Der Brief an die Römer

3. Befreiung von der Sünde: Kapitel 6

Der Brief an die Römer

Der Apostel hat gezeigt, dass Christus das Haupt einer neuen Rasse ist. Durch die eine Handlung des Gehorsams Jesu rechtfertigt die Gnade Gottes Menschen, die zu seiner Familie gehören, und schenkt ihnen Leben. So herrscht die Gnade durch die Gerechtigkeit in einem Leben, das siegreich über die Sünde ist. Um diese Art von Leben führen zu können ist es notwendig, von der Herrschaft der Sünde befreit zu sein. Genau das ist das große Thema von Römer 6: die praktische Befreiung des Gläubigen von der Macht der Sünde. Sie wird für den Erlösten Wirklichkeit, wenn er praktisch „der Sünde tot“ ist (vgl. Röm 6,11).

Dieses Thema wird durch die Frage eingeführt: Soll der Gläubige auf seinem Lebensweg durch diese Welt weiter unter der Macht der Sünde leben? Der Apostel beantwortet diese Frage mit einem entschiedenen: „Nein!“ Er fügt weiter hinzu: „Sünde wird nicht über euch herrschen“ (Vers 14). Darüber hinaus beantwort er nicht nur diese Frage, sondern zeigt auch, wie der Gläubige von der Herrschaft der Sünde befreit wird.

Bevor wir uns den Einzelheiten dieses Kapitels zuwenden, ist es gut, darüber nachzudenken, was Sünde eigentlich ist. Und: Was bedeutet es eigentlich, mit dem Sündigen weiterzumachen bzw. weiter unter der Macht der Sünde zu stehen? Sünde wird im Wort Gottes als „Gesetzlosigkeit“ definiert (vgl. 1. Joh 3,4). Gesetzlosigkeit ist das böse Prinzip, den eigenen Willen unabhängig von Gott zu tun. Das heißt nichts anderes, als sich Gott nicht unterzuordnen. Durch einen Menschen, Adam, ist dieses böse Prinzip in die Welt gekommen. Dadurch ist ein System entstanden, das in der Bibel „Welt“ genannt wird. Dieses wird vollständig von Sünde bzw. dem Willen des Menschen dominiert.

Was dabei herauskommt, wenn der Mensch seinen eigenen Willen tut, haben wir in Römer 3,9–19 gefunden. Dadurch ist diese Welt von Elend und Leiden erfüllt worden. Zudem wurde der Mensch unter das Urteil des Todes und unter Gericht gebracht. Das, was für die Welt insgesamt wahr geworden ist, gilt in gleichem Maß für jeden einzelnen Menschen. Das Elend jedes einzelnen Lebens kommt daher, dass der Mensch seinen eigenen Willen in Unabhängigkeit vom Willen Gottes tut.

Von Adam weg, auf Christus schauen

Wenn wir von Adam wegsehen und zu Christus hinschauen, sehen wir einen gesegneten und vollkommenen Menschen, der in dieser Welt vollkommen frei von der Herrschaft der Sünde war. Er kam in eine Welt, die von der Sünde und dem Eigenwillen beherrscht wurde. Christus dagegen wurde von einem vollkommen gegenteiligen Prinzip regiert: dem Grundsatz des Gehorsams und der Unterordnung unter den Willen Gottes. Als Er in diese Welt kam, hatte Er den Willen Gottes vor seinem Herzen, denn Er konnte sagen: „Ich suche nicht meinen Willen, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat“ (Joh 5,30). „ich tue allezeit das ihm Wohlgefällige“ (Joh 8,29). Als Er am Ende seines Lebens aus dieser Welt hinausging, konnte Er ebenfalls sagen: „Nicht mein Wille, sondern der deine geschehe!“ (Lk 22,42). So sehen wir in Christus den Einen, der von Anfang seines Weges auf der Erde an bis zum Ende sein ganzes Leben für Gott lebte.

Wenn wir das Leben anschauen, das Christus offenbarte – das Leben, das für Gott gelebt wurde – können wir es in all seiner Schönheit und Vollkommenheit erkennen. Dieses Leben ist für den Gläubigen sehr anziehend. Die äußeren Wirkungen dieses Lebens werden uns in den Evangelien gezeigt, in denen wir den Herrn im Kontakt mit der Welt sehen, abgelehnt durch das Fleisch und den Teufel. Den inneren Segen dieses Lebens für Gott finden wir in Psalm 16, der den Weg des Lebens beschreibt. Dort sehen wir ein Leben, das ganz für Gott geführt wird – es spricht prophetisch von Christus. Wir lernen, dass es sich um ein Leben in Abhängigkeit von Gott und unter der Macht Gottes handelt, im Vertrauen auf die Liebe Gottes und in der Unterordnung unter den Willen Gottes (Verse 1.2). Es ist ein Leben in Demut, das sich an den Herrlichen der Erde erfreut (Vers 3). Dieses Leben wird in Absonderung vom Bösen (Vers 4) und in wahrer Befriedigung (Verse 5.6) geführt. Es kennt die Führung des Herrn (Vers 7), seine Hilfe (Vers 8) und wahre Freude (Verse 9–11). In diesem Leben muss kein einziger Schritt zurückgenommen werden. Es gibt keine Handlung, die bereut werden müsste. Da ist kein Gedanke, der gerichtet werden muss, auch kein Wort, das widerrufen werden müsste.

