Betrachtung über 2. Korinther (Synopsis)

Kapitel 4

Betrachtung über 2. Korinther (Synopsis)

Der Apostel kommt jetzt auf seinen Dienst in Verbindung mit seinen Leiden zurück, indem er zeigt, dass diese Lehre von einem über den Tod siegreichen Christus, wenn sie in der Seele wahrhaft erfasst ist, uns siegen lässt über jede Todesfurcht und über alle Leiden, die mit dem irdenen Gefäß verbunden sind, in dem wir diesen Schatz tragen. Da der Apostel diesen Dienst der Gerechtigkeit und des Geistes, dessen Grundlage ein mit aufgedecktem Angesicht angeschauter, verherrlichter Christus ist, empfangen hatte, so redete er nicht nur mit großer Freimütigkeit, sondern sein Eifer wurde auch durch Schwierigkeiten nicht vermindert noch sein Glaube geschwächt. Vielmehr hielt er mit dem Mut, den diese Lehre durch die Gnade ihm verlieh, nichts zurück und schwächte diese Herrlichkeit in keiner Weise ab. Er verdarb die Lehre nicht, er offenbarte sie in der ganzen Reinheit und Klarheit, wie er sie empfangen hatte. Es war das Wort Gottes, und die Gläubigen empfingen es von dem Apostel, so wie er es selbst empfangen hatte – das unverfälschte Wort Gottes. So bewährte sich der Apostel und empfahl sich jedem Gewissen der Menschen vor Gott. Das konnten nicht alle von sich sagen. Die Herrlichkeit des Herrn Jesus wurde durch seine Predigt in all der Klarheit und dem Glanz dargestellt, worin sie ihm offenbart worden war. Wenn also die gute Botschaft, die er verkündigte, verdeckt war, so war es nicht so wie bei Mose; denn die Herrlichkeit des Herrn war nicht nur mit aufgedecktem Angesicht in Christus völlig offenbart, sondern sie wurde auch in der lauteren Predigt des Apostels ohne Decke enthüllt. Das war das Band zwischen der in der Person Christi zufolge des Werkes der Erlösung vollendeten Herrlichkeit und dem Dienst, der durch die Kraft des Heiligen Geistes, der in dem erwählten Werkzeug des Herrn wirkte, diese Herrlichkeit der Welt verkündigte. Dieser Dienst machte die Menschen verantwortlich für die Aufnahme der Wahrheit, für die Unterwerfung unter den verherrlichten Christus, der sich vom Himmel her in Gnade ankündigte als Der, der die Gerechtigkeit für den Sünder vollbracht hat und diesen einlädt, freimütig zu kommen und die Liebe und Segnung Gottes zu genießen. Hinfort gab es kein anderes Mittel, zu Gott zu kommen. Ein anderes aufstellen hätte geheißen, das beiseite setzen und für unvollkommen und ungenügend erklären, was Christus getan hatte und was Er war, und etwas Besseres hervorbringen, als Er ist. Doch das war unmöglich; denn was der Apostel verkündigte, war die Offenbarung der Herrlichkeit Gottes in der Person des Sohnes, in Verbindung mit der Offenbarung der vollkommenen Liebe und der Erfüllung der vollkommenen göttlichen Gerechtigkeit, sodass das reine Licht der selige Aufenthaltsort derer war, die durch das von dem Apostel angekündigte Mittel in dieses Licht eingingen. Höheres konnte es nicht geben, es sei denn, dass es noch etwas Höheres gab, als Gott in der Fülle seiner Gnade und seiner Vollkommenheit ist. Wenn daher diese Offenbarung verdeckt war, so war sie in denen verdeckt, die verloren gingen, deren Sinn der Gott dieser Welt verblendet hatte, damit der Lichtglanz des Evangeliums der Herrlichkeit des Christus, der das Bild Gottes ist, nicht in ihre Herzen ausstrahle.

