Betrachtung über 1. Korinther (Synopsis)

Kapitel 4

Betrachtung über 1. Korinther (Synopsis)

Was den Apostel und seine Mitarbeiter betrifft, so sollten die Korinther sie als vom Herrn gebrauchte Verwalter betrachten. Ihm überließ Paulus auch das Urteil über sein Verhalten. Es kümmerte ihn wenig, welches Urteil der Mensch sich über ihn bilden mochte. Er war sich keines Unrechts bewusst, aber das rechtfertigte ihn nicht. Der ihn beurteilte, war der Herr. Und wer war es schließlich, der dem einen oder anderen das gab, was er im Dienst verwenden konnte?

Paulus hielt es bei der Behandlung dieses Gegenstandes für gut, sich der Namen zu bedienen, die die Korinther bei ihren fleischlichen Spaltungen benutzten, und solcher (namentlich des seinigen und desjenigen des Apollos), die nicht zu der Behauptung gebraucht werden konnten, dass er sich von anderen losmachen und sich selbst in den Vordergrund stellen wolle. Doch wie lag die Sache wirklich? Die Korinther hatten den Apostel verachtet. Ja, sagt er, wir sind verachtet, verspottet, verfolgt, in Trübsal; ihr habt es bequem gehabt, ihr seid wie Könige gewesen. Welch ein Vorwurf, der zu ihren eigenen Anmaßungen und zu den Vorwürfen, die sie selbst dem Apostel gemacht hatten, in Beziehung stand, und der sie in der innersten Seele treffen musste, wenn noch irgendwelches Gefühl in ihnen übrig geblieben war. Paulus und seine Gefährten waren um Christi willen wie der Auskehricht der Welt gewesen, während die Korinther im Schoß des Luxus und des Wohlseins geruht hatten; und selbst als Paulus ihnen schrieb, befand er sich noch in dieser Lage. „Ich wollte wohl“, sagt er, „dass ihr herrschtet“, – dass der Tag Christi da wäre, – „damit auch wir mit euch herrschen möchten.“ Er fühlte seine Leiden, obgleich er sie freudig ertrug. Sie, die Apostel, waren von Seiten Gottes dargestellt, als ob sie das letzte große Schaustück in jenen wunderbaren Spielen sein sollten, für die diese Welt die Schaubühne bildete, und als seine Zeugen waren sie der Wut einer grausamen Welt ausgesetzt. Geduld und Sanftmut waren ihre einzigen Waffen.

Nichtsdestoweniger sagte er dies den Korinthern nicht, um sie zu beschämen; er warnte sie vielmehr als seine geliebten Kinder, denn sie waren seine Kinder. Mochten sie auch zehntausend Zuchtmeister haben, so hatte er sie doch alle durch das Evangelium gezeugt. Deshalb war es an ihnen, ihm zu folgen.

In allem diesem sehen wir das tiefe Wirken der Liebe eines edlen Herzens – eines Herzens, das zwar aufs äußerste verwundet ist, aber nur verwundet, um eine Liebe zu offenbaren, die sich über seinen Kummer erhebt. Und gerade dieses ist es, was in so treffender Weise das Werk des Heiligen Geistes im Neuen Testament wie in Christo selbst kennzeichnet. Der Geist ist in die Mitte der Versammlung herabgestiegen und nimmt teil an ihren Leiden, an ihren Schwierigkeiten; Er erfüllt die Seele dessen, der für die Versammlung Sorge trägt, indem Er ihn fühlen lässt, was in ihr vorgeht, und zwar auf eine gottgemäße Weise, aber zugleich mit einem wirklich menschlichen Herzen. Wer könnte in einem Menschen solche Gefühle gegen Fremde erwecken, es sei denn der Geist Gottes? Wer würde mit der ganzen Vollkommenheit der Weisheit Gottes auf diese Dinge eingehen, um auf das Herz einzuwirken, das Gewissen freizumachen, das Verständnis zu bilden und zu befreien, als nur der Geist Gottes? Gleichwohl musste das apostolische, persönliche Band gebildet und befestigt werden. Es war das Wesen des Werkes des Heiligen Geistes in der Versammlung, alle in dieser Weise miteinander zu verbinden. Wir sehen den Menschen, anders würden es nicht Paulus und seine teuren Brüder gewesen sein; wir sehen den Heiligen Geist, den die letzteren ohne Zweifel betrübt hatten, und der in dem ersteren mit göttlicher Weisheit wirkte, um die Korinther mit der ganzen Liebe, die Paulus als ihr Vater in Christus für sie fühlte, auf den rechten Weg zu leiten. Timotheus, sein Sohn im Glauben und dem Herzen nach, war der passende Mann für diesen Fall. Paulus hatte ihn gesandt, er selbst wollte auch bald nach Korinth kommen. Einige stellten das in Abrede und nahmen die Gelegenheit wahr, um sich selbst in Abwesenheit des Apostels groß zu machen; doch wollte er selbst kommen und alles auf die Probe stellen. Denn das Reich Gottes bestand nicht in Worten, sondern in Kraft. Was wünschten die Korinther? Sollte er mit der Rute oder in Liebe kommen?

Hiermit schließt dieser Teil des Briefes: ein bewunderungswürdiges Beispiel von Zartheit und Autorität – einer Autorität, die in der Überzeugung, dass sie von Gott war, den Apostel befähigte, gegen die, welche ihm so überaus teuer waren, mit vollkommener Zartheit zu handeln, in der Hoffnung, dass er nicht gezwungen werden würde, sie in anderer Weise ausüben zu müssen. Und indem er so handelt, werden die wirkungsvollsten Wahrheiten entfaltet.

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