Betrachtung über das Buch Hohelied (Synopsis)

Kapitel 2-4

Betrachtung über das Buch Hohelied (Synopsis)

Kapitel 2

In Kapitel 2 scheinen mir die ersten sechs Verse (mit Ausnahme des zweiten) nur Worte der Braut zu sein. Man hat sie auch anders aufgefasst, aber wohl mit Unrecht. Man beachte hier, dass Christus der Apfelbaum ist; das wird uns weiterhin behilflich sein. Überdies redet die Braut von sich selbst. Ihrem Verständnis nach hat sie die Beziehung, in der sie steht, erfasst und redet hauptsächlich von sich; aber es ist auch wahre Zuneigung bei ihr vorhanden. Der Bräutigam will nicht erlauben, dass sie gestört werde, wenn sie mit völligem Vertrauen in seiner Liebe ruht (V. 7). Seine eigene Stimme, die einzige, auf die sie nun horcht, wird sie aufwecken. Er selbst ruft ihr zu, dass sie sich aufmachen solle, dass der Winter vorbei sei – die Zeit des Trauerns und des Kummers. Er begehrt auch ihre Stimme zu hören. So wird ihr Herz beruhigt und gewiss, und sie sagt: „Mein Geliebter ist mein.“ Wie getreu stellt uns das alles das Erwachen göttlicher Zuneigungen und die Rückkehr des Vertrauens in dem Überrest dar, der so lange erfahren hat, was es ist, wenn der HERR sein Angesicht vor ihm verbirgt; und wie zeigt es uns andererseits, in welcher Fülle die unauslöschliche Liebe Dessen, der einst über Jerusalem weinte, in gesegnetster Weise in Tätigkeit tritt, um dieses Vertrauen wachzurufen und das Herz des betrübten Volkes zu beruhigen! Die Stelle ist von außergewöhnlicher Schönheit, sie enthält nicht Unterweisungen bezüglich der Umstände, steht auch nicht in Verbindung mit Verantwortlichkeit, sondern es ist ausschließlich Gnade – die Verbindung des Christus(des HERRN) Selbst mit Israel.

Kapitel 3

In Kapitel 3 sehen wir die Braut in einer anderen Stellung, in einem anderen Herzenszustand. Sie ist allein, und um sie her ist es finster. Sie sucht ihren Geliebten, findet Ihn aber nicht. Liebe ist vorhanden, aber keine Freude. Sie fragt die Wächter in Jerusalem, die in der Stadt umhergehen. Sobald sie an ihnen vorüber ist, findet sie Ihn. Wiederum wünscht Er, dass sie in seiner Liebe ruhe. Doch dies alles ist nur prophetisch und soll als Zeugnis dienen, zum Trost für solche, die Ihn noch nicht gefunden haben, indem ihnen gezeigt wird, was Er für sie ist. Der Geist der Prophezeiung stellt dann den Bräutigam dar, wie Er mit seiner Braut aus der Wüste kommt, wo Er (wie Mose) im Geist mit ihr gewesen ist. Das Kapitel bestätigt die Richtigkeit der Anwendung auf Israel. In ihrem Zustand der Vereinsamung sucht die Braut den Messias, und nachdem sie die Wächter befragt hat, findet sie bald den, den ihre Seele liebt, und bringt Ihn auf den Platz Israels; denn der Sohn wurde aus Israel geboren 1, obschon in einer neuen Beziehung. Dort tritt Er wieder für ihre Ruhe ein, und dann kommt, als Kehrseite des Bildes, der wahre Salomo von der Wüste herauf, jetzt am Tag seiner Vermählung und am Tag der Freude seines Herzens gekrönt durch dasselbe Israel, das Ihn einst verworfen hat.

Kapitel 4

Darauf, in Kapitel 4, zählt Er alles auf, was Er an ihr sieht, obwohl sie in der Höhle des Löwen gewesen ist. Von dort beruft Er sie, die in seinen Augen ganz Schöne und Makellose, indem sein Herz seiner Wonne an ihr Ausdruck gibt. Es liegt meines Erachtens eine schöne Vollkommenheit des Denkens und Fühlens darin, dass die Braut niemals von den vollkommenen Eigenschaften des Bräutigams zu Ihm selbst spricht, als ob sie Ihm ihre Anerkennung kundtun müsse; sie redet viel von Ihm, um ihren eigenen Gefühlen Ausdruck zu geben, und sie tut dies anderen, nicht Ihm gegenüber. Er Seinerseits spricht frei und eingehend über sie zu ihr selbst, indem Er sie seiner Wonne an ihr versichert. Dies ist in lieblicher Weise anwendbar, wenn wir an Christus und unsere Beziehung zu Ihm denken.

Fußnoten

  • 1 Vgl. Noomi (Rt 4,17) und Off 12 .
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