Betrachtung über 1. Korinther (Synopsis)

Kapitel 8

Betrachtung über 1. Korinther (Synopsis)

Sodann beschäftigt sich der Apostel mit der Frage betreffs des Fleisches, das Götzen geopfert worden war, und dies gibt ihm Gelegenheit, einige Worte über den Wert der Erkenntnis zu sagen. An und für sich hat sie als bloße Erkenntnis keinen Wert, wenn wir sie betrachten als eine Erkenntnis, die wir besitzen, so dient sie nur dazu, uns aufzublähen: es ist etwas in mir: meine Erkenntnis. Die wahre christliche Erkenntnis aber entdeckt durch das, was offenbart ist, etwas in Gott; und je besser Gott erkannt wird, desto größer wird Er für die Seele. Die erkannte Sache ist etwas in Ihm, nicht aber eine Erkenntnis in mir, wodurch ich mich nur selbst erhebe. Wer Gott liebt, ist von Ihm erkannt.

Was nun die Frage wegen des Fleischessens betrifft, so war es die Liebe, die sie entschied. Dass eine solche Frage entstehen konnte, war der Beweis, dass nicht alle Gewissen durch geistliche Einsicht in das volle Licht gebracht waren. Nun, ohne Zweifel war das Götzenbild nichts: es gab nur einen Gott, den Vater, und nur einen Herrn, Jesus Christus. Aber wenn der, welcher stark war, in dem Götzentempel zu Tische lag und aß, so wurde ein anderer, der kein völliges Licht über diesen Punkt hatte, dadurch ermutigt, dasselbe zu tun, und sein Gewissen wurde untreu und befleckt. Auf diese Weise verführe ich zur Sünde und verderbe, soweit es von mir abhängt, einen Bruder, für den Christus gestorben ist; ich sündige, indem ich also handle, wider Christum selbst. Darum, wenn eine Speise einen Bruder zum Straucheln bringt, so sollte ich mich doch lieber derselben vollständig enthalten, als einem schwachen Bruder zum Fallstrick zu werden! Der Apostel behandelt hier den Gegenstand als eine unter den Brüdern entstandene Frage, soweit diese das Gewissen eines jeden berührte, indem er die Wahrheit, dass ein Götzenbild wirklich nichts anderes ist als ein Stück Holz oder Stein, in ihrer ganzen Kraft aufrecht hält. Es war wichtig, die Frage auf diesen Boden zu stellen, die Propheten hatten das schon früher getan. Doch war das nicht alles, was es über diese Frage zu sagen gab; es musste auch auf die Wirksamkeit Satans und der bösen Geister hingewiesen werden, und das tut der Apostel im weiteren Verlauf des Briefes.

Beachten wir im Vorbeigehen den Ausdruck: „Für uns ist ein Gott, der Vater ... und ein Herr, Jesus Christus.“ Der Apostel behandelt hier nicht die Frage der Gottheit des Herrn an und für sich, sondern die Verbindung der Menschen mit dem, was in gewissen Beziehungen über ihnen stand. Die Heiden hatten viele Götter und viele Herren oder vermittelnde Wesen, die zwischen Göttern und Menschen standen. Nicht so die Christen. Da ist der Vater, der stets in dem absoluten Wesen der Gottheit bleibt, und Christus, der – Mensch geworden – die Stellung und das Verhältnis des Herrn uns gegenüber eingenommen hat. Die Stellung und nicht die Natur wird hier betrachtet. Ebenso ist es in 1. Kor 12,2–6, wo es sich um den Gegensatz zwischen dem einen Geist und der Menge Geister, die die Heiden kannten, sowie zwischen dem einen Gott und Herrn und den zahlreichen Göttern und Herren der Heiden handelt. Doch nicht jeder war von dem Einfluss der falschen Götter auf seine Einbildungskraft wirklich befreit; sie hatten vielleicht für manchen wider seinen Willen noch einige Bedeutung. Ein solcher hatte ein Gewissen von dem Götzen, und wenn er Fleisch aß, das den Götzen dargebracht worden war, so war das für ihn nicht einfach etwas, was Gott zur Nahrung gegeben hatte. Die Vorstellung von dem Dasein eines wirklichen und mächtigen Wesens fand noch Raum in dem Herzen eines solchen Christen, und so wurde sein Gewissen befleckt. Nun waren die Korinther durch das Essen nicht besser in Gottes Augen, und andererseits legten sie, wenn sie aßen, ihrem Bruder einen Stein des Anstoßes in den Weg und führten (soweit die Handlungsweise derer, die völliges Licht besaßen, in Betracht kam) sein Verderben herbei, indem sie sein Gewissen befleckten und ihn durch Untreue von Gott entfernten. Das hieß gegen Christus zu sündigen, der für diese kostbare Seele gestorben war. Und wenn auch Gott ins Mittel trat, um den Bruder vor den Folgen seiner Untreue zu bewahren, so verminderte das doch keineswegs die Sünde dessen, der den Schwachen verleitet hatte, gegen sein Gewissen zu handeln. An und für sich verdirbt uns das, was uns von Gott scheidet, soweit unsere Verantwortlichkeit in Frage kommt. Deshalb wird ein jeder, in dessen Herzen die Liebe Christi wohnt, lieber niemals Fleisch essen, als etwas tun, was einen Bruder zur Untreue verführen und dazu dienen könnte, eine Seele zu verderben, die Christus erlöst hat.

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