menschen, den einzelnen, vor einem Gott der Gerechtigkeit, und um das Werk Christi, das ihn dort als einzelnen in Frieden hinstellt. Aus demselben Grunde (außer in einem Abschnitt in Kapitel 8, um die Fürbitte einzuführen) ist im Römerbrief von der Himmelfahrt nicht die Rede. Er behandelt den Tod und die Auferstehung Christi als die Grundlage eines neuen Standes für den Menschen vor Gott 3.

Lasst uns jetzt die durch den Heiligen Geist in diesem Briefe gegebene Gedankenlinie erforschen. In ihr finden wir die Antwort auf die erste Frage Hiobs, der zornig war, weil er in der Gegenwart des Gerichtes Gottes ohne Hilfsquellen dastand. „Wahrlich ich weiß, dass es also ist; und wie könnte ein Mensch gerecht sein vor Gott?“ Nichtsdestoweniger ist das nicht der erste Gedanke, der sich dem Apostel darstellt. Das ist die Not des Menschen; das Evangelium aber kommt und offenbart und bringt zuerst Christum. Es ist die Gnade und Jesus, die es in den Händen bringt: es redet von Gott in Liebe. Das weckt das Bewusstsein der Not 4, während es das bringt, was ihr genügt; dessen Maß wird in der Gnade angegeben, die uns die ganze Fülle der Liebe Gottes in Christo vor Augen stellt.

Es ist eine Offenbarung Gottes in der Person Christi. Es stellt den Menschen an seinen Platz vor Gott, in die Gegenwart des Geoffenbarten - in sich selbst sowohl als auch in der Gnade in Christo. Auch alle Verheißungen werden in der Person des Geoffenbarten erfüllt. Es ist aber wichtig, sich zu merken, dass es mit der Person Christi beginnt - nicht mit der Vergebung oder der Gerechtigkeit, obwohl dieses späterhin von Vers 17 voll entfaltet wird.

Fußnoten

  • 1 Nach der Einführung bis zum Ende von Kapitel 3 finden wir das Böse und das Gegenmittel, das Gott im Blut Jesu Christi gewährt hat; und nachher, in Kapitel 4, die Auferstehung Christi (nachdem Er wegen unserer Übertretungen dahingegeben) unserer Rechtfertigung wegen, und dadurch Frieden mit Gott, unser gegenwärtiges Stehen in der Gnade, und die Hoffnung der Herrlichkeit, mit allen gesegneten Folgen in der Liebe Gottes. Abraham und David, die großen Wurzeln der Verheißung, bestätigten diesen Grundsatz der Gnade und der Rechtfertigung ohne Werke. Dieser Teil schließt mit Röm 5,11, was den Brief in zwei deutliche Teile einteilt, und zwar wegen seiner Hauptlehre der Rechtfertigung und unseres Stehens vor Gott. Darüber später mehr.
  • 2 Während das Thema die Sünde im Fleisch und der Tod darüber ist, schließt dies die Frage des Gesetzes ein - des Mittels, sie zu entdecken, wenn dessen Geistlichkeit erkannt wird.
  • 3 Siehe, was soeben über die Einleitung bei Röm 5,11 und über die vollere Entwicklung der Einteilung des Briefes im weiteren Verlauf gesagt wurde.
  • 4 Herz und Gewissen werden beide erfasst. Das Gesetz kann auf die Schuld des Menschen hinweisen, und selbst, wenn es geistlich erkannt wird, kann es vom Zustand des Zusammenbruchs des Menschen vor Gott zum Gewissen reden; ein Bewusstsein von der Not beweist, dass auch das Herz in Bewegung gesetzt worden ist.
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