Wenn ein Erlöster so von der Schönheit und dem Segen dieses Lebens angezogen wird, wie es in Christus offenbar wurde, stellt sich die Frage: Wie kann der Gläubige von der Herrschaft der Sünde befreit werden, um sein Leben für Gott mit diesem neuen Leben zu führen, wie Christus es offenbarte? Die Antwort ist, kurz gesagt: Der Gläubige kann von der Macht der Sünde nur durch den Tod befreit werden, der dem Menschen unter Sünde gilt. Man kann nur dann ein Gott geweihtes neues Leben führen, wenn man sich allein auf die Hilfe Christi stützt, des lebenden und auferstandenen Menschen, welcher der Sünde gestorben ist und nun als Auferstandener Gott lebt. Am Anfang von Römer 7 wird das Bild der Ehe eingeführt, um diese Hilfe durch Christus deutlich zu machen.

Der Sünde gestorben (6,1.2)

„Was sollen wir nun sagen? Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme? Das sei ferne! Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch darin leben?“ (6,1.2).

Das Thema, der Sünde gestorben zu sein, wird durch die Aussage des Apostels Paulus am Ende von Römer 5 aufgeworfen. „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden“ (Vers 20). Dieser Gedanke führt einen fleischlichen Menschen sofort dazu, die törichte, wenn nicht böse, Frage zu stellen: „Sollten wir in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme?“ Der Apostel weist diesen unheiligen Vorschlag vollständig zurück. Er erlaubt dem Gläubigen nicht, in der Sünde zu verharren, wenn er in Übereinstimmung mit seiner Stellung leben möchte, in die Gott den Christen gesetzt hat.

Der Apostel wird im Verlauf dieses Kapitels zeigen, wie der Gläubige der Sünde tot sein kann. Zu Beginn geht er zunächst einmal davon aus, dass die einzig mögliche Haltung des Gläubigen im Blick auf die Sünde sein kann, dass er „der Sünde gestorben ist“. Da das so ist, fragt er: „Wir, die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch darin leben?“ Seine Frage bedeutet nicht, dass wir nicht in der Sünde leben sollten, sondern dass wir, die wir der Sünde gestorben sind, nicht in ihr leben können. Der Grundsatz, der dieser Behauptung zugrunde liegt, ist klar und selbsterklärend. Wir können einer Sache nicht sterben und zugleich in ihr leben.

Die Taufe – eine Illustration davon, der Sünde gestorben zu sein (6,3–5)

Nachdem der Apostel in den ersten beiden Versen das große Thema des Kapitels gezeigt hat – die Befreiung des Gläubigen von der Macht der Sünde dadurch, dass er der Sünde gestorben ist – illustriert er in den Versen 3 bis 5 anhand der Taufe die Stellung des Gläubigen, welcher der Sünde gestorben ist.

Die christliche Taufe

„Oder wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Christus Jesus getauft worden sind, auf seinen Tod getauft worden sind?“ (6,3).

Diejenigen von uns, die mit einer christlichen Taufe – das heißt auf Christus – getauft worden sind, wurden auf seinen Tod getauft. Wir sind im Bild der Taufe mit dem Tod Christi identifiziert worden, um hier auf der Erde an der Stellung teilhaben zu können, in die uns sein Tod in unserer Beziehung zur Sünde und der Welt stellt. Die Taufe ist ein Bild des Todes und Begräbnisses. Es ist klar, dass ein toter Mensch mit dem Leben des Eigenwillens, das er früher gelebt hat, zu Ende gekommen ist. Ein begrabener Mensch ist aus dem Blickfeld der Welt verschwunden, in der er früher sein Leben geführt hat.

Es ist jedoch eine Sache, aus dem Blickfeld der Welt zu verschwinden, und eine ganz andere, aus dem eigenen Blickfeld zu verschwinden. Denn das bedeutet, niemand anderes mehr zu sehen als Jesus allein. Die schwierigste Sache für einen Menschen ist, sich selbst nicht mehr zu sehen, das heißt, dass ich den Menschen nicht mehr sehe, der ich einmal war: einen Menschen, der nur für sich selbst lebte.

Als Christus hier auf der Erde war, gab es keine Gemeinsamkeit zwischen seinem Leben und dem Leben der Welt. Er führte sein Leben vollständig im Gehorsam dem Willen seines Vaters gegenüber: in Selbstverleugnung, um anderen in Liebe zu dienen. Das Leben der Welt ist eines im Eigenwillen und in Selbsterhöhung. Durch seinen Tod hat Christus das Leben hingegeben, mit dem – in uns - die Sünde verbunden war. Durch sein Begräbnis ist Er aus dem Blickfeld der Welt verschwunden.

Durch die Taufe auf seinen Tod bezeugen wir, dass wir mit dem Leben des alten Menschen abgeschlossen haben, mit dem die Sünde verbunden war. Durch das Begräbnis bekennen wir, dass wir aus dem Blickfeld der Welt, die durch die Sünde beherrscht wird, verschwunden sind.

Neuheit des Lebens

„So sind wir nun mit ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod, damit, so wie Christus aus den Toten auferweckt worden ist durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in Neuheit des Lebens wandeln“ (6,4).