Verweilen wir noch einen Augenblick bei diesem Ausdruck: „Evangelium der Herrlichkeit.“ Die Tatsache, dass Christus in der Herrlichkeit ist und dass Gott in seinem Angesicht geschaut wird, war der besondere Gegenstand des vorigen Kapitels. Hierauf spielt der Apostel hier an, es kennzeichnete das Evangelium, das er predigte. Es war der Beweis, dass die Sünde, die Christus getragen hat, völlig hinweg getan ist, dass der Sieg über den Tod errungen und der Mensch in Herrlichkeit in die Gegenwart Gottes gemäß den ewigen Liebesratschlüssen Gottes eingeführt ist. Es war zugleich die volle Entfaltung der göttlichen Herrlichkeit im Menschen gemäß der Gnade, die der Heilige Geist uns zu zeigen bemüht ist, um uns so in dasselbe Bild umzugestalten. Es war der herrliche Dienst der Gerechtigkeit und des Geistes, der dem Menschen den freien Zugang zu Gott öffnete, sodass er mit voller Freimütigkeit selbst ins Allerheiligste eintreten kann.

Wenn Christus so verkündigt wurde, so war die Folge davon entweder die freudige Annahme der guten Botschaft, die Unterwerfung des Herzens unter das Evangelium oder die Verblendung durch Satan. Denn Paulus predigte nicht sich selbst (wie andere es so gern taten), sondern Jesus Christus als Herrn und sich selbst als den Knecht derer, an die er sich wandte, um Jesu willen. Denn in der Tat (und das ist ein anderer wichtiger Grundsatz), die Ausstrahlung dieses Evangeliums der Herrlichkeit Christi ist das Werk der Macht Gottes, desselben Gottes, der allein durch sein Wort augenblicklich das Licht aus der Finsternis hervorleuchten hieß. Gott hatte in das Herz des Apostels hineingeleuchtet, um den Lichtglanz der Erkenntnis seiner eigenen Herrlichkeit in dem Angesicht Jesu Christi ausstrahlen zu lassen. Das Evangelium strahlte infolge einer göttlichen Wirkung aus, ähnlich derjenigen, die im Anfang das Licht durch ein einziges Wort aus der Finsternis hervorleuchten ließ. Das Herz des Apostels war das Gefäß, die Leuchte, in der dieses Licht angezündet war, um in der Welt vor den Augen der Menschen zu scheinen. Die Offenbarung der Herrlichkeit erglänzte in der Person Jesu durch die Kraft des Geistes Gottes in dem Herzen des Apostels, damit diese Herrlichkeit in dem Evangelium vor der Welt ausstrahle. Die Kraft Gottes wirkte darin in derselben Weise wie damals, als das Licht geschaffen wurde durch das Wort: „Es werde Licht! und es ward Licht.“ Doch der Schatz dieser Offenbarung der Herrlichkeit war in irdene Gefäße niedergelegt, damit die Kraft, die in dieser Offenbarung wirkte, allein Gottes Kraft und nicht die der Werkzeuge sei. Bei allen Gefäßen zeigte sich die Schwachheit des Werkzeugs in den prüfungsvollen Umständen, durch die Gott – unter anderem gerade in dieser Absicht – das Zeugnis gehen ließ. Dennoch offenbarte sich die Kraft Gottes in dem Gefäß umso augenscheinlicher, weil dasselbe in den Schwierigkeiten, die ihm auf dem Weg begegneten, seine Schwachheit erwies. Das Zeugnis wurde abgelegt, das Werk getan, das Ergebnis hervorgebracht, selbst dann, wenn der Mensch zusammenbrach und dem Widerstand, der sich gegen die Wahrheit erhob, hilflos gegenüberstand.

