Das Buch Esra
Botschafter des Heils in Christo 1913

Esra 4 – Die Arbeit wird unterbrochen

Bisher hatte das Volk sich in seinem Zeugnis treu gezeigt, und der HERR hatte ihm beigestanden und es ermuntert. Doch das passte dem Feind nicht. Er kann nicht ertragen, das Werk Gottes in dieser Welt gedeihen zu sehen. Er sucht es sogleich zu verderben. Um diesen Zweck zu erreichen, hat er mehr als ein Mittel. Gott kennzeichnet hier die Werkzeuge Satans durch das Wort: „die Feinde Judas“ (V. 1). Sie gehörten Völkern an, welche die Könige von Assyrien nach ihrer Unterwerfung in andere Gegenden wegzuführen pflegten. Der Politik Salmanesers folgend (2. Kön 17,3), hatte Esar-Haddon, der Sohn Sanheribs, die Stämme Israels, die er in Gefangenschaft führte, durch Völker aus ganz anderen Ländern ersetzt, die er in den Städten Samarias und in dem westlich vom Euphrat gelegenen Gebiet ansiedelte (V. 10). Das zweite Buch der Könige (2. Kön 17,33) berichtet uns von dem religiösen Zustand dieser Völker, dass sie ihre Götter beibehielten, während sie zugleich den Gott Israels anerkannten und so, nach dem biblischen Ausdruck, „sie fürchteten den HERRN, und dienten ihren Göttern nach der Weise der Nationen“.

Diese Vermengung, die nicht dem reinen Götzendienst gleichgestellt werden kann, lässt uns an das Gemisch denken, das sich heute Christenheit nennt, unter welcher Form sie sich auch zeigen mag. Von dem römischen Marien- und griechischen Bilderdienst an bis zu den feineren Formen der protestantischen Christenheit, wo die Anbetung des wahren Gottes mit der sittlichen Finsternis der Welt verbunden wird, und wo das Bekenntnis keinerlei Übereinstimmung mehr hat mit dem, was das Volk Gottes kennzeichnen soll.

Diese einer götzendienerischen Vermischung entsprossenen Leute bieten sich an, mit dem Volk zu bauen, aber welches Material vermochten sie zum Haus Gottes zu bringen? Unmöglich konnte ihre Arbeit von dem Volk angenommen werden, wenn dieses anders treu zu bleiben wünschte. Sie kommen heran und sagen: „Wir wollen mit euch bauen; denn wir suchen euren Gott wie ihr; und ihm opfern wir seit den Tagen Esar-Haddons, des Königs von Assyrien, der uns hierher heraufgeführt hat“ (V. 2). Hat das nicht Ähnlichkeit mit dem, was wir in unseren Tagen sehen? Und weiter: Sind die Kinder Gottes von heute ebenso treu wie der Überrest von damals? Verstehen sie, dass das Werk Gottes auf Seiten derjenigen, denen es anvertraut worden ist, keinerlei Vermengung mit der Welt ertragen kann? Nur denen, die ihr „Geschlechtsregister-Verzeichnis“ beibringen können, die also einen Teil des Israels Gottes ausmachen, kommt es zu, in dieser Welt etwas für den Herrn zu bauen. Hören wir, was der Überrest unverzüglich antwortet: „Es geziemt euch nicht, mit uns unserem Gott ein Haus zu bauen; sondern wir allein wollen dem HERRN, dem Gott Israels, bauen, wie der König Kores, der König von Persien, uns geboten hat“ (V. 3). Es war durchaus nicht geistlicher Stolz, der sie so reden ließ; denn sie erkennen ihre Abhängigkeit von dem König der Heiden als Folge ihrer Untreue an, aber sie haben verstanden, dass sie allein zu diesem Werk berufen sind – sie können sich in keiner Hinsicht mit dem religiösen Charakter der sie umgebenden Völker vereinigen. Mögen sie auch unter ihnen leben, ihren Obersten Ehre erweisen und ihrem König gehorchen, so ist ihnen doch jede Verbindung mit diesen Völkern untersagt; sie verabscheuen das religiöse Verderben und weisen es ab.

