Betrachtung über das dritte Buch Mose (Synopsis)

Kapitel 1

Betrachtung über das dritte Buch Mose (Synopsis)

Die erste Art des Opfers, die völligste und charakteristischste Art von denen, die als Feueropfer lieblichen Geruchs gekennzeichnet wurden, war das Brandopfer. Der Darbringende sollte seine Opfergabe wegen seiner Annahme bei Gott zum Eingang des Zeltes der Zusammenkunft bringen und sie vor Jehova schlachten 1.

Zunächst was den Ort betrifft: der ganze Schauplatz des Ritus der Hütte bestand aus drei Teilen: erstens das Allerheiligste, der innerste Teil des von Brettern eingeschlossenen, mit Zeltbehängen bedeckten Raumes, von dem übrigen Teil durch einen davor hängenden Vorhang getrennt; innerhalb dieses Teiles war die Lade des Bundes, und die Cherubim überschatteten den Gnadenstuhl, und nichts anderes war darinnen. Dies war der Thron Gottes, auch das Vorbild von Christo, in dem Gott geoffenbart ist – die wahrhaftige Bundeslade, mit dem Gnadenstuhl darüber.

Der Apostel sagt uns von dem Vorhang, daß er bedeutete, daß der Weg ins Heiligtum während der alten Haushaltung noch nicht offenbar war 2. Unmittelbar vor dem Vorhang stand der goldene Räucheraltar; seine Wirksamkeit gelangte allerdings hinein, und bei einigen Anlässen wurde von ihm Räucherwerk in eine Pfanne getan und innerhalb des Vorhangs dargebracht. In demselben oder äußeren Raum des Zeltes, zum Unterschied vom Allerheiligsten das Heiligtum genannt, standen an beiden Seiten die Schaubrote und der Leuchter – die ersten einerseits ein Vorbild des fleischgewordenen Christus, des wahrhaftigen Brotes in Vereinigung mit den zwölf Stämmen und als Haupt; andererseits war das letztere ein Vorbild der Vollkommenheit (zweifellos immer noch in Verbindung mit Israel am künftigen Tage) 3 des Geistes als Lichtspenders. Die Kirche erkennt Christum so an, und der Heilige Geist wohnt in ihr, was sie aber als solche kennzeichnet, ist die Erkenntnis eines himmlischen und verherrlichten Christus und des Heiligen Geistes, der in göttlichen Mitteilungen in Einheit in ihr anwesend ist. Andererseits geben uns diese Vorbilder Christum in Seinen irdischen Beziehungen und den Heiligen Geist in Seinen mannigfaltigen Entfaltungen Seiner Macht, wenn das irdische System Gottes errichtet werden wird. Vergleiche Sacharja 4 und Offenbarung 11, wo ein Zeugnis vom Leuchter, aber nicht seine tatsächliche Vollkommenheit zu finden ist: es ist das Zeugnis Gottes auf Erden. Der Hebräerbrief gibt uns all das nötige Licht, um zu wissen, inwieweit und mit welchen Veränderungen diese Vorbilder jetzt angewandt werden können. Jener Brief redet aber niemals über die eigentlichen Beziehungen und Vorrechte der Kirche und der Christen. Diese werden als Pilger auf Erden als ein irdisches Volk angesehen. Da ist keine Vereinigung mit Christo. Er ist im Himmel, wir aber sind in Bedürfnissen auf der Erde; der Name des Vaters wird nicht erwähnt, sondern nur, und damit um so kostbarer, unser Zugang zu Gott, und ebenso die notwendigen Darreichungen an Gnade für unseren Pfad hienieden. Das ist dem Christentum eigen: wir sind Teilhaber an der himmlischen Berufung; es mag aber auch hinreichen bis zu dem Überrest, der getötet wird, nachdem die Kirche weg ist, und ihm zur Verfügung stehen. Die ganze Priesterschar, nicht nur der Hohepriester, betraten beständig das Heiligtum, aber sie allein. Wir wissen, wer und wer allein jetzt eintreten darf, es sind die, die zu Königen und Priestern gemacht sind: die wahren Heiligen Gottes; nur dürfen wir hinzufügen, daß der Vorhang, der das Allerheiligste verbarg und den Eingang versperrte, von oben bis unten zerrissen ist, um zwischen uns und Gott nicht mehr erneuert zu werden. Wir haben die Freimütigkeit, in das Allerheiligste einzugehen. Der Vorhang wurde in Seinem Fleische zerrissen. Er ist nicht nur Brot aus dem Himmel oder fleischgeworden, sondern Er wurde getötet, worauf Fleisch und Blut hinweisen, und die Tür ist völlig offen, damit wir im Geiste dorthin eingehen können, wo Christus ist. Unser gewöhnliches Vorrecht und Recht liegt im Heiligtum – dem Vorbild des erschaffenen Himmels, wie das Allerheiligste ein Vorbild des sogenannten Himmels der Himmel ist. In bezug auf das geistliche Hinzunahen und das Unterreden besteht in einem gewissen Sinne (da der Vorhang zerrissen ist) keine Trennung zwischen diesen zweien, obwohl Gott unzugänglich in dem Lichte wohnt, wohin kein Mensch hinzunahen kann. Wir stehen nun als Priester in den himmlischen Örtern, obwohl nur im Geiste.