Das ist allerdings nur ein Mittel zum Zweck. Denn die Befreiung von einem Leben im Eigenwillen wird uns geschenkt, damit wir ein Leben des Gehorsams für Gott führen. Denn wir sollen in Neuheit des Lebens unseren Lebenswandel führen zur Verherrlichung des Vaters. Dieses Leben finden wir im auferstandenen Christus wieder. Christus ist dieser Welt gestorben und dann durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt worden. „Herrlichkeit“ offenbart, was eine Person ist. Die Herrlichkeit des Vaters offenbart alles das, was der Vater ist. Der Herr Jesus hat in seinem Leben und am Kreuz den Vater in all seiner Liebe, Heiligkeit, Gerechtigkeit und Macht vollkommen gezeigt. Nachdem der Mensch Jesus die Herrlichkeit des Vaters aufrechterhalten hat, wurde es geradezu eine Pflicht der Herrlichkeit des Vaters, Christus aus den Toten aufzuerwecken. Alles, was der Vater ist, verlangte, dass der Eine, der seine Herrlichkeit offenbart hatte, aus den Toten auferweckt wurde.

Die Auferweckung Jesu aus den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters drückt die große Wahrheit aus, dass Christus aus den Toten mit einem solchen Leben hervorkommt, das vollkommen passend ist im Blick auf alles, was der Vater in sich selbst ist. Im auferstandenen Christus sehen wir einen Menschen, der mit einem Leben für Gott lebt, das zur unendlichen Freude des Herzens des Vaters ist. Wenn nun gesagt wird, dass dieses neue Leben im auferstandenen Christus offenbart wird, kann die Frage aufkommen: Lebte Christus nicht immer für Gott? Die Antwort lautet: Unbedingt! Er persönlich tat das, wie wir im Blick auf Psalm 16 gesehen haben. Er lebte sein ganzes Leben auf dieser Erde in vollkommener Weise für Gott. Auch als Auferstandener lebt Er ebenfalls vollkommen für Gott.

Es gibt allerdings diesen Unterschied, dass Er als Auferstandener Gott lebt als jemand, welcher der Sünde gestorben ist. Dadurch können wir, die wir durch seinen Tod erlöst worden sind, ebenso für Gott leben. Als Auferstandener lebt Er Gott in einer Stellung, die der Gläubige mit Ihm teilen kann.

Das Muster des neuen Lebens

„Denn wenn wir mit ihm einsgemacht worden sind in der Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch in der seiner Auferstehung sein“ (6,5).

Unser neues Leben hier auf der Erde führen wir nach dem Muster des Lebens des auferstandenen Christus. Wenn wir mit Christus in der Gleichheit seines Todes identifiziert worden sind, werden wir in gleicher Weise in seiner Auferstehung mit Ihm einsgemacht. Wir sind mit seinem Tod einsgemacht, um all dem zu sterben, dem Er gestorben ist. Wir sind aber auch mit seinem Auferstehungsleben identifiziert, um zur Freude Gottes zu leben.

Der Apostel sagt nicht, dass wir gegenwärtig tatsächlich in der Gleichheit seiner Auferstehung leben. Aber wir „werden es“ tun. Die volle Gleichheit seiner Auferstehung setzt voraus, dass wir einen Körper der Herrlichkeit besitzen, der seinem Leib der Herrlichkeit entspricht. Bevor wir jedoch diesen neuen Körper geschenkt bekommen, haben wir bereits sein neues Leben, das sich in einem neuen Lebenswandel ausdrückt. Diese „Neuheit“ des Lebens wird in einem Lebenswandel sichtbar, der für diese Welt vollkommen neuartig ist: Es ist ein Lebenswandel in Gehorsam und Unterordnung unter den Willen Gottes.

Mit Christus gestorben (6,6–10)

„... da wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“ (6,6).

Der Apostel hat die christliche Taufe als eine Illustration der Wahrheit angeführt, dass wir mit Christus gestorben sind. Nun kommt er zur großen grundlegenden Tatsache, von der die Taufe nur ein Symbol ist. Er sagt: „Unser alter Mensch ist mitgekreuzigt worden.“ Das ist eine Tatsache, die der Glaube aufgrund der Autorität des Wortes Gottes so annimmt. Daher kann der Apostel davon sprechen, dass wir dieses „wissen“. Es ist also eine Tatsache, die der Gläubige durch den Glauben weiß.

Der alte Mensch

Der normale Gebrauch von Worten mag uns dabei helfen, was mit dem Ausdruck „unser alter Mensch“ gemeint ist. Wir sprechen vom „weißen Menschen“ und „schwarzen Menschen“. Wenn wir solche Ausdrücke verwenden, beziehen wir uns nicht auf irgendeinen ganz speziellen Menschen. Wir beziehen uns auf eine Rasse von Menschen mit bestimmten, charakteristischen Merkmalen. Da wir sehen, dass alle, die zu dieser Rasse gehören, bestimmte gleichartige Merkmale tragen, kann die Rasse durch einen individuellen Ausdruck beschrieben werden. So bezieht sich der Ausdruck „alter Mensch“ nicht auf einen einzelnen Menschen, sondern beschreibt eine Ordnung von Menschen mit bestimmten Merkmalen. Diese Ordnung von Mensch ist, wie wir wissen, die Rasse des gefallenen Adam. Das herausragende Merkmal dieser Rasse ist der Eigenwille. „Unser alter Mensch“ ist dann ein Ausdruck, der alles das beschreibt, was wir moralisch als gefallene Menschen waren, die ein Leben des Eigenwillens geführt haben. Wenn wir also von „unserem alten Menschen“ sprechen, erkennen wir an, dass der alte Mensch „unser“ früheres Ich bzw. Leben war.