Allenthalben bedrängt, das war das Teil des Gefäßes, aber nicht eingeengt, denn Gott war mit ihm. Keinen Ausweg sehend, das war das Gefäß, aber nicht ohne Ausweg, denn Gott war mit ihm. Verfolgt, das war das Gefäß, aber nicht verlassen, denn Gott war mit ihm. Niedergeworfen, das war das Gefäß, aber nicht umkommend, denn Gott war mit ihm. Allezeit das Sterben des Herrn Jesu an seinem Leib umhertragend (Ihm gleich gemacht in dieser Hinsicht, dass der Mensch als solcher zunichte gemacht wurde), damit das Leben Jesu, dass der Tod nicht antasten konnte, das über den Tod triumphiert hat, an seinem Leib, sterblich wie er war, offenbar werde. Je mehr der natürliche Mensch vernichtet wurde, umso augenscheinlicher wurde es, dass da eine Kraft wirkte, die nicht von dem Menschen war. Das war der Grundsatz, doch er wurde in sittlicher Hinsicht in dem Herzen durch den Glauben verwirklicht. Als Knecht des Herrn verwirklichte Paulus in seinem Herzen den Tod alles dessen, was menschliches Leben war, damit die Kraft einzig und allein von Gott sei, durch den auferstandenen Jesus. Zugleich aber brachte Gott ihn durch die Umstände, durch die er gehen musste, dahin, diese Dinge zu verwirklichen; denn er war, während er in dieser Welt lebte, beständig dem Tod überliefert um Jesu willen, damit sich das Leben Jesu in seinem sterblichen Fleisch offenbare. So wirkte der Tod in dem Apostel; das, was nur von dem Menschen, von der Natur und dem natürlichen Leben war, verschwand, damit das Leben in Christus, dass sich in ihm von Seiten Gottes und durch Gottes Kraft entfaltete, durch seine Vermittlung in den Korinthern wirken möchte. Welch ein Dienst! Welch eine vollkommene Prüfung des menschlichen Herzens, welch herrlicher Beruf für einen Menschen, so Jesus ähnlich gemacht zu sein, als Gefäß der Kraft des reinen Lebens desselben zu dienen und durch eine vollständige Verleugnung seiner selbst, sogar des eigenen Lebens, in sittlicher Hinsicht Jesus ähnlich zu sein! Welch eine Stellung durch die Gnade! Welch eine Gleichförmigkeit mit Jesus! Und das doch in einer Weise, dass es durch ein Menschenherz hindurchging, um Menschenherzen zu erreichen (was in der Tat zu dem Wesen des Christentums gehört), allerdings nicht durch die Kraft des Menschen, sondern dadurch, dass Gott der menschlichen Schwachheit zu Hilfe kam.

Aus diesem Grund konnte sich der Apostel der Sprache des Geistes Christi in den Psalmen bedienen: „Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet“, mit anderen Worten: „Was es auch kosten mochte, trotz aller Gefahr, trotz allen Widerstandes habe ich für Gott geredet, habe mein Zeugnis abgelegt. Ich habe Vertrauen genug zu Gott gehabt, um für Ihn und seine Wahrheit zu zeugen, was auch die Folgen davon sein mochten, selbst wenn es mich in den Tod geführt hätte.“ Der Apostel sagte gleichsam. Ich habe gehandelt, wie Christus einst selbst handelte, weil ich wusste, dass Der, der Jesus auferweckt hat, auch für mich dasselbe tun und mich mit euch vor seinem Angesicht in derselben Herrlichkeit, in der Christus jetzt im Himmel ist, darstellen würde, und um meines Zeugnisses willen habe ich den Tod erlitten wie Er.“ Man muss hier wohl unterscheiden zwischen den Leiden Christi für die Gerechtigkeit und für sein Liebeswerk, und seinen Leiden für die Sünde. Die ersten mit Ihm zu teilen ist unser Vorrecht, in den letzten steht Er allein.

Der Apostel sagt: „Der, der den Herrn Jesus auferweckt hat, wird mich mit euch darstellen“; denn, fügt er nach dem Herzen und dem Geist Christi hinzu: „Alles ist um euretwillen, damit die Gnade, überreich geworden durch die Vielen, die Danksagung zur Herrlichkeit Gottes überströmen lasse.“ Daher kam es auch, dass der Apostel sich nicht entmutigen ließ, sondern im Gegenteil, wenn der äußere Mensch verfiel, so wurde der innere Tag für Tag erneuert; denn die leichte, schnell vorübergehende Drangsal (denn so achtete er sie angesichts der Herrlichkeit, sie war für ihn nur eine vorübergehende Drangsal dieses armen, sterblichen Leibes) bewirkte ihm ein ewiges Gewicht von Herrlichkeit, das über den höchsten Ausdruck menschlicher Sprache und Gedanken weit hinausging. Diese Erneuerung fand statt, und was auch kommen mochte, er ermattete nicht, weil er nicht auf die sichtbaren Dinge schaute, die zeitlich sind, sondern auf die Dinge, die man nicht sieht, die ewig sind. So entfaltete sich die Kraft des göttlichen Lebens mit allen ihren Folgen in der Seele des Apostels durch den Glauben; er kannte das Ergebnis von allem von Seiten Gottes.

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