Das Wunder des Wiederauflebens Israels

Psalm 46 ist eine treffende und wunderschöne Illustration des prophetischen Charakters, der die Psalmen im allgemeinen kennzeichnet. Er ist überschrieben mit den Worten „Dem Vorsänger“. Dieser Vorsänger ist Christus, der Messias. Er ist der Anführer des Lobes Seines Volkes. „Von den Söhnen Korahs“ zeigt uns, daß der Psalm von den Söhnen eines rebellischen Vaters geschrieben wurde, was uns an die traurige Empörung des Volkes Israel erinnert, das Christus verworfen hat. Aber wie die Söhne Korahs damals Gegenstände der reinen Gnade Gottes waren, so werden auch die Söhne der Juden von damals in zukünftigen Tagen diese Barmherzigkeit und Gunst des Allmächtigen kennenlernen. „Auf Alamoth, ein Lied“, bedeutet wahrscheinlich „mit jungfräulichen Stimmen“, was uns auf die Reinheit des neu erweckten Glaubens des zukünftigen Überrests aus Israel hinweist, eines Glaubens, dessen Ausfluß lieblicher Gesang ist.

„Gott“ wird in diesem Psalm genau siebenmal erwähnt, und jedesmal bezieht sich dieser Ausdruck auf den Herrn Jesus, den Messias Israels. Das haben die Juden zur Zeit der Abfassung dieses Psalms ohne Zweifel nicht erkannt.

Es gibt eine wunderschöne Verbindung zwischen diesem und dem fünfundvierzigsten Psalm, der den „König“ sowohl in besonderer Gnade (Verse 1–2) als auch in schrecklichem Gericht (Verse 3–5) vorstellt, denn im sechsten Vers wird der Messias selbst als Gott angesprochen: „Dein Thron, o Gott, ist immer und ewiglich...“ Gewiß haben die Israeliten beim Lesen des Alten Testaments nicht erkannt, daß damit ihr Messias gemeint ist. Hebräer 1,8 läßt uns darüber jedoch nicht im unklaren.

Gottes wunderbare Ratschlüsse in bezug auf den König werden in Psalm 45  vorgestellt, ehe dann in Psalm 46  die Erfahrungen großen Leidens und tiefer Übungen gezeigt werden, durch die der jüdische Überrest während der großen Drangsal hindurchgehen muß – aber auch ihre Errettung durch die Hand dieses großen Messias wird besungen, der nichts weniger ist als „Gott über alles, gepriesen in Ewigkeit“.

Durch den neu geweckten Glauben wird der Überrest Israels, der zu jener Zeit durch Leiden dazu geführt werden wird, sich an den Gott Israels zu halten (auch wenn er sich nicht sofort darüber im klaren sein wird, daß Jesus Christus selbst Gott ist), die Sprache des ersten Verses benutzen: „Gott ist uns Zuflucht und Stärke, eine Hilfe, reichlich gefunden in Drangsalen.“ Man geht in die Zufluchtsstätte, um Schutz zu suchen. Wenn man ihn in dem lebendigen Gott gefunden hat, kann man in den Kampf ziehen und mit echter Stärke dem Feind begegnen. Das ist notwendig, da die große Drangsal größere Versuchungen mit sich bringen wird, als diese Welt sie jemals gesehen hat.

,Dennoch ist diese ruhige, liebliche Sprache des Glaubens in den Mund des Überrests gelegt worden. Sie wollen sich nicht fürchten, selbst wenn die Erde großen Unruhen ausgesetzt ist. „Die Erde“ hier spricht von Israel selbst. Das Volk ist bereits in der Vergangenheit bedrängt und zerstreut worden, und wenn auch viele bereits in das Land zurückgefunden haben, wird in der Zeit der Versuchung das Land erneut erschüttert werden, die Hälfte der Stadt Jerusalem wird in die Gefangenschaft ziehen (Sacharja 14,2), und viele von Judäa werden auf die Berge fliehen (Matthäus 24,15–21).