Dieser Mensch, der ein Leben des Eigenwillens führt und sich nicht um Gott kümmert, kann Gott nicht gefallen. Um uns vom hoffnungslosen Charakter dieses Menschen zu überzeugen, hat Gott den „alten Menschen“ vollständig geprüft und jedem möglichen Test ausgesetzt. Er ist ohne Gesetz, unter Gesetz, unter Zuhilfenahme der Priesterschaft, unter der Königsherrschaft und schließlich in der Gegenwart Christi in Gnade geprüft worden. Bei jedem Test hat der Mensch versagt und bewiesen, dass der alte Mensch vollkommen böse ist. Zudem hat sich gezeigt, dass alle Hoffnung auf Verbesserung oder Reformierung des „alten Menschen“ nutzlos ist. Gott hat nur einen Weg, um mit einem Menschen zu handeln, der bewiesen hat, dass er unverbesserlich schlecht ist: Das ist das Ende des Lebens des Menschen, indem das Urteil des Todes an ihm vollzogen wird. Sünden können vergeben werden. Aber für eine böse Natur kann es keine Vergebung geben. Sie kann nur verurteilt und beseitigt werden.

Von dem Augenblick an, als Sünde in die Welt gekommen ist, hat Gott das Urteil des Todes über den Menschen, der unter Sünde war, ausgesprochen. Für den Gläubigen ist dieses Gericht am Kreuz ausgeführt worden. So können wir sagen: „Unser alter Mensch ist mitgekreuzigt worden“ mit Christus. Am Kreuz hat Gott mit dem alten Menschen entsprechend dessen Verdiensten gehandelt, und auch in Übereinstimmung mit Gottes eigenen, gerechten Ansprüchen. Am Kreuz stand Christus stellvertretend für „unseren alten Menschen“ vor Gott, so dass wir, als Er gekreuzigt worden ist, mit Ihm gekreuzigt worden sind. Christus hat nicht nur unsere Sünden getragen, sondern Er wurde zur Sünde selbst gemacht. Er wurde zu dem gemacht, was wir sind. So kam unser alter Mensch vor Gott, und in Gottes Augen wurde er in dem Gericht des Todes beseitigt. Daraus wird klar, dass es in diesem Teil des Briefes nicht mehr um die Frage des Todes Christi für uns, sondern um unseren Tod mit Christus geht.

Nicht mehr der Sünde dienen

Darüber hinaus erfüllt unser Sterben mit Christus nicht nur die heiligen Anforderungen Gottes, sondern dieser hat zudem unseren praktischen Lebenswandel im Blick. Wir sind mit Christus gestorben, „damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“. Hier bezieht sich der Ausdruck „Leib der Sünde“ auf die Sünde insgesamt, im Gegensatz zu irgendeiner besonderen Äußerung der Sünde. Wir neigen dazu, an Sünde in Verbindung mit einem konkreten Versagen zu denken, für das wir besonders verantwortlich sind und im Blick worauf in unserem Fall die Herrschaft der Sünde besonders spürbar ist.

Wahrscheinlich wären wir sehr zufrieden, wenn wir von der Herrschaft der Sünde in dieser speziellen Form befreit wären. Gott wollte uns dagegen von der Herrschaft der Sünde insgesamt befreien, nicht nur teilweise. Diese Freiheit konnte nur dadurch bewirkt werden, dass unser alter Mensch, der unter der Macht der Sünde stand, mit Christus gekreuzigt wurde. Sünde gibt es tatsächlich immer noch. Aber sie kann keine Macht mehr über eine Leiche haben. Denn der Tod macht die Macht der Sünde zunichte. Das praktische Ziel besteht darin, dass wir als solche, die der Sünde gestorben sind, ihr dann auch nicht mehr dienen.

Von der Sünde freigesprochen

„Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde“ (6,7).

Wir sind durch den Tod davon freigemacht worden, Diener der Sünde zu sein. Es ist klar, dass derjenige, der gestorben ist, von der Sünde gerechtfertigt, das heißt freigesprochen wurde. Ein toter Mensch hat nicht länger einen aktiven eigenen Willen. Er kann nicht länger wegen seines eigenen Willens angeklagt werden.

„Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden“ (6,8).

Das aber ist noch nicht alles. Der Tod ist für den Gläubigen der Weg in das Leben. So fährt der Apostel Paulus fort, nachdem er von dem Tod gesprochen hat, und spricht vom Leben. Er sagt: „Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.“ In Vers 9 spricht er von Christus, der aus den Toten auferweckt worden ist, und in Vers 10 sagt er, dass was Christus „lebt, er Gott lebt“. Offensichtlich ist Leben das Thema dieser Verse.

Der Apostel schaut in die Zukunft und stellt uns die Fülle und Herrlichkeit der Ergebnisse vor für denjenigen, der mit Christus gestorben ist. „Wenn wir aber mit Christus gestorben sind“, sagt er, „so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden.“ Wer kann den Segen erfassen, der in diesen Worten liegt: „leben mit ihm“. Wir kennen die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, dass Er arm wurde und mit uns lebte, voller Gnade und Wahrheit. Das aber war nur das Mittel zum Zweck. Das herrliche Ziel ist, dass wir mit Ihm leben.

Leben, wo und wie Christus lebt

„... da wir wissen, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; der Tod herrscht nicht mehr über ihn“ (6,9).

Auch das ist noch nicht alles. Wir werden nicht nur mit Ihm leben, sondern wir werden leben, wo Er lebt in der Auferstehungssphäre. Das ist ein Bereich, über den der Tod keine Herrschaft mehr besitzt.

„Denn was er gestorben ist, ist er ein für alle Mal der Sünde gestorben; was er aber lebt, lebt er Gott“ (6,10).

Darüber hinaus werden wir nicht nur „mit ihm leben“ und dort leben, wo Er lebt, sondern wir werden leben, wie Er lebt. Vers 10 zeigt uns, wie Er lebt. Nachdem Er der Sünde gestorben ist, „lebt er Gott“. Die Auferstehungssphäre ist eine Szene, in der Gott alles und in allem ist. Gott ist „alles“ als der Eine, der alles erfüllt. Gott ist alles als die Quelle und der Ursprung jedes Gedenken und jeder Zuneigung, die zu Gott in Anbetung und Bewunderung ausgeht. Genau das bedeutet es, Gott zu leben. Es ist wahr, dass Christus als Person schon immer Gott auf seinem Weg durch diese Welt lebte. Aber während Er hier auf der Erde war, musste Er sich ständig mit der Sünde beschäftigen und schließlich für die Sünde am Kreuz sterben. In der Auferstehungssphäre hat Er mit Sünde nichts mehr zu tun.

Wie gesegnet ist der Blick des Lebens – wahren Lebens – der uns in diesen Versen geschenkt wird:

  • mit Christus zu leben – mit dem Einen, der uns liebt.
  • zu leben, wo Er lebt – in der ewigen Heimat des Lebens.
  • zu leben, wie Er lebt – ganz zur Freude Gottes.

Sich der Sünde für tot zu halten (6,11)

„So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus“ (6,11).

Der Blick auf den Segen, der uns durch den Tod Christi ermöglicht worden ist, soll eine sehr praktische Wirkung für unser gegenwärtiges Leben haben.. Der Glaube schaut zurück und weiß, was auf dem Kreuz vollbracht worden ist (Vers 6). Der Glaube schaut nach vorne und weiß, was das Ergebnis des Kreuzes in der Herrlichkeit sein wird (Verse 8–10). In der Zwischenzeit leben wir auf der Erde, sozusagen zwischen Kreuz und Herrlichkeit. Hier hält sich der Christ dafür, dem Grundsatz der Gesetzlosigkeit gegenüber tot zu sein.

Wir wissen, dass unser alter Mensch mit Christus gekreuzigt worden ist und dass Christus aus den Toten auferweckt wurde, um Gott zu leben. Daher sollen wir uns selbst dafür halten, der Sünde tot zu sein, Gott aber lebend in Christus Jesus. Wir sehen uns selbst als tot an im Blick auf das Vollbringen unseres eigenen Willens, der die Welt um uns herum regiert, aber auch in uns noch praktischerweise vorhanden ist. Und wir halten uns selbst dafür zu leben, um den Willen Gottes zu tun, indem wir mit Christus vor Gott verbunden sind.

Wären wir tatsächlich tot, gäbe es keine Notwendigkeit, sich im Blick auf die Sünde für tot zu halten. Wären wir tatsächlich schon in der Herrlichkeit, gäbe es keine Notwendigkeit, uns selbst dafür zu halten, Gott zu leben. Wir müssen uns deshalb praktischerweise so verhalten, weil wir noch in der Welt sind, die unter der Macht der Sünde steht. Und weil wir uns noch nicht in der Szene befinden, die dem Machtbereich der Sünde entkommen ist, sollen wir uns dafür halten, der Sünde tot zu sein, Gott aber lebend in Christus Jesus.

Das Beispiel Mephiboseths

Der Bericht über Mephiboseth ist dafür benutzt worden, die Stellung der Gläubigen in der Welt aufzuzeigen, die Christus verworfen hat. Wahrscheinlich ist Mephiboseth die beste Illustration für diese praktische Haltung, die wir in der Schrift finden. Denn sie macht nicht nur die Bedeutung dieser Haltung deutlich, sondern zeigt auch die Kraft, die für diese praktische Gesinnung nötig ist.

David hatte Mephiboseth um Jonathans Willen die Güte Gottes erwiesen. Das ist ein Bild der Gnade Gottes, die uns um Christi willen geschenkt worden ist (2. Sam 9). Dann kam in der Geschichte des Königs David ein Zeitpunkt, an dem er selbst durch Jerusalem verworfen wurde (2. Sam 1518). Während dieser Zeit musste David Jerusalem verlassen und an einen Platz fliehen, der weiter entfernt war (2. Sam 15,17). Mephiboseth, der vom König Gnade erwiesen bekommen hatte, wurde in der Stadt zurückgelassen, die gegen den König rebellierte. Sein Herz gehörte dem König und sympathisierte daher nicht mit den Feinden des Königs in seiner Nähe, die sich in Auflehnung gegen den König befanden.

Wie würde Mephiboseth unter solchen Umständen handeln? In 2. Samuel 19,25 lesen wir, dass er sich „von dem Tag an, als der König weggegangen war, bis zu dem Tag, als er in Frieden einzog“, „seine Füße nicht gereinigt und seinen Bart nicht gemacht und seine Kleider nicht gewaschen“ hatte. Während der Zeit der Abwesenheit des Königs handelte er in einer Weise, die zeigte, dass er sich selbst dafür hielt, tot im Blick auf die ihn umringende Szene zu sein.

Beratungen wurden abgehalten, eine Armee wurde herbeigerufen, Offiziere wurden benannt: Aber an allen diesen Dingen hatte Mephiboseth keinen Anteil. Er hielt sich dafür, tot für das alles zu sein, denn er sagte: „Das ganze Haus meines Vaters war nichts anderes als Männer des Todes“ (Vers 29). Weiter spricht er von sich als lebend für David, denn er fügt hinzu: „Und doch hast du deinen Knecht unter die gesetzt, die an deinem Tisch essen.“ In Verbindung mit dem Haus seines Vaters sieht er den Tod als Macht über sich, aber verbunden mit David war er freigesprochen zum Leben an dem Tisch Davids.

In der Macht der Liebe für David und in dem Bewusstsein, dass sein Leben direkt mit David verbunden war, handelte er in einer Weise, die zeigte, dass er sich der Szene um ihn herum für tot hielt. Wäre er wirklich tot gewesen oder andererseits wirklich bei David gewesen, hätte es keine Notwendigkeit oder überhaupt Möglichkeit gegeben, in der Weise zu handeln, wie er es tat.

So ist es auch im Blick auf den Gläubigen. In der Kraft des Lebens halten wir uns dafür, dieser Welt tot zu sein, die von der Sünde regiert wird.

Das praktische Ergebnis, sich der Sünde für tot zu halten (6,12–23)

„Also herrsche nicht die Sünde in eurem sterblichen Leib, um seinen Begierden zu gehorchen“ (6,12).

In dem verbleibenden Teil des Kapitels behandelt Paulus die praktischen Resultate der Haltung, der Sünde tot zu sein. Zuerst befreit uns diese Haltung in unserem praktischen Leben von der Herrschaft der Sünde. Das bedeutet, dass der Erlöste den Begierden, die mit dem sterblichen Körper verbunden sind, nicht mehr gehorcht.

Drei Dinge betrachtet Paulus in diesem Vers: das böse Prinzip der Sünde bzw. den Eigenwillen, den sterblichen Körper und die Begierden des Körpers. Sünde ist das feste Vorhaben, den eigenen Willen zur Befriedigung der Begierden auszuführen. Der Leib ist das Instrument für diese Befriedigung der Begierden. Da wir noch diese sterblichen Körper an uns tragen und das Prinzip der Sünde in uns ist, sind wir dazu in der Lage, uns selbst zu befriedigen. Aber wenn wir uns dafür halten, der Sünde tot zu sein, Gott aber lebend in Christus Jesus, werden unsere sterblichen Körper praktischerweise befreit von der Herrschaft der Sünde. Diese Herrschaft der Sünde über unsere Körper findet damit ein Ende.

„... stellt auch nicht eure Glieder der Sünde dar zu Werkzeugen der Ungerechtigkeit, sondern stellt euch selbst Gott dar als Lebende aus den Toten und eure Glieder Gott zu Werkzeugen der Gerechtigkeit“ (6,13).

Ein zweites Ergebnis dieser Haltung der Sünde gegenüber ist, dass wir, nachdem wir von der Macht der Sünde befreit worden sind, mit den Gliedern des Leibes nicht mehr der Sünde sondern Gott dienen. Wenn diese verschiedenen Glieder durch den Eigenwillen regiert werden, bedeutet das, dass sie zu Instrumenten des Werkes der Ungerechtigkeit werden. Wenn wir aber von der Herrschaft der Sünde befreit sind, werden wir uns – Geist, Seele und Leib – und unsere Glieder im Einzelnen Gott zur Verfügung stellen.

„Behüte dein Herz mehr als alles, was zu bewahren ist“, sagt der weise Mann in Sprüche 4,23–27. „Tu von dir die Verkehrtheit des Mundes, und die Verdrehtheit der Lippen entferne von dir. Lass deine Augen geradeaus blicken … Ebne die Bahn deines Fußes.“ Was ist dies anderes als die alttestamentliche Art, die neutestamentliche Ermahnung auszudrücken, sich selbst Gott als Lebende aus den Toten darzustellen, und die Glieder als Werkzeuge der Gerechtigkeit?

Wir sollten uns selbst fragen, was wir unseren Herzen erlauben. Denken wir Böses gegen unseren Bruder? Wie sieht es mit unseren Lippen aus: Nutzen wir diese, um Böses über andere auszusprechen? Was ist mit unseren Augen: Nutzen wir sie, um auf Szenen zu schauen, die unsere Begierden anstacheln und das Fleisch erregen? Was ist mit unseren Füßen: Erlauben wir ihnen, uns an Plätze zu führen, an denen sich kein Christ befinden sollte? Wenn diese oder andere Glieder unseres Leibes für solche Zwecke benutzt werden, werden sie für die Ungerechtigkeit benutzt, die unter der Macht der Sünde tätig ist – oder für den Eigenwillen, anstatt sie für Gerechtigkeit und zur Freude Gottes zu verwenden.

Sich der Sünde für tot zu halten führt unter die bewahrende Kraft der Gnade

„Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (6,14).

Ein drittes Ergebnis der Haltung, der Sünde tot zu sein, besteht darin, dass wir unter die bewahrende Kraft der Gnade kommen. Dieses Gott-zur-Verfügung-Stellen ist kein Ergebnis davon, unter einem Gesetz zu stehen, das uns Forderungen auferlegt. Es ist die Folge davon, unter der Gnade zu stehen, die nicht nur Segen über uns bringt, sondern uns auch erhält und in die Lage versetzt zu überwinden. Wir werden durch die Gnade Gottes bewahrt.

Ein viertes Ergebnis ist, dass wir zu Dienern praktischer Gerechtigkeit werden (6,15–23).

  1. Wenn wir uns dafür halten, der Sünde tot zu sein, werden wir von der Macht der Sünde befreit.
  2. Befreit von der Macht der Sünde können wir uns und unsere Glieder Gott darstellen.
  3. Wenn wir uns Gott zur Verfügung stellen, kommen wir unter die erhaltende Gnade Gottes.
  4. Unter der bewahrenden Gnade Gottes bringen wir praktische Gerechtigkeit hervor.

„Was nun, sollten wir sündigen, weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind? Das sei ferne“ (6,15).

Diese weitere Wahrheit praktischer Gerechtigkeit wird durch die Frage eingeführt: „Sollen wir sündigen, weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind?“ Der Apostel nimmt somit die Überlegungen des Fleisches vorweg, das immer bereit steht, die Güte Gottes zu missbrauchen und das Wort Gottes zu verdrehen. Wenn Gott sagt: „Wo aber die Sünde überströmend geworden ist, ist die Gnade noch überreichlicher geworden“, sagt das Fleisch sofort: „Lass uns in der Sünde verharren, damit die Gnade überströme“ (Kapitel 5,20; 6,1). Wenn Gott sagt: „Ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“, antwortet das Fleisch sofort: Dann sind wir frei, das zu tun, was wir wollen.

„Wisst ihr nicht, dass, wem ihr euch darstellt als Sklaven zum Gehorsam, ihr dessen Sklaven seid, dem ihr gehorcht: entweder der Sünde zum Tod oder des Gehorsams zur Gerechtigkeit?“ (6,16).

Der Apostel weist diesen fleischlichen Vorschlag vollständig zurück. Er beweist, dass die Frage nur eine völlige Unwissenheit der furchtbaren Ergebnisse offenbart, sich der Sünde hinzugeben. „Wisst ihr nicht, dass wem ihr euch darstellt als Sklaven zum Gehorsam, ihr dessen Sklaven seid?“ Wer sich der Sünde hingibt, wird zu einem Sklaven der Sünde. Jede neue Nachgiebigkeit der Sünde gegenüber fügt nur ein weiteres Glied in der Kette an, die uns in der Sklaverei der Sünde hält. Das ist eine sehr ernste Erwägung, sei es für einen Sünder, der in Sünde lebt, oder für einen Erlösten, der sich dazu hinreißen lässt, die Sünde als eine Kleinigkeit zu betrachten.

Wenn wir uns der Sünde oder dem Eigenwillen hingeben, führt das den Tod in seiner Folge mit sich. Das ist die Trennung der Seele von Gott. Wenn wir uns jedoch dem Gehorsam der Belehrung im Blick auf unser Gestorbensein mit Christus hingeben, führt das zu praktischer Gerechtigkeit.

Gehorsam dem Bild der Lehre

„Gott aber sei Dank, dass ihr Sklaven der Sünde wart, aber von Herzen gehorsam geworden seid dem Bild der Lehre, dem ihr übergeben worden seid!“ (6,17).

Paulus konnte Gott dafür danken, dass die Gläubigen in Rom, die früher Sklaven der Sünde waren, von Herzen dem Bild der Lehre gehorsam geworden waren, das ihnen gegeben worden war. Er spricht nicht einfach von der Lehre, sondern von dem Bild der Lehre. Dabei bezieht sich der Apostel offensichtlich auf die Taufe, von der er schon am Anfang des Kapitels gesprochen hatte. Sie hatten die große Wahrheit oder Lehre geglaubt, dass der alte Mensch mit Christus gekreuzigt worden ist. Sie hatten sich dem Bild dieser Lehre übergeben, indem sie auf den Tod Christi getauft wurden. So nahmen sie einen Platz der Trennung von der Sünde und der Welt ein. In diese Stellung bringt der Tod den Gläubigen hier auf der Erde. In ihrer täglichen Praxis hatten die Gläubigen in Rom die Haltung verwirklicht, der Sünde tot zu sein, Gott aber lebend in Christus Jesus.

Bei diesen Gläubigen gab es nicht einfach eine gedankliche Zustimmung zu bestimmten Wahrheiten, für die es kein persönliches Interesse gab. Es handelte sich um einen Herzensgehorsam, durch den die Gläubigen die Notwendigkeit der praktischen Verwirklichung dieser Wahrheiten gelernt und sie zu einem persönlichen Anliegen gemacht hatten.

„Freigemacht aber von der Sünde, seid ihr Sklaven der Gerechtigkeit geworden“ (6,18).

Nachdem die Gläubigen die Freiheit von der Sünde erlangt hatten, waren sie zu Sklaven der Gerechtigkeit geworden.

Sklaven der Gerechtigkeit

„Ich rede menschlich, wegen der Schwachheit eures Fleisches. Denn ebenso wie ihr eure Glieder dargestellt habt als Sklaven der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit zur Gesetzlosigkeit, so stellt jetzt eure Glieder dar als Sklaven der Gerechtigkeit zur Heiligkeit“ (6,19).

Dieser Ausdruck „Sklaven der Gerechtigkeit“ mag von manchen jedoch verstanden werden als ein bitteres Joch mit dem Verlust jeder Freiheit. Der Apostel erklärt daher sorgfältig, dass er einfach nach Menschenweise redet. Der Gerechtigkeit zu dienen ist keine elende Sklaverei, sondern freudige Freiheit. Dennoch erschwert es uns die Schwachheit des Fleisches, die Wahrheit richtig zu erfassen. Daher benutzt Paulus den Ausdruck „Sklaven der Gerechtigkeit“, um das herrliche Ergebnis, unter dem Einfluss praktischer Gerechtigkeit zu sein, der schrecklichen Knechtschaft gegenüberzustellen, welche die Sünde über ihre Sklaven besitzt.

Die Glieder des Leibes der Sünde zur Verfügung zu stellen bedeutet praktischerweise, zu Sklaven der Unreinheit zu werden. Dadurch entwickelt man einen Charakter von Gesetzlosigkeit, der in dieser fortschreitet. Das führt von Gesetzlosigkeit zu weiterer Gesetzlosigkeit. Im Gegensatz dazu handeln wir, wenn wir unsere Glieder dem Dienst praktischer Gerechtigkeit weihen. Denn dann werden wir einen Charakter und einen Zustand von Heiligkeit entwickeln.

An dieser Stelle spricht der Apostel zum ersten Mal in diesem Brief von Heiligkeit. Wenn man seine Glieder als Diener der Gerechtigkeit verwendet, führt das nicht nur zu Gerechtigkeit, sondern auch zu Heiligkeit. Gerechtigkeit spricht hier mehr von äußerlich rechten Handlungen in Verbindung mit anderen Menschen. Heiligkeit bezieht sich mehr auf die neue Natur und daher auf das, was innerlich ist. Dadurch erreichen wir ein weiteres Ergebnis im Blick auf die Haltung, der Sünde tot zu sein. Sie führt zu der Entfaltung der neuen Natur, die in ihren Gedanken heiligt und uns so vom Geist der Welt um uns herum trennt. Die neue Natur handelt nicht nur in Gerechtigkeit, sie hasst auch die Ungerechtigkeit.

Sklaven der Sünde oder Sklaven Gottes

„Denn als ihr Sklaven der Sünde wart, da wart ihr Freie von der Gerechtigkeit. Welche Frucht hattet ihr denn damals von den Dingen, über die ihr euch jetzt schämt? Denn ihr Ende ist der Tod. Jetzt aber, von der Sünde freigemacht und Gott zu Sklaven geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligkeit, als das Ende aber ewiges Leben. Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ (6,20–23).

Der Apostel schließt seine Einleitung zu diesem Thema ab, indem er den Gegensatz zwischen dem alten Zustand der Erlösten als Sklaven der Sünde und ihrem gegenwärtigen Teil als Sklaven Gottes deutlich macht. Als die Gläubigen aus Rom Sklaven der Sünde waren, folgten sie ihrem eigenen Willen, ohne irgendeinen Gedanken an die Ansprüche der Gerechtigkeit zu verschwenden. Dieses Verhalten brachte keine bleibende und gute Frucht hervor, sondern nur Beschämung, und letztlich den Tod. So handelte es sich um ein fruchtloses Vergeuden des Lebens und der Werkzeuge des Leibes. Man handelte im Eigenwillen, der die Menschen mit Beschämung bedeckte und in den Tod mündete.

Nachdem die Gläubigen nun jedoch von der Sünde freigemacht worden und Sklaven Gottes geworden sind, bringen sie die praktische Frucht der Gerechtigkeit hervor, die zur Heiligkeit führt. Man kann auch sagen, dass das Ergebnis dieser Befreiung ein Herzenszustand ist, in dem das Böse gehasst, Gott dagegen gekannt und genossen wird.

Für Gott zu leben führt gegenwärtig zur Frucht der Gerechtigkeit und Heiligkeit, zukünftig zum Genuss des ewigen Lebens in seiner ganzen Fülle in der Herrlichkeit. Dort kann weder die Macht der Sünde gefühlt werden, noch kann dort Sünde überhaupt eindringen.

Hier wird uns das ewige Leben als das Ziel eines Lebens vorgestellt, das mit Gott in der gegenwärtigen Welt geführt wird. Aber auch in diesem Sinn wird es nicht durch die Hingabe des Lebens eines Gläubigen hier auf der Erde sichergestellt. Es ist die Gabe Gottes in Jesus Christus, unserem Herrn. Der Lohn für Sünde ist der Tod, aber Gott schenkt seine Gaben. So wird die Gnade Gottes, die den Segen schenkt, aufrechterhalten. Wir werden ermutigt, ein Leben zu führen, das Gott gefällt, während der gesetzliche Gedanke, ewiges Leben als eine Belohnung für Dienst zu erhalten, ausgeschlossen wird.

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