Was sagen uns die Psalmen?

Psalm 107

Psalm 107

Vers 1-9

Mit diesem Psalm beginnt der fünfte Abschnitt im Buche der Psalmen. Ein bewährter Kenner der Geschichte Israels und der Psalmen schreibt darüber: „Vom prophetischen Gesichtspunkt aus betrachtet ist das 5. Buch die Fortsetzung des 2. Buches, Der Überrest Judas, welcher im zweiten Buch als auf der Flucht gesehen wurde, ist hier mit den zehn Stämmen vereinigt und findet somit seine nationale Einheit wieder.“

Nebst den Einzelheiten, welche in erster Linie Israel angehen, gibt es in diesem Psalm manche Aussprüche, die wir mit Nutzen auf uns anwenden können. Dies ist schon beim ersten Vers der Fall. Wir sagen es dem Psalmisten mit Freuden nach: „Preiset Jehova, denn er ist gut, denn seine Güte währt ewiglich“. Wer könnte Seine Güte richtig empfinden und geniessen wenn nicht der Gläubige, der Ihn als seinen Vater kennt? Die Weltmenschen mögen vom „lieben Gott“ reden und dabei denken, dass Er es mit ihnen nicht so genau nehmen werde. Die Erlösten hingegen kennen Ihn als einen heiligen Gott, der aber auch ihre Sünden vergibt und sie mit Güte und Fürsorge leitet.

Wir finden in diesem Psalm vier verschiedene Bilder von Zuständen, in welchen sich eine Seele befinden mag, ehe sie die Erlösung kennen lernt, siehe Vers 4-9, 10-16, 17-22, 23-32; nämlich die Wüste, Finsternis, Krankheit und endlich die Gefahren auf dem Meere. Wenn eine Seele angefangen hat, ihren verlorenen Zustand vor Gott einzusehen, so findet sie in der Wüste (bildlich die Welt) nichts, das sie befriedigen kann. Vorher hatte sie ihre Freude an den Gütern dieser Welt und an der Gesellschaft, die sie umgab. Nun aber fängt sie an einzusehen, dass diese Dinge nicht von Bestand sind. Je länger je mehr wird es ihr ungemütlich, und zwar an dem Ort, wo sie sich früher in Sicherheit wähnte. Der Geist Gottes hat Sein Werk in ihr begonnen, und sie verlangt nach dem Brot und Wasser des Lebens. In dem Bewusstsein, sich selber nicht helfen zu können, schreit die Seele zu Gott in ihrer Bedrängnis, „und aus ihren Drangsalen errettete er sie“. „Er hat die durstende Seele gesättigt, und die hungernde Seele mit Gutem erfüllt.“

Vers 10-16

„Die Bewohner der Finsternis und des Todesschattens, gefesselt in Elend und Eisen...“ Wie kennzeichnen doch diese Worte den Zustand derer, die sich unter der Macht Satans befinden! Der Mensch, der den Herrn Jesus nicht kennt als seinen persönlichen Heiland, ist in Wirklichkeit gefesselt in Elend und Eisen. Als ein armer Sklave kennt er keine Freiheit. Wohl mag er sich einbilden, frei zu sein und zu tun was ihm beliebt, aber in Wirklichkeit muss er stets den Willen seines harten Meisters ausführen. Dabei kann es der Seele nicht wohl sein, umso weniger als sie weiss, dass sie im Widerspruch zu Gottes Geboten steht. „So beugte er ihr Herz durch Mühsal; sie strauchelten, und kein Helfer war da.“

Nun ist der Augenblick gekommen, wo die Seele keinen andern Ausweg mehr sieht als um Hilfe zu schreien. Gott wartet auf diesen Angstruf, und keiner, der zu Ihm kommt in seiner Sündennot, wird beschämt werden. „Er führte sie heraus aus der Finsternis und dem Todesschatten, und zerriss ihre Fesseln.“ Die Seele erfreut sich jetzt des wohltuenden Lichtes der Gegenwart Gottes und preist Ihn wegen Seiner Güte und Wundertaten.

Vers 17-22

„Die Toren leiden ob des Weges ihrer Übertretung und ob ihrer Ungerechtigkeiten.“ Wahrlich, ein Tor ist jeder Mensch, der glaubt, ohne Gott auszukommen und gar versucht, sich nach seiner Art den Himmel zu verdienen.

Gott aber, in Seiner Gnade, tritt einem solchen in den Weg. Er hat Mittel genug in Seiner Hand, um den Sünder von der Verkehrtheit seines Weges zu überzeugen. Hier gebraucht Er Krankheit und die Angst vor dem Tode. Viele Menschen, die in gesunden Tagen nichts vom Heiland wissen wollten, sind auf dem Krankenlager weich geworden. Bei der Aussichtslosigkeit ihrer Lage sahen sie keinen andern Ausweg mehr, als sich in die Arme des Retters zu flüchten.

