Betrachtung über 1. Korinther (Synopsis)

Kapitel 9

Betrachtung über 1. Korinther (Synopsis)

Der Apostel war den Anklagen falscher Lehrer ausgesetzt, die ihn beschuldigten, dass seine Verkündigung des Evangeliums und seine Arbeiten aus selbstsüchtigen Beweggründen hervorgingen, und dass er die Hingebung der Gläubigen dazu benutze, sich ihrer irdischen Habe zu bemächtigen. Er spricht deshalb von seinem Dienst. Er erklärt offen, dass er ein Apostel sei, ein Augenzeuge der Herrlichkeit Christi, da er den Herrn gesehen habe. Mochte er übrigens für andere auch kein Apostel sein, für die Korinther war er es sicher, denn er war das Mittel zu ihrer Bekehrung gewesen. Nun war es der Wille des Herrn, dass diejenigen, die das Evangelium verkündigten, auch vom Evangelium leben sollten. Paulus hatte daher ein Recht, eine Schwester als eine Frau mit sich umherzuführen, wie Petrus und die Brüder des Herrn es taten. Nichtsdestoweniger hatte er von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht. Da er durch die Berufung des Herrn verpflichtet war, das Evangelium zu predigen – wehe ihm, wenn er dieser Pflicht nicht nachkam! Sein Ruhm bestand darin, es umsonst zu tun, um auf diese Weise denen jede Gelegenheit abzuschneiden, die eine Gelegenheit suchten. Denn obwohl er von allen frei war, hatte er sich doch zum Sklaven aller gemacht, um so viele wie möglich zu gewinnen. Man beachte jedoch, dass er dies in seinem Dienst tat; er bequemte sich nicht etwa der Welt an, um dem Ärgernis des Kreuzes zu entgehen. Er stellte das Kreuz rückhaltlos vor (1. Kor 2,2); aber indem er es predigte, passte er sich der religiösen Fassungskraft und der Denkweise des einen wie des anderen an, um für die Wahrheit Eingang in die Herzen zu gewinnen, und dasselbe tat er in der Art seines Verhaltens unter ihnen. Es war die Kraft der Liebe, die sich in allem verleugnete, um aller Knecht zu sein, und nicht etwa die Selbstsucht, die sich unter dem Vorwand, andere zu gewinnen, selbst schonte. Er handelte so in jeder Beziehung um des Evangeliums willen, indem er, wie er sagt, mit demselben teilzuhaben wünschte; er stellt das Evangelium gleichsam als eine Person hin, die das Werk der Liebe Gottes in dieser Welt ausführt.

In dieser Weise sollten die Korinther laufen; aber um so laufen zu können, musste man sich selbst verleugnen. Der Apostel tat dies, er lief nicht mit unsicheren Schritten wie einer, der das wahre Ziel nicht sieht oder es nicht ernstlich als eine bekannte Sache verfolgt. Er wusste sehr wohl, was er verfolgte, und er verfolgte es wirklich, in einer Weise, die allen offenbar und der Natur des Zieles entsprechend war. Ein jeder konnte nach seinem Wandel urteilen. Er trieb kein Spiel wie einer, der in die Luft schlägt – wahrlich, eine geringe Heldentat! Indem er nach dem trachtete, was heilig und herrlich war, kannte er die Schwierigkeiten wohl; er leistete Widerstand in dem persönlichen Kampf mit dem Bösen, das ihm den Sieg streitig machen wollte. Wie ein gewaltiger Kämpfer hielt er seinen Leib im Zaum, da dieser ihn sonst gehindert haben würde. Es war Wirklichkeit in seinem Streben nach dem Himmel; er wollte nichts dulden, was sich diesem Streben in den Weg stellte. Anderen zu predigen genügte nicht, denn das konnte er tun und dennoch, soweit es ihn betraf, umsonst arbeiten; ja, er konnte alles verlieren und später selbst verworfen werden, wenn er nicht persönlich ein Christ war. Paulus war zuallererst Christ, dann Prediger; und er war ein guter Prediger, weil er zuerst Christ war. Ebenso (denn der Anfang des zehnten Kapitels steht mit dem Schluss des neunten in Verbindung) konnten auch andere ein Bekenntnis ablegen und an den ursprünglichen und anderen christlichen Anordnungen teilnehmen (wie er ein Prediger sein konnte), und trotz alledem nicht von Gott anerkannt werden.

Diese Warnung ist ein Beweis von dem Zustand, in den (wenigstens teilweise) die Versammlung Gottes bereits geraten war – eine Warnung, die immer nützlich ist, die aber doch voraussetzt, dass diejenigen, die den Namen „Christen“ tragen und an den Anordnungen der Kirche teilgenommen haben, nicht mehr das Vertrauen einflößen, um sie zweifellos als wahre Schafe Christi anerkennen zu können. Die Stelle macht einen Unterschied zwischen dem Teilnehmen an christlichen Anordnungen und dem Besitz des Heils, eine Unterscheidung, die immer wahr ist, die aber nicht gemacht zu werden braucht, wenn sich das christliche Leben bei denen, die an den äußeren Vorrechten der Versammlung teilnehmen, deutlich offenbart.

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