Beim Zutritt dazu war der äußere Hof der Hof des Zeltes der Zusammenkunft 4. Indem man diesen Teil betrat, war das erste, dem man begegnete, der Brandopferaltar, und zwischen ihm und dem Zelte war das Becken, wo sich die Priester wuschen 5, wenn sie das Zelt betraten oder am Altar beschäftigt waren, um ihren Dienst zu verrichten. Es ist augenscheinlich, daß wir einzig und allein durch das Opfer Christi hinzunahen und daß wir mit dem Wasser durchs Wort gewaschen werden müssen, bevor wir im Heiligtum dienen können. Als Priester haben wir es auch nötig, daß schließlich unsere Füße durch unseren Sachwalter droben für unseren beständigen Dienst dort gewaschen werden (siehe Joh 13) 6.

Auch Christus nahte so hinzu, es geschah aber in dem vollkommenen Opfer Seiner Selbst, nicht im Opfer eines anderen. Es gibt nichts Ergreifenderes noch der tiefsten Aufmerksamkeit Würdigeres als die Art und Weise, auf die Jesus Sich freiwillig darstellt, auf daß Gott völlig, vollständig in Ihm verherrlicht werde. In Seinen Leiden schwieg Er, und wir sehen, daß dieses Schweigen das Ergebnis eines tiefen und vollkommenen Entschlusses war, Sich im Gehorsam dieser Herrlichkeit zu weihen – ein Dienst, gepriesen sei Sein Name, der vollkommen vollbracht wurde, so daß der Vater in Seiner Liebe zu uns ruht.

Diese Ergebenheit in den Willen des Vaters konnte sich auf zweierlei Weise zeigen, was sie ja auch tat, mochte es im Dienste sein, und kein Wirken aller Fähigkeiten eines lebendigen Menschen auf Erden, in absoluter Ergebenheit Gott gegenüber, durch Feuer bis zum Tode geprüft; oder mochte es im Aufgeben des Lebens selbst, im Aufgeben Seiner Selbst – Seines Lebens in den Tod zugunsten der göttlichen Herrlichkeit sein, weil Sünde da war. Von diesen letzteren redet das Brandopfer; vom ersteren, glaube ich, redet das Speisopfer: während beide grundsätzlich dasselbe sind, und zwar die vollständige Hingabe des menschlichen Daseins für Gott – das eine die Weihe eines lebendigen, tätigen Menschen hienieden, das andere das Aufgeben des Lebens in den Tod.

So war es beim Brandopfer; der Darbringende brachte das Opfer Gott vollständig am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft dar. So stellte Sich Christus dar zur Erfüllung des Vorsatzes und der Herrlichkeit Gottes dort, wo die Sünde war. Im Vorbilde waren das Opfer und der Darbringende notgedrungen verschieden, Christus aber war beides, und die Hände des Darbringenden wurden als Zeichen des Einsmachens auf den Kopf des Opfers gelegt.

Laßt uns einige Schriftstellen anführen, die uns Christum so darstellen, erstens im allgemeinen, sei es zum Leben oder zum Tode, um Gott zu verherrlichen, genaugenommen aber, indem Er die Stelle dieser Opfer einnimmt, spricht der Geist über den Herrn in Hebräer 10  also, indem Er Psalm 40  anführt: „Da sprach ich: Siehe, ich komme (in der Rolle steht von mir geschrieben). Dein Wohlgefallen zu tun, mein Gott, ist meine Lust; und dein Gesetz ist im Innern meines Herzens“. Es ist also Christus, der, indem Er Sich völlig dem Willen Gottes weiht, diese Opfer ersetzt, das Gegenbild der Schatten der zukünftigen Güter. Über Sein Leben Selbst sagt Er (Joh 10,18): „Niemand nimmt es von mir, sondern ich lasse es von mir selbst. Ich habe Gewalt, es zu lassen, und habe Gewalt, es wiederzunehmen. Dieses Gebot habe ich von meinem Vater empfangen“. Es war Gehorsam, aber Gehorsam im Opfern Seiner Selbst, und so von Seinem Tode redend, sagt Er: „Der Fürst der Welt (Satan) kommt und hat nichts in mir; aber auf daß die Welt erkenne, daß ich den Vater liebe und also tue, wie mir der Vater geboten hat“. So lesen wir in Lukas 9: „Es geschah aber, als sich die Tage seiner Aufnahme erfüllten, daß er sein Angesicht feststellte, nach Jerusalem zu gehen“. „Der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Flecken Gott geopfert hat“ (Heb 9,14).

Wie vollkommen und gnadenvoll ist dieser Weg des Herrn! so beständig und ergeben, Gott zu nahen, wenn Gott also verherrlicht werden sollte, und Sich den Folgen Seiner Ergebenheit zu unterwerfen – Folgen, die durch die Umstände, in denen wir stehen, verursacht wurden –, wie sich der Mensch zu seinem Vergnügen von Gott entfernte. Er demütigt Sich Selbst bis in den Tod, auf daß die Majestät und Liebe Gottes, Seine Wahrheit und Gerechtigkeit ihre volle Erfüllung durch das Ausüben Seiner selbstlosen Liebe finden sollten. So ist der Mensch in Seiner Person und durch Sein Werk mit Gott versöhnt; er nimmt seine wahre und gebührende Beziehung zu ihm auf, indem Gott in Ihm vollkommen betreffs der Sünde und (wie wunderbar, es zu sagen) am Platze der Sünde verherrlicht wurde, und dies nach dem ganzen Werte dessen, was Christus getan hat, um Gott zu verherrlichen. Es war am Orte der Sünde, als für uns zur Sünde gemacht, denn daselbst mußte Gott verherrlicht werden, und daselbst kam Sein ganzes Wesen zum Ausdruck wie sonst nirgends, und zwar vollkommen in Liebe, Licht, Gerechtigkeit, Wahrheit und Majestät, so wie Er durch die Sünde des Menschen verunehrt worden war, nur hatte das jetzt einen unendlichen Wert, es ging um Gott Selbst, nicht nur um die menschliche Entstellung der Herrlichkeit Gottes. Hier sage ich nicht Menschen, sondern der Mensch. Das gesegnete Ergebnis war nicht bloß Vergebung, sondern die Einführung in die Herrlichkeit Gottes.

Die Opfergabe sollte ohne Fehl sein; dessen Anwendung auf Christum ist zu augenscheinlich, um der Erklärung zu bedürfen. Er war das Lamm „ohne Fehl und ohne Flecken“. Der Darbringer sollte das Rind vor Jehova schlachten 7. Dies vervollständigt die Ähnlichkeit mit Christo, denn obwohl Er Sich augenscheinlich Selbst nicht töten konnte, legte Er aber Selbst Sein Leben dar; niemand nahm es von Ihm. Er tat es vor Jehova. Beim Ritus des Darbringens war dies Sache des Darbringers, des einzelnen, und so war es auch Christi Sache als Mensch. Der Mensch sah im Tode Christi das Gericht des Menschen, die Macht des Kajaphas oder die Macht der Welt, aber als geopfert, opferte Er Sich vor Jehova.

Jetzt kommt aber das Teil Jehovas und das Teil des Priesters. Das Opfer sollte dem Feuer des Altars Gottes ausgesetzt werden; es wurde in Stücke zerteilt und gewaschen, und gemäß der Reinigung des Heiligtums wurde es der Prüfung des Gerichtes Gottes dahingegeben,- denn als Symbol bedeutet Feuer immer die Prüfung des Gerichtes Gottes. Was die Waschung mit Wasser anbelangt, so machte sie das Opfer sinnbildlich zu dem, was Christus wesentlich war, nämlich – rein. Es ist aber insofern wichtig, daß seine Heiligung und die unsrige auf demselben Grundsatze und auf derselben Standhöhe geschieht. In diesem Sinne ist Er unsere Heiligung. Wir sind zum Gehorsam geheiligt. Er kam, um den Willen des Vaters zu tun, und so, vollkommen von Anfang an, lernte Er Gehorsam an dem, was Er litt; Er war immer vollkommen gehorsam, aber Sein Gehorsam wurde immer durchgreifender auf die Probe gestellt, so daß Sein Gehorsam immer tiefer und vollständiger wurde, obwohl er immer vollkommen war. Er lernte Gehorsam, was es bedeutet zu gehorchen, und dies durch zunehmende Leiden und durch das Empfinden dessen, was rund um Ihn her war, und schließlich durch das Kreuz 8. Als einer Person der Gottheit war der Gehorsam für Ihn neu – als Rebell vor Gott ist er auch uns neu – und Er lernte ihn in seinem ganzen Umfang.

Darüber hinaus geschieht diese Waschung mit Wasser in unserem Falle durch das Wort, und Christus bezeugt von Sich, daß der Mensch von jedem Worte, das durch den Mund Gottes ausgeht, leben soll. Dieser Unterschied ist notwendigerweise und augenscheinlich vorhanden, daß wie Christus Leben in Sich Selbst hatte und das Leben war (siehe Joh 1,4; 1. Joh 1,1. 2), wir andererseits dieses Leben von Ihm empfangen; und während Er Selbst dem geschriebenem Worte immer gehorsam war, waren die Worte, die von Seinen Lippen ausgingen, der Ausdruck Seines Lebens – und sie geben dem unsrigen Richtung.