Auch in diesen Versen hören wir den Schrei nach Erlösung, und darauf folgt die Rettung. Das Wort Gottes hat dieses Wunder bewirkt. „Er sendet sein Wort und heilt sie, und er errettet sie aus ihren Gruben.“ Die logische Folge davon sind die Opfer des Lobes. Der Erlöste findet nun seine Freude daran, die rettende Gnade Gottes zu rühmen und Ihm Dank und Anbetung zu bringen.

Vers 23-32

Das Bild, das wir hier vor uns haben, spricht von der Grösse Gottes und von der Nichtigkeit des Menschen. Was ist der letztere angesichts der entfesselten Elemente? „Sie taumeln und schwanken wie ein Trunkener, und zunichte wird alle ihre Weisheit.“ Sie mögen sich mit kühnem Übermut eingeschifft haben und im Gedanken an ihre Kraft und Tüchtigkeit überzeugt gewesen sein, dass sie das Ziel erreichen werden.

Aber siehe, Gott „spricht und bestellt einen Sturmwind, der hoch erhebt seine Wellen“. Wer vermag zu reden wie Er? Seine Macht und Grösse in Seinen Schöpfungswerken war es, durch welche Hiob, der sonst immer etwas einzuwenden hatte, kleinlaut wurde; siehe Hiob 3841. Hier erkennen jene Menschen ihre eigene Ohnmacht und schreien zu Gott. Und wieder antwortet Er und „führt sie heraus aus ihren Drangsalen“. Doch nicht nur das, sondern Er bringt sie auch in den ersehnten Hafen. Dieser Ort spricht von Sicherheit und Ruhe, und der Erlöste wird beides geniessen inmitten derer, die sich zum Namen Jesus hin versammeln.

Vers 33-41

In diesem Psalm haben wir verschiedene Phasen betrachtet, durch welche eine Seele hindurchgehen kann, bevor sie zur Erkenntnis ihres Zustandes vor Gott und zur Erlösung gebracht wird. Die Verse 33 bis 41 geben uns ein weiteres, eindrucksvolles Bild. Nachdem der Herr einen Sünder zu sich gezogen hat, überlässt Er ihn nicht sich selber. Wohl besitzt ein solcher Frieden mit Gott durch den Glauben an den Herrn Jesus, aber er hat sich selber noch nicht kennen gelernt. Und diese Erkenntnis ist ein notwendiges Stück der Erziehung Gottes an Seinen Kindern. Er will, dass sie erkennen, was in ihrem Herzen ist; vergl. 2. Chr 32,31. In den Tagen des Wohlergehens ist es verhältnismässig leicht, den Weg des Glaubens zu gehen; wie ist es aber, wenn „Ströme zur Wüste werden, und Wasserquellen zu dürrem Land“ - mit andern Worten, wenn Prüfungen über einen kommen und der Ruf nach Befreiung nicht sofort erhört wird? Wie gut ist es da, zu wissen, dass Gott Seine Hand darin hat, sowohl im Gedeihen als auch in der Dürre, und zwar stets zu unserm Besten!

Vers 42-43

„Wer weise ist, der wird dieses beachten, und verstehen werden sie die Gütigkeiten Jehovas“. Die Menschen dieses Zeitlaufs vermögen nicht, die Gedanken dieses Psalmes zu erfassen; sie sind ihnen verschlossen, denn sie stehen der göttlichen Sprache fremd gegenüber. Sie haben kein Verständnis für die Wege Gottes in Züchtigung und Gericht; vielmehr sagen sie: Wenn es einen Gott gäbe, so würde Er die Dinge nicht so gehen lassen.

Der Glaube aber beugt sich in Ehrfurcht vor Ihm und spricht mit Seinem Wort: „Glückselig der Mann, den du züchtigst, Jehova, und den du belehrst aus deinem Gesetz“ (Ps 94,12). Auch das gehört zu den „Gütigkeiten Jehovas“. Er erzieht die Seinigen, indem Er ihr Bestes im Auge hat. „Die Aufrichtigen werden es sehen und sich freuen, und alle Ungerechtigkeit wird ihren Mund verschliessen.“ Das will heissen: Wenn wir in Lauterkeit und Aufrichtigkeit des Herzens die Wege Gottes betrachten, wie sie uns in diesem Psalm dargelegt sind, so werden wir vor Ungerechtigkeit bewahrt. Das Ergebnis davon ist Gemeinschaft mit den Gedanken Gottes und Freude für das Herz, selbst in Seiner Züchtigung.

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