Daß „die Berge im Herzen des Meeres“ wanken (V. 2), ist ein typisches Bild der regierenden Autoritäten Israels, die von den heidnischen Nationen weggeführt werden. „Die Wasser“ (V. 3) sind nach Offenbarung 17,15 ein Bild der „Völker und Völkerscharen und Nationen und Sprachen“. Gott wird den König des Nordens wie einen Wirbelwind gegen Israel senden, weil sie in Jerusalem „den Greuel der Verwüstung“ aufgerichtet haben, d.h. das Götzenbild des Tieres (Matthäus 24,15–21; Offenbarung 13,11–17; Daniel 11,40–41). Darauf wird der König des Nordens die Regierenden aus dem Land vertreiben. Der falsche Prophet, der Antichrist, der die höchste Autorität in Israel innehaben wird, wird nicht abwarten, dem Feind Auge in Auge gegenüberzutreten; er ist der nichtige Hirte, der die Herde verläßt (Sacharja 11,17). Er läßt die Schafe in der Zeit der größten Gefahr im Stich.

„Die Wasser“ (der Nationen, V. 3) werden toben und schäumen. Heute schon sehen wir Vorboten davon. Wieviel schlimmer noch wird dieses Wogen des stürmischen Meeres von Stolz, Eigenwillen und brutaler Macht menschlichen Willens zu jener Zeit sein, wenn einer sich gegen den anderen erhebt und eine Welle ziel – und zügellos gegen die andere schlägt. „Die Berge“, die die Regierungen darstellen, die eigentlich solide und stabil sein sollten, werden durch nicht gebändigte und empörte Menschenmassen erbeben.

Dieser erste Teil des Psalms wird durch das Wort „Sela“ beendet, was soviel wie „Halte ein und überdenke!“ bedeutet und uns den inneren Frieden des Überrests zeigt. Den Beweis dafür sehen wir in der Tatsache, daß angesichts des größten Tumults und der härtesten Versuchung, die die Welt jemals gesehen hat, „wir uns nicht fürchten“ werden (Vers 2). Welch ein vorlaufender Trost für schmerzende Herzen, der von ihnen empfunden werden kann, da Gott ihre einzige, aber auch völlig genügende Hilfsquelle ist.

Die nun folgenden vier Verse führen uns zu einem großen und herrlichen Höhepunkt. Sie werden durch die ruhige und schöne Aussage eingeleitet: „Ein Strom – seine Bäche erfreuen die Stadt Gottes, das Heiligtum der Wohnungen des Höchsten.“ Hier sehen wir einen erfrischenden Kontrast zu den aufgewühlten Wassermassen. Wenn das „Meer“ von den Regungen des Fleisches in den Menschenmassen spricht, zeigt uns der „Strom“ frisches, reines Wasser, das von oben herabkommt und in eine Richtung fließt, indem es Segen für die Menschheit mit sich führt. Das ist der Segen des kostbaren Wortes Gottes, das durch den Geist Gottes lebendig gemacht wird (vgl. Epheser 5,26; Johannes 7,38–39). Ohne Zweifel finden wir hier eine Andeutung des Flusses, der unter der Schwelle des Tempels im Tausendjährigen Reich entspringen und bis in das Tote Meer fließen wird, um es gesund zu machen (Hesekiel 47,1–9). Die geistliche Erfrischung, auf die er hindeutet, ist auch für unsere Seelen sehr segensreich und erinnert uns an Offenbarung 22,1, wo wir den Strom von Wasser des Lebens, glänzend wie Kristall, finden, der aus dem Thron Gottes und des Lammes in der himmlischen Stadt hervorgeht.

Die irdische Stadt Gottes, Jerusalem, wird froh und glücklich gemacht werden, denn Gott wird sie zu einer Freude für die ganze Erde machen, zum Zentrum des Friedens und echter Gemeinschaft, mit ihren heiligen Bergen, die nie wieder von den unruhigen Wassern erschüttert werden, denn es wird „das Heiligtum der Wohnungen des Höchsten“ sein. Seine eigene Gegenwart wird der Gemeinschaft dieser Stadt ihren besonderen Charakter verleihen.

Das jedoch ist nur ein schwacher Widerschein der Herrlichkeit und des Segens der himmlischen Stadt, des heiligen oder neuen Jerusalem. Dieses ist die ewige Heimat der aus dieser Welt erlösten Gläubigen, das Allerheiligste des Thrones Gottes und des Lammes. Wenn Israels Segnungen schon groß sein werden, wieviel größer sind die Segnungen für das himmlische Volk Gottes, die Versammlung!