Wir können den Gebrauch dieses Wassers der Reinigung noch weiter verfolgen. Es ist auch die Macht des Geistes, wie sie durch das Wort und den Willen Gottes ausgeübt wird 9; so ist es mit dem Anfang dieses Lebens in uns. „Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt, auf daß wir eine gewisse Erstlingsfracht seiner Geschöpfe seien“ (Jak 1,18). In 1. Petrus 1,23  sind wir aus dem unverweslichen Samen des Wortes geboren. Dazu findet uns dies in Sünden wandelnd und in ihnen lebend, oder, von einem anderen Standpunkte aus, tot in ihnen. Das ist eigentlich dasselbe, denn wenn man in Sünden lebendig ist, so ist man Gott gegenüber geistlich tot; nur zeigt das letztere, daß unser ganzer Zustand entdeckt worden ist; das erstere betrifft unsere Verantwortung. Im Epheserbrief werden wir als tot in Sünden betrachtet; im Römerbrief leben wir in ihnen; im Kolosserbrief ist es hauptsächlich das letztere, das erstere wird aber berührt. Deshalb muß die Reinigung durch den Tod und die Auferstehung Christi bewirkt werden: Tod der Sünde, und Leben zu Gott in Ihm. Deshalb ergossen sich nach Seinem Tode aus Seiner Seite Wasser und Blut: reinigende wie auch sühnende Macht. Also ist der Tod der einzige Reiniger der Sünde wie auch ihre Sühnung. „Wer gestorben ist, ist freigesprochen (freigelassen) von der Sünde“ 10, und Wasser wurde so zum Zeichen des Todes, denn dies allein reinigte. Unter dem Gesetz war diese Wahrheit der echten Heiligung, außer als in Vorbildern, notwendigerweise verborgen; denn das Gesetz betraf den lebenden Menschen und beanspruchte seinen Gehorsam. Der Tod Christi offenbarte das. In uns, das ist in unserem Fleische, wohnt nichts Gutes. Deshalb wird uns in dem symbolischen Gebrauch des Wassers bei der Taufe gesagt, daß so viele auf Christum Jesum getauft worden, auf Seinen Tod getauft worden sind. Es ist aber augenscheinlich, daß wir nicht am Tode an sich stehenbleiben können. In uns wäre er der Herold und der Zeuge der Verdammnis; indem man aber Leben in Christo hat, ist der Tod in Ihm der Tod dem Leben der Sünde und Schuld. Es ist das Mitteilen des Lebens Christi, das uns dazu befähigt, den alten Menschen als tot zu behandeln und sich selbst als in Übertretungen und Sünden tot gewesen zu betrachten. Der Leib ist tot der Sünde wegen, der Geist aber Leben der Gerechtigkeit wegen – wenn aber Christus in euch ist. So wird uns wegen unseres natürlichen Zustandes gesagt (es ist hier nicht das, wofür der Glaube den alten Menschen hält, wenn Christus in uns ist): „Euch, als ihr tot waret in den Vergehungen und in der Vorhaut eures Fleisches, hat er mitlebendig gemacht in ihm“. Als wir in der Sünde tat waren, hat Er uns mitlebendig gemacht in Ihm; und als auf Seinen Tod getauft, wird hinzugefügt: „Auf daß, gleichwie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in Neuheit des Lebens wandeln sollen“. Es ist nur in der Kraft eines neuen Lebens möglich, daß wir uns der Sünde für tot halten können. Tatsächlich ist es nur durch die erlebte Erlösung, daß wir das sagen können. Dann, wenn wir die Kraft des Todes und der Auferstehung Christi erkannt haben und durch den Heiligen Geist wissen, daß wir in Ihm sind, können wir sagen: Ich bin mit Ihm gekreuzigt, ich bin nicht im Fleische. Dann wissen wir, daß diese Reinigung, die im Judentum nur als eine moralische Wirkung aufgefaßt wurde, durch das Mitteilen des Lebens Christi an uns das ist, wodurch wir gemäß der Kraft Seines Todes und Seiner Auferstehung geheiligt werden, und daß die Sünde als Gesetz in unseren Gliedern gerichtet worden ist. Der erste Adam hat sich als eine lebendige Seele selbst verderbt; der letzte Adam verleiht uns als ein lebendigmachender Geist ein neues Leben.

Wenn es aber das Mitteilen des Lebens Christi ist, das durch die Erlösung der Anfangspunkt dieses Richtens der Sünde ist, so ist es augenscheinlich, daß dieses Leben in Ihm wesentlich und tatsächlich rein war; in uns gelüstet das Fleisch wider den Geist. Selbst nach dem Fleische war Er aus Gott geboren. Er mußte Sich aber einer Taufe unterziehen, nicht nur um als lebend alle Gerechtigkeit zu erfüllen (obwohl Er völlig rein war), und zwar durch eine Wassertaufe, sondern mußte eine Prüfung von allem, was in Ihm war, durch die Feuertaufe erleiden. Er sagt: „Ich aber habe eine Taufe, womit ich getauft werden muß, und wie bin ich beengt, bis sie vollbracht ist!“

Christus, der Sich Gott vollständig für den vollen Ausdruck Seiner Herrlichkeit hingibt, erleidet hier also die volle Prüfung des Gerichts. Das Feuer prüft, was Er ist. Er ist mit Feuer gesalzen. Die vollkommene Heiligkeit Gottes prüft in der Kraft Seines Gerichts alles aufs äußerste, was in Ihm ist. Der blutige Schweiß, das ergreifende Flehen im Garten, das tiefe Leid des Kreuzes in dem rührenden Bewußtsein der Gerechtigkeit: „Warum hast du mich verlassen?“ – ein unbeachteter Schrei, was irgendeine Erleichterung der Prüfung anbelangt – alles dieses kennzeichnet die volle Prüfung des Sohnes Gottes. Tiefe rief die Tiefe – alle Wogen und Wellen Jehovas gingen über Ihn hin. Da Er Sich aber vollkommen der gründlichen Prüfung hingegeben hatte, so konnten dieses verzehrende Feuer und die Prüfung Seiner innersten Gedanken nichts anderes erzeugen (und taten es auch nicht) als nur einen lieblichen Wohlgeruch vor Gott. Es ist bemerkenswert, daß das Wort, welches für das Verbrennen des Brandopfers gebraucht wird, nicht dasselbe ist wie beim Sündopfer, dasselbe aber wie beim Verbrennen von Räucherwerk.

In diesem Opfer haben wir also die vollkommene Dahingabe Seiner Selbst, und dann wird Er in Seinem Innersten durch die Feuerprobe des Gerichtes Gottes geprüft. Das Verzehren Seines Lebens war ein Opfer lieblichen Wohlgeruchs, alles war Gott unendlich angenehm – kein Gedanke, kein Wollen, die nicht auf die Probe gestellt wurden – Sein Leben wurde darin verzehrt, alles wurde Gott hingegeben, aber ohne eine ersichtliche Antwort, um Ihn zu unterstützen; alles war für Ihn ein reiner, lieblicher Wohlgeruch. Es war aber noch mehr da. Der größte Teil des Gesagten könnte sich auf das Speisopfer beziehen. Das Brandopfer aber sollte Sühnung tun, ein Ausdruck, der in Kapitel 3. Mo 2 nicht gebraucht wird. Dort wurde die persönliche, innere Vollkommenheit Christ! geprüft, und die Art und Weise Seiner Fleischwerdung, was Er als Mensch hienieden war, wurde entfaltet, der Tod war aber das erste Element des Brandopfers, der Tod kam aber durch Sünde. Dort, wo der Mensch war (für ihn konnte es nicht anders sein), wo die Sünde war, wo die Macht Satans als der Tod war, wo das unumstößliche Gericht Gottes war, dort hatte Christus Gott zu verherrlichen, und es war eine Herrlichkeit, die anders nicht entfaltet werden konnte: Liebe, Gerechtigkeit, Majestät am Orte der Sünde und des Todes, Christus, der die Sünde nicht kannte, wurde für uns zur Sünde gemacht, und in vollkommenem Gehorsam und vollkommener Liebe zu Seinem Vater ging Er in den Tod, dort ist Gott verherrlicht, Satans Todesmacht ist vernichtet, Gott ist im Menschen gemäß allem, was Er ist, verherrlicht (indem die Sünde hereingekommen war), und zwar in Gehorsam und Liebe. Er war am Orte der Sünde, und Gott wurde so verherrlicht, wie keine Schöpfung, keine Sündlosigkeit es tun konnten. Alles war an diesem Orte ein lieblicher Wohlgeruch, und dementsprechend, was Gott in bezug hierauf in Gerechtigkeit und Liebe war.

Als Noah sein Brandopfer darbrachte, heißt es: „Jehova roch den lieblichen Geruch, und Jehova sprach in seinem Herzen: Nicht mehr will ich hinfort den Erdboden verfluchen um des Menschen willen: denn das Dichten des menschlichen Herzens ist böse von seiner Jugend auf“. Es hatte Jehova gereut, daß Er den Menschen gemacht hatte auf der Erde, und es schmerzte Ihn in Sein Herz hinein; jetzt aber sagt Er auf diesen lieblichen Wohlgeruch hin: „Nicht mehr will ich verfluchen“. Solcherart ist die vollkommene und unendliche Wohlannehmlichkeit der Hingabe Christi zu Gott. Es ist nicht in dem Opfer, das wir soeben betrachten, daß Ihm die Sünden auferlegt wurden (das geschieht beim Sündopfer), sondern es geht um die Vollkommenheit, Reinheit und Ergebenheit des Opfers, jedoch indem Er zur Sünde gemacht wurde – das steigt als ein lieblicher Wohlgeruch zu Gott empor. In dieser Wohlannehmlichkeit – in dem lieblichen Wohlgeruch dieses Opfers – werden wir Gott dargestellt. Wir werden in dem ganzen Wohlgefallen, das Gott an dem Wohlduft dieses Opfers findet, angenommen – glückseliger Gedanke! Wird Gott darin vollkommen verherrlicht, in allem was Er ist? Dann wird Er auch darin verherrlicht, daß Er uns annimmt. Er nimmt uns als die Frucht und das Zeugnis dessen an, worin Er vollkommen verherrlicht worden ist, und zwar wie Er in der Erlösung geoffenbart ist, in der sich Sein ganzes Wesen in Seiner Offenbarung auswirkt. Findet Er an dem, was Christus ist, Seine Wonne, an dieser Seiner vollkommensten Tat? Eine solche Wonne findet Er an uns. Erhebt sich dieses vor Seinem Angesicht als ein beständiges Gedächtnis des Wohlgefallens? In dessen Wirksamkeit werden auch wir Ihm dargestellt; in einem gewissen Sinne sind wir dieses Gedächtnis. Es geht nicht nur darum, daß die Sünden durch diese Sühnung ausgelöscht wurden, sondern darum, daß die vollkommene Wohlannehmlichkeit Dessen, der sie vollbrachte und Gott darin vollkommen verherrlichte, der liebliche Wohlgeruch Seines sündlosen Opfers, daß alles dieses unser Wohlgeruch des Wohlgefallens vor Gott ist, es ist unser, dessen Annahme ist, wie auch die Christi, unser.

Wir sollten auch bemerken, daß, obwohl es sich davon unterscheidet, daß unsere Sünden auf Ihn gelegt wurden, es doch bedeutete, daß die Sünde den Tod einschließt, und das Opfer Christi als Brandopfer trug den Charakter, der sich daraus ergab, daß die Sünde vor Gott in Frage stand, nämlich den Charakter des Todes. Das machte die Prüfung und die Leiden noch viel schrecklicher. Sein Gehorsam wurde am Orte der Sünde vor Gott geprüft, und Er war gehorsam bis zum Tode, nicht in dem Sinne, daß Er unsere Sünden trug und sie hinwegtat (obwohl dies durch dieselbe Tat bewirkt wurde), sondern in der Vollkommenheit, in der Er Sich Selbst Gott hingab, und in dem Gehorsam, in dem Er vor Gott geprüft wurde; dadurch geprüft, und nur darin, daß mit Ihm wie mit der Sünde verfahren wurde, war es ein vollkommener lieblicher Wohlgeruch. Deshalb war das Sühnung, und in einem Sinne ging das tiefer als das Tragen von Sünden, d. h. als die Prüfung des Gehorsams und der Verherrlichung Gottes darin. Wenn wir in der Vergebung Frieden gefunden haben, so können wir das Brandopfer gar nicht zuviel betrachten. Es ist die eine Tat in der Geschichte der Ewigkeit, in der die Grundlage alles dessen, worin Gott Sich moralisch verherrlicht, d. h. Sich als das, was Er ist, geoffenbart hat, gelegt wurde, und alles dessen, worin unser Glück (und sein Bereich) begründet ist; denn, – gepriesen sei Gott! – sie gehen zusammen. Diese Grundlage ist so gelegt, daß Christus sagen konnte: Deshalb liebt Mich Mein Vater, und daß Er total in Selbstaufopferung vor Gott zur Sünde gemacht wurde (o wunderbarer Gedanke!) – und für uns. Es geziemte Ihm. Wo ist die Gerechtigkeit Gottes wider die Sünde bekannt? wo Seine Heiligkeit? wo Seine unendliche Liebe? wo Seine moralische Majestät? wo das, was Ihm geziemte? wo Seine Wahrheit? wo die Sünde des Menschen? wo Seine Vollkommenheit? und, absolut, wo die Macht Satans, aber auch ihre Nichtigkeit? Alles ist im Kreuze und wesentlich im Brandopfer. Es ist nicht das Tragen der Sünden, sondern das völlige absolute Sich Gott Darbringen und die Sühnung – das Vergießen des Blutes um der Sünde willen.

