Der erste Brief an die Korinther

Kapitel 14

Der erste Brief an die Korinther

In Kapitel 14 wird die Ordnung Gottes für die Ausübung der Gaben in der Versammlung entfaltet. Wie wir gelernt haben, sind die Gaben durch den Heiligen Geist einem jeden mit zum Nutzen ausgeteilt worden (Kap 12,7). Es ist jedoch nicht genug, eine Gabe empfangen zu haben; soll diese Gabe auch für andere zum Nutzen sein, dann muss auch ihr Gebrauch göttlich geregelt sein. In diesem Kapitel nun wird die Versammlung betrachtet, wie sie an einem Ort zusammenkommt (Verse 23, 26, 28, 33, 34+35), und wir werden unterwiesen, wie die Gaben bei solchen Gelegenheiten entsprechend der Ordnung Gottes ausgeübt werden sollen.

Die Ordnung Gottes kann auf zwei verschiedene Arten beiseite gesetzt werden: einerseits durch das Gewährenlassen einer menschlichen Unordnung, und andererseits durch das Annehmen einer menschlichen Ordnung. Die Gläubigen in Korinth hatten offensichtlich die Ordnung Gottes durch das Dulden schlimmster Unordnung außer Acht gelassen. Es gab dort sogar Trunkenheit bei dem Mahl des Herrn. Außerdem scheint es so gewesen zu sein, dass die durch den Heiligen Geist verliehenen 'Zeichen-Gaben' ohne jede Abhängigkeit von dem Herrn ausgeübt wurden - sie waren nur noch dazu gebraucht worden, damit sich die Gläubigen durch diese Gaben selbst erhöhten und mit ihnen ihrer Eitelkeit dienten.

In der heutigen Christenheit mag man solche groben und empörenden Verletzungen dem allgemein üblichen Anstand gegenüber, wie sie sich in Korinth entfalteten, nur selten sehen. Und trotzdem sehen wir ringsumher Versammlungen bekennender Christen, die Grundsätze übernommen haben, die in völligem Gegensatz zu den klaren Anweisungen des Wortes Gottes stehen. Wir haben es in der heutigen Christenheit nicht so sehr mit menschlicher Unordnung zu tun - wie in Korinth -, sondern mehr damit, dass menschliche Ordnungen die Ordnung Gottes außer Acht lassen. Menschliche Ordnungen sind genauso schlimm, vielleicht sogar noch gravierender als menschliche Unordnung; denn ein ungeheuerlicher Zustand wird sogar bei einem natürlichen Gewissen Anstoß erregen und nach Zurechtweisung rufen, während menschliche Ordnungen das Gewissen beruhigen mögen und zugelassen werden, ohne dass das damit verbundene Böse aufgedeckt wird.

Damit uns das Ernste und Bedenkliche dieser Art des Bösen recht bewusst wird, müssen wir daran denken, dass die großen, kennzeichnenden Wahrheiten dieser Haushaltung schon sehr früh in der Geschichte der Kirche von der bekennenden Masse aufgegeben worden sind. Die Anwesenheit Christi in der Herrlichkeit als Haupt Seiner Versammlung, die Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde, und die Bildung und Berufung der Versammlung sind große Wahrheiten, die schon bald nach dem Heimgehen der Apostel beinahe vollständig verloren gegangen sind. Es kam zu einer Vermischung des Christentums mit dem Judentum mit dem Ergebnis, dass aufrichtige aber unwissende Menschen versuchten, eine Ordnung dadurch aufrechtzuerhalten, dass nach dem Vorbild des jüdischen Priestertums eine priesterliche Klasse eingesetzt wurde, die von dem Laienstand unterschieden wurde. Durch einen Gelehrtenstand wurde eine menschliche Ordnung angenommen, die in allen großen religiösen Sekten des Christentums noch immer vorherrschend ist.

Das Annehmen dieser menschlichen Ordnung ist deshalb so ernst und bedenklich, weil dadurch die Gegenwart und Leitung des Heiligen Geistes ignoriert wird. Wir sind so schwerfällig im Anerkennen der Tatsache, dass die große Hauptwahrheit der gegenwärtigen Zeit die ist, dass wir in einer Zeit leben, wo eine göttliche Person - der Heilige Geist - auf der Erde gegenwärtig ist. Er vertritt die Interessen Christi hier; Er tröstet, lehrt, leitet, zeigt uns alles, und leitet uns auch bei der Ausübung der Gaben und beim Gebet (Joh 14,16-26; 16,13-15; 1. Kor 12,3; Judas 20).

Wenn wir nun in Kenntnis der Wahrheit von dem Leib Christi und der Gegenwart des Heiligen Geistes uns getrennt haben von jedem durch Menschen aufgerichteten System, in dem diese Wahrheiten praktischerweise geleugnet werden, mögen wir uns fragen, ob die Schrift irgendwie Licht und Klarheit gibt über die Weise, wie sich Gläubige verhalten sollen, wenn sie zum Dienst am Wort zusammengekommen sind. Das 14. Kapitel dieses Briefes zeigt klar, dass Gott uns für die Ausübung des Dienstes bei den Gelegenheiten, wo Sein Volk als Versammlung zusammengekommen ist, deutliche Anweisungen gegeben hat. Dass die in diesem Kapitel niedergelegten Grundsätze in den religiösen Systemen der Christenheit nicht verwirklicht werden können, verurteilt diese Systeme nur und macht offenbar, wie weit sie von der Ordnung Gottes abgewichen sind. Wenn uns jedoch die Augen für das Böse solcher Systeme geöffnet worden sind und wir uns abseits davon halten, befinden wir uns in einer Stellung, in welcher es - unter der Leitung des Heiligen Geistes - möglich ist, nach der Ordnung Gottes zu handeln.

Drei große Grundsätze werden in diesem Kapitel bezüglich der Ausübung der Gaben durch den Heiligen Geist betont:

  • wir sollen der Liebe nachstreben (Vers 1),
  • die Gaben sollen zur Erbauung gebraucht werden (Verse 2-25), und
  • die Gaben sollen entsprechend der Ordnung Gottes ausgeübt werden (Verse 26-40).

Die Liebe als Beweggrund im Gebrauch der Gaben

Vers 1

„Strebt nach der Liebe; eifert aber nach den geistlichen Gaben, viel mehr aber, dass ihr weissagt.“

Das Aufrechterhalten von Liebe, Erbauung und der Ordnung Gottes in der Versammlung ist absolut abhängig von der ungehinderten Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Die Rechte des Heiligen Geistes in der Versammlung hatte der Apostel schon ausdrücklich betont (Kap 12,4-13) und uns die gesegneten Merkmale der Liebe schon dargelegt (Kap 13). Nun beginnt er diesen neuen Abschnitt, der von der Ausübung der Gaben spricht, mit der Ermahnung: „Strebt nach der Liebe“.

Wenn in der Versammlung in Korinth die Liebe praktisch wirksam gewesen wäre, dann wäre sie von vielen schlimmen Missständen verschont geblieben, selbst wenn sie über die Ordnung Gottes noch nicht belehrt war. Der Apostel hatte schon gezeigt, