Betrachtung über den Propheten Hosea (Synopsis)

Kapitel 13-14

Betrachtung über den Propheten Hosea (Synopsis)

Kapitel 13

Wir sehen hier, wie die Zuneigungen Gottes und seine Strafurteile beständig gegeneinander streiten. Der Gedanke an ihre Sünde ruft die Ankündigung des notwendigen und unvermeidlichen Gerichts hervor. Sobald jedoch das Urteil ausgesprochen ist, kehrt das Herz Gottes zu seinen eigenen Gnadengedanken zurück (siehe V. 1 – 4, 7 und 9, 12 und 14 sowie die beiden letzten Verse des Kapitels). Wir könnten uns nichts Schöneres vorstellen als die Weise, in der hier die verschiedenen Gedanken miteinander verwoben sind: die Notwendigkeit des Gerichts um des Zustandes des Volkes willen, der gerechte Zorn Gottes über die Sünde desselben, wobei Er mit Israel rechtet und es zu bewegen sucht, seine bösen Wege zu verlassen und den HERRN zu suchen, der gewiss Mitleid mit ihm haben würde, sodann seine Zufluchtnahme zu den ewigen Ratschlüssen seiner eigenen Gnade, um seinem geliebten Volk das zu sichern, dessen es sich durch seine Ungerechtigkeit beraubt hatte, und zu gleicher Zeit die rührende Erinnerung an sein früheres Verhältnis zu diesem Volk. Welch eine Herablassung und Gnade seitens des Gottes Israels! Das Volk hatte den Ausspruch: „Ich werde mich nicht mehr erbarmen“, so schmerzlich und schrecklich derselbe auch war, wohl verdient; denn er entsprach vollkommen den vielen Erweisungen der Huld Gottes seinem Volk gegenüber. Wohl konnte auch der Herr Jesus sagen: „Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und du hast nicht gewollt!“

Auch die Art und Weise, in welcher Gott die Geschichte der Ungerechtigkeit Israels, von der Zeit an, da es die Wüste betrat, verfolgt und dem Volk die Mittel vor Augen stellt, die ihm zu Gebote gestanden hatten, um zu seinem Gott zurückzukehren; die Weise ferner, in der Er davon spricht, wie Er einst dem untreuen Jakob widerstehen musste und ihn doch gesegnet hatte, als derselbe im Glauben kämpfte – Er, der sich nie verändert und der auch noch für Israel derselbe war, wobei deutlich hervortritt, wie das ganze Verhalten Israels von Gott wohl beachtet worden war, wie Er desselben immer noch gedachte und es dem Volk zur Belehrung vorführt, um es, wenn irgend möglich, verschonen zu können: mit einem Wort, dieses ganze, von Gott selbst entworfene Gemälde dient zu einer tiefernsten Belehrung für uns; es weist uns an, uns fest an Den anzuklammern, der, so groß auch seine Geduld sein mag, doch von allen unseren Wegen Kenntnis nimmt und der angeordnet hat, dass wir das ernten sollen, was wir gesät haben.

Durch nichts könnte auch die langanhaltende, erstaunliche Geduld, die Gott in seiner Liebe beweist, völliger an den Tag gelegt werden. – Was also in dieser Weissagung besonders vor unsere Augen gestellt werden soll, ist zunächst der innere Zustand des Volkes, der das Urteil „Lo-Ruchama“ und dann das „Lo-Ammi“ herbeiführte, wie dies in der in Kapitel 1 – 3 enthaltenen Übersicht der Wege Gottes mit seinem Volk entwickelt ist; sodann die Beziehung, in der das Verhalten Gottes dem Menschen gegenüber zu seinen unveränderlichen Ratschlüssen steht; ferner die Verbindung dieser Ratschlüsse mit den zärtlichen Gefühlen des Herzens Gottes, denen entsprechend Er jene verwirklichen will; dann die Undankbarkeit des Menschen in seinem Verhalten diesen zärtlichen Gefühlen gegenüber; weiterhin die Langmut, die Gott, durch seine Liebe bewogen, Seinem undankbaren Volk gegenüber beweist; und schließlich das vollständige Sichzurückziehen seitens Gottes, das zur Folge hat, dass Sein Volk eine Beute seiner eigenen Verderbtheit sowie der Fallstrick des Feindes wird. Das Resultat ist, dass Gott durch den Zustand seines Volkes genötigt wird, über dieses das Gericht zu bringen, das  um seiner Sünde willen erforderlich war, nachdem alle Warnungen Gottes vermittels seiner Boten erfolglos geblieben waren. Dies aber macht dann der Erfüllung der Ratschlüsse Gottes Platz, der sein Volk, nachdem es lange die Früchte seiner Handlungen hat schmecken müssen, dahin bringt, Buße zu tun, und es auf diese Weise fähig macht, das genießen zu können, was ihm aufgrund seiner Ratschlüsse zuteil werden soll.

Kapitel 14

Dieses letztere Werk ist es, von dem das 14. Kapitel unseres Propheten handelt. Israel kehrt zu dem HERRN um, bekennt sich seiner Ungerechtigkeit schuldig und begehrt nun die Gnade seines Gottes. Das war der einzige Weg, auf dem es Ihm einen wohlgefälligen Gottesdienst darzubringen vermochte. Die Herzen, die jetzt von Gott unterwiesen und gereinigt sind, wollen von der Hilfe Assurs nichts mehr wissen. Sie waren demselben in ihrem Unglauben nachgegangen, nachdem sie sich von ihrem Gott, der ihre Wege erforschte, losgesagt hatten. Jetzt aber will Israel sich nicht länger auf einen fleischlichen Arm noch auf menschliche Kraft stützen; es wirft die falschen Götter weg, vor denen es seine Knie gebeugt hatte. Nun soll Der seine Zuflucht sein, bei dem die Waise Erbarmen findet. Gott hatte nur auf die Umkehr seines Volkes gewartet (eine Umkehr, die Er selbst, nachdem die zu seiner Verherrlichung und zum Wohle des Volkes notwendige Züchtigung zu Ende war, durch seine Gnade in ihren Herzen gewirkt hatte), um dann ihre Abtrünnigkeit heilen und sie willig lieben zu können. Sein Zorn hatte sich von seinem Volk abgewendet. Sein Segen und seine Gnade sollten für Israel wie der Tau sein. Eine von Ihm bewirkte Fruchtbarkeit und Schönheit sollten wiederum an Israel, Seinem Volk, wahrgenommen werden.

Vers 8 möchte ich folgendermaßen lesen: „Ephraim (wird sagen): Was habe ich mit den Götzen zu schaffen?“ Der HERR spricht: „Ich habe ihn erhört und auf ihn geblickt.“ Darauf Ephraim: „ich bin wie eine grünende Cypresse.“ Und des HERRN Antwort ist: „Aus mir wird deine Frucht gefunden.“ Es tritt hier also eine Buße zutage, die von dem HERRN anerkannt wird, sowie das freudige Bewusstsein von einem Segen, dessen Quelle, wie Gott zu verstehen gibt, Er selbst ist, indem Er sowohl für die Sicherheit als auch für die Vermehrung desselben Sorge trägt.

In dem letzten Vers unseres Propheten findet sich ein Hinweis auf das, was wir bereits hervorgehoben haben, dass nämlich diese Geschichte dazu dienen soll, die Wege Gottes erkennen zu lassen. Die Weise, d. h. derjenige, dessen Herz von Gott belehrt ist, wird dieselben leicht verstehen. „Denn die Wege des HERRN sind gerade.“ Der Pfad, den Er bei seinem Tun verfolgt, geht stets in gerader Richtung vorwärts, mag seine Gnade auch noch so groß sein. Der Gerechte, der seitens der Kraft Gottes Unterstützung und Hilfe erfährt, kann auf demselben wandeln; für die Abtrünnigen aber wird gerade die Macht, die sich als gegenwärtig erweist, die Wirkung haben, dass sie darauf fallen.

Kein anderer Prophet stellt in der Tat das Tun Gottes, als ein Ganzes betrachtet, so vollständig dar wie Hosea.

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