Wenn der Feind sich als Freund vorstellt, dann gilt es ganz besonders, wachsam und auf der Hut zu sein. Und siehe da, dieselben Leute offenbaren, nachdem sie zurückgewiesen sind, sehr schnell ihren wahren Charakter: „Da suchte das Volk des Landes die Hände des Volkes Juda schlaff zu machen und sie vom Bauen abzuschrecken. Und sie dingten Ratgeber gegen sie, um ihren Plan zu vereiteln, alle Tage Kores‘, des Königs von Persien, und bis zur Regierung Darius', des Königs von Persien“ (V. 4 und 5). Das Volk war fest geblieben und hatte den Listen und finsteren Machenschaften, den Merkmalen der alten Schlange, widerstanden. Aber es erschrickt, wenn der Feind als ein brüllender Löwe kommt; es vergisst ganz, dass er ein besiegter Feind ist, und dass er vor dem flieht, der ihm standhaft widersteht.

Der Hass der Feinde bleibt nicht dabei stehen, Israel zu erschrecken. Sie dingen Ankläger gegen das arme, unterdrückte Volk. Ihr Brief an Artasasta1 beweist es: „Dem König sei mitgeteilt, dass die Juden, die von dir heraufgezogen sind, zu uns nach Jerusalem gekommen sind; sie bauen die aufrührerische und böse Stadt wieder auf und vollenden die Mauern und bessern die Grundlagen aus. So sei nun dem König mitgeteilt, dass, wenn diese Stadt wieder aufgebaut wird und die Mauern vollendet werden, sie Steuer, Zoll und Wegegeld nicht mehr geben werden, und das wird schließlich die Könige benachteiligen. Weil wir nun das Salz des Palastes essen und es uns nicht geziemt, den Schaden des Königs mit anzusehen, deswegen senden wir und teilen es dem König mit, damit man im Buch der Denkwürdigkeiten deiner Väter nachsuche; und du wirst im Buch der Denkwürdigkeiten finden und wirst erkennen, dass diese Stadt eine aufrührerische Stadt gewesen ist und nachteilig den Königen und Ländern, und dass man von den Tagen der Vorzeit her Empörung darin gestiftet hat, weshalb diese Stadt zerstört worden ist. Wir teilen dem König mit, dass, wenn diese Stadt wieder aufgebaut wird und die Mauern vollendet werden, du deshalb diesseits des Stromes keinen Anteil mehr haben wirst“ (V. 12–16).

Beachten wir, dass sie nicht das Volk deshalb verklagen, weil es den Tempel wieder aufbaute; sie sagen kein einziges Wort von dem Tempel, sondern reden nur von der Stadt. Man entdeckt leicht ihre Absicht. Sie wollen die Sammlung des Überrestes verhindern, weil diese dem Feind jede Macht über das Volk Gottes nehmen würde: „Wenn diese Stadt wieder aufgebaut wird und die Mauern vollendet werden, wirst du deshalb diesseits des Stromes keinen Anteil mehr haben“. Blieb dagegen das Volk zerstreut, so würde es leicht die Beute seiner Gegner werden. Gerade so widersetzt sich Satan heute dem Sammeln der Kinder Gottes; und wenn es ihm nicht gelingt, die Schafe zu verderben, macht er sie uneins und raubt und zerstreut sie.

Die damaligen Gegner machen vor dem König politische Gründe geltend, um die Sammlung des Volkes zu verhindern. Es waren die einzigen, welche bei diesem arglistigen Monarchen und Thronräuber Gehör finden konnten. Er ließ feststellen, dass Jerusalem früher mächtige Könige gehabt habe, und dass nur neue Unruhe entstehen könne, wenn ihr Thron wieder errichtet würde, auch dass die Stadt sich immer gegen das fremde Joch aufgelehnt habe. Das genügte. Sobald die Gegner Israels die Ermächtigung erhalten hatten, die Arbeit zu verhindern, „gingen sie unverzüglich nach Jerusalem zu den Juden und wehrten ihnen mit Gewalt und Macht“ (V. 23).

So vereinigten sich hier vier feindliche Elemente, um das Werk Gottes zu verderben: List, Einschüchterung, Anklage und Gewalt. Der Glaube allein hätte ihnen Widerstand leisten können; aber er fehlte diesem Volk völlig, und so kam es, dass der Wiederaufbau des Hauses Gottes einen Stillstand von 15 Jahren erfuhr.

Fußnoten

  • 1 Die Geschichte nennt diesen Betrüger, der sich des Thrones bemächtigt hatte, den falschen Smerdis.
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