Es gibt noch einen bemerkenswerten Punkt in diesem Opfer, der es kennzeichnet. Es war völlig für Gott, zweifellos für uns, aber immerhin völlig Gott. An den anderen Opfern (nicht an den zwei ersten für die Sünde – aber darüber später) nahmen die Menschen in irgendeiner Form teil, aber nicht an diesem; es war ganz und gar für Gott und auf den Altar gegeben. Somit war es das große, absolute, wesentliche Opfer; in bezug auf seine Wirkung ist es mit uns verbunden, wie auch das Blutvergießen darin (Heb 9,26  und Joh 1,29, das Lamm Gottes) enthalten ist (vgl. Eph 5,2). Deshalb, obwohl es im Blutvergießen und in der Versöhnung das Zeichen des Vorhandenseins der Sünde trug, war es absolut und völlig ein lieblicher Wohlgeruch, ganz und gar für Gott.

Fußnoten

  • 1 Die Brandopfer als solche wurden freiwillig gebracht; jedoch scheint es klar zu sein, daß dies nicht der Sinn des hebräischen Wortes „ratzon“ hier ist, sondern es ging um die Annahme, um in der göttlichen Gunst zu stehen. Der Lehre nach bleibt es nichtsdestoweniger wahr, daß Christus Sich durch den ewigen Geist ohne Flecken Gott opferte.
  • 2 Dies ist ein klares Beispiel dafür, daß die in der Wüste errichtete Ordnung nicht das Bild, sondern nur ein Schatten der zukünftigen Güter war; denn der unzerrissene Vorhang verbot den Eingang, der zerrissene Vorhang gibt uns aber durch das Kreuz volle Freimütigkeit einzugehen. Also gab es Gegensätze in den Beziehungen zu Gott.
  • 3 Die Zahl sieben ist die Zahl der Vollkommenheit, wie auch die zwölf, wie man aus vielen Schriftstellen ersehen kann; sieben spricht von absoluter Vollständigkeit im Guten oder im Bösen, zwölf von der Vollständigkeit der menschlichen Verwaltung.
  • 4 Der Eingang zum Zelte der Zusammenkunft war nicht einfach der Vorhang des Heiligtums, sondern der Hof, in dem sie von draußen hereinkamen. Der Brandopferaltar war am Eingang des Zeltes der Zusammenkunft.
  • 5 Es scheint nicht so, daß die Waschung der Priester zu ihrer Einweihung am Becken geschah; das geschah dem Inneren gemäß, wenn sie dort angelangt waren. Es ist aber immer das Wort, das durch Wasser sinnbildlich dargestellt wird.
  • 6 In der ersten Auflage hatte ich hier die „Erneuerung durch den Heiligen Geist“ hinzugefügt, mich auf Titus 3 beziehend. Obwohl aber der Heilige Geist sicherlich das Herz beständig erneuert, so bezweifle ich doch die Richtigkeit der Anwendung dieser Schriftstelle gerade hier. Die Erneuerung scheint dort absoluter zu sein, anakainoseos. Ich hätte dies vielleicht einfach auslassen können, aber ich möchte die Aufmerksamkeit des Lesers auf die Tatsache lenken, daß „Wiedergeburt“ nicht dasselbe Wort ist, wie „von neuem geboren“. Es ist paliggenesia, nicht anagenneesis. Es wird nur wieder gefunden, um das Tausendjährige Reich in Matthäus 19 zu bezeichnen. Seine Bedeutung ist das „Waschen mit Wasser“ oder „aus Wasser geboren“, nicht das Empfangen von Leben durch den Geist. Wasser ist eine Veränderung des Zustandes dessen, was schon da ist, an sich nicht das Empfangen des Lebens, was „vom Geiste geboren werden“ bedeutet. Das ist anakainosis.
  • 7 Das heißt, es war noch nicht die Sache des Priesters. Es kann übersetzt werden: „Man sollte es töten“. Es war die Vollendung des Opferns, nicht eine Darstellung seines Blutes auf eine priesterliche Weise.
  • 8 Damit ist viel tiefe Belehrung verbunden, aber dessen Entfaltung gehört zum Neuen Testament. Siehe Röm 12 und Röm 6 und den ersten Petrusbrief.
  • 9 Wenn das Wasser so als Vorbild gebraucht wird, kennzeichnet es das Wort in der gegenwärtigen Kraft des Geistes.
  • 10 Buchstäblich: gerechtfertigt. Man kann einen Toten nicht der Sünde bezichtigen. Man beachte, es heißt hier nicht „Sünden“, sondern „Sünde“.
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