Vers 5 spricht natürlich in erster Linie von der irdischen Stadt: „Gott ist in ihrer Mitte, sie wird nicht wanken.“ Die Gegenwart Gottes verleiht ihr Festigkeit, nachdem sie über Jahrhunderte hinweg unaufhörlich Turbulenzen und Erschütterungen ausgesetzt war, weil sie Gott in der Person Seines Sohnes verworfen hat. Mit welcher Freude und Gewißheit wird sie erkennen, daß Jesus Gott ist und tatsächlich in ihrer Mitte ist! Er ist der Gott, der ihr „beim Anbruch des Morgens“ hilft. Bis jetzt bedeckt noch Finsternis die Erde. So wird es auch bis zum Ende der großen Drangsal sein, wenn zu Israel gesagt wird, daß „euch, die ihr meinen Namen fürchtet, die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen wird mit Heilung in ihren Flügeln“ (Maleachi 3,20). Es wird der Morgen für diese Nation sein, die so lange in der Dunkelheit gelebt hat.

Den eigentlichen Höhepunkt dieses Psalms sehen wir in den Versen 7 und 8. Welche gewaltigen Aussagen sind in diesen kurzen Versen enthalten! „Es toben die Nationen, die Königreiche wanken.“ Das bezieht sich auf die Zeit, in der der König des Nordens und seine Bundesgenossen (nicht Rußland, sondern die Verbündeten des Assyrers) das Land Israel auf ihrem Eroberungszug nach Ägypten, Libyen und Äthiopien verwüstet haben und dann zurückeilen werden, weil sie von Truppenbewegungen anderer Nationen gerüchtweise gehört haben. Das Tier, das Haupt des Römischen Reiches, und seine Armeen werden nämlich inzwischen nach Harmagedon gekommen sein, das etwa 110 km nördlich von Jerusalem liegt, um Israel zu verteidigen. Das alles führt jedoch nur dazu, daß sie an den Platz gelangen, wo der Herr Jesus mit Seinen himmlischen Heerscharen erscheinen wird, um Gericht zu üben und sie vernichtend zu schlagen (Offenbarung 19,11–21). Sie werden Jerusalem, das sie verteidigen wollten, überhaupt nicht erreichen.

Der König des Nordens wird dann Jerusalem mit seinen Armeen umzingeln, um mit erbitterter Rachsucht gegen Israel zu kämpfen. Er wird jedoch ein Jerusalem vorfinden, das keine Verteidigung mehr besitzt. Ihr stolzer, eigensinniger König, der Antichrist, hat nicht nur die Herde verlassen, sondern ist in Harmagedon zusammen mit dem Tier in den Feuersee geworfen worden (Offenbarung 19,20). Und von seiten des Römischen Reiches ist keine Hilfe zu erwarten: Es ist vernichtend geschlagen worden. Der König des Nordens sieht die günstige Gelegenheit, Jerusalem gleichsam wie ein Schaf abzuschlachten. Das, was sich viele Moslem-Nationen schon lange gewünscht haben, hoffen sie nun ausführen zu können: die hilflose jüdische Nation ohne Widerstand zu vernichten. In äußerster Verzweiflung werden die Juden zu dem Gott Israels rufen mit Worten, wie wir sie in vielen Psalmen, zum Beispiel in den Psalm 56,1–2 und Psalm 59,1–8, finden.

„Er läßt seine Stimme erschallen: die Erde zerschmilzt“ (V. 6). Welch wunderbares Eingreifen! Der Messias selbst wird in der Stadt erscheinen, Seine Füße werden auf dem Ölberg stehen (Sacharja 14,4). Sacharja erklärt uns noch dazu in Sacharja 12,13: „Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den Eingeborenen.“ Die Herzen der Juden werden in tiefer Reue und Buße zerbrochen sein, indem sie erkennen, daß ihr wahrer Messias der Jesus ist, den sie gekreuzigt hatten. Sie werden verstehen, daß Er nichts weniger ist als Gott, geoffenbart im Fleische. Ihre Demütigung wird so tief und so weit gehen, daß jedes Geschlecht besonders und die Frauen getrennt von den Männern wehklagen werden (Verse 12–14).

Welch ein wunderbarer Anblick wird das für alle Himmelsbewohner sein! Wenn wir in der Schrift lesen, daß im Himmel schon Freude ist über einen Sünder, der Buße tut, welch unaussprechliche Freude wird das Herz Gottes, der Engel und aller Erlösten im Himmel erfüllen, wenn sie eine ganze Nation sehen, die Buße tut und an einem Tag von neuem geboren wird!

Von gereinigten Lippen wird dann Lob und Preis erschallen: „Jehova der Heerscharen ist mit uns, eine hohe Feste ist uns der Gott Jakobs“ (Vers 7). Jehova der Heerscharen ist wirklich in ihre Mitte gekommen, und Er ist der Gott Jakobs, ihre wunderbare Zuflucht vor allen ihren Feinden. Welch eine Entdeckung wird das für sie sein! Jesus ist Jehova der Heerscharen, Er ist der Gott Jakobs! Das erneute Sela – „Halte ein und überdenke“ – fügt sich hier gut ein, denn das Nachdenken über die volle Bedeutung dieser Tatsache wird Israel mit ehrfurchtsvollem Staunen und Anbetung erfüllen. Jakob war ein schwacher, häufig versagender Knecht, doch in Seiner unendlichen Gnade ist Jesus der Gott Jakobs und der Gott dieser bußfertigen Kinder Jakobs.

Die Verse 8 bis 11 bilden den letzten Teil des Psalms. Sie beschreiben die Größe der Herrlichkeit, der Macht und der Gnade Gottes, die in dem schrecklichen Gericht des Messias Israels zum Ausdruck kommt. Plötzlich und schnell wird die Vergeltung über Seine Feinde kommen. Schrecklich wird das Gericht derer sein, die es wagen, Ihm zu widerstehen. So wird der König des Nordens „ohne Menschenhand zerschmettert werden“ (Daniel 8,25).

Während wir aufgefordert werden, die Verheerungen, die Jehova auf der Erde bewirkt hat, anzuschauen, kommt doch gleich anschließend die gute Botschaft, nach deren Verwirklichung sich Nationen seit Jahrhunderten sehnen: Dieser gesegnete Gott Jakobs wird die Kriege bis ans Ende der Erde beschwichtigen, Er wird den Bogen zerbrechen, den Speer zerschlagen und die Kampfwagen mit Feuer verbrennen. „Das Werk der Gerechtigkeit wird Friede sein und der Ertrag der Gerechtigkeit Ruhe und Sicherheit ewiglich“ (Jesaja 32,17).

In Vers 10 kommen wir dann zu den einzigen Worten in diesem Psalm, die Er mit Seinen eigenen Lippen ausspricht. Wie herrlich wird es für Israel sein, nach all den Jahren turbulenter Unruhe den gesegneten Messias sprechen zu hören: „Lasset ab und erkennet, daß ich Gott bin.“ Wer ist Gott? Ja, Jesus ist Gott! Schließlich wird auch Israel es erkennen und Frieden finden. „Ich werde erhöht werden unter den Nationen, ich werde erhöht werden auf Erden“ [oder auf dem Land', das ist Israel]. Er wird die unumschränkte Herrschaft über die Nationen und Israel innehaben. Die Israeliten werden ihr eigenes Tun für völlig unbedeutend halten; sie werden einfach still den Sohn Gottes und Sein vollkommenes und unvergleichliches Werk betrachten. Welch eine wunderbare Ruhe! Denn der Sohn Gottes ist alles.

Auch der letzte Vers ist überaus kostbar. Er besteht zwar aus denselben Worten wie der siebte Vers, ist aber doch keine bloße Wiederholung. Im siebten Vers hören wir Israel in dem Augenblick, wo der Herr in der größten Not plötzlich erscheint, mit anfänglicher Verwunderung und mit Erstaunen ausrufen: „Jehova der Heerscharen ist mit uns, eine hohe Feste ist uns der Gott Jakobs.“

In Vers 11 dagegen ist der Friede bereits eingetreten, und alles ist in Ruhe. Die Gegenwart Jehovas der Heerscharen ist dann ein permanenter, nicht aufhörender Segen für die einst so umherirrende Nation. Sie darf dann die bleibende Freude und den Trost Seiner lebendigen Gegenwart unaufhörlich genießen. Nicht daß Er körperlich auf der Erde bleiben wird, denn Er wird in den Himmel zurückkehren (Ps 47,5). Doch wie Er den Jüngern in Matthäus 28,20 die Zusicherung gab: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage“, so wird es für Israel kostbare Realität des Glaubens sein.

„Sela“, halte ein und überdenke, welche großartigen Dinge hier vor uns stehen. Sie sind es wert, daß wir über sie in tiefer, ernster, ruhiger und demütiger Weise nachsinnen, und dadurch werden unsere Herzen zur Bewunderung und Anbetung unseres „großen Gottes und Heilandes Jesus Christus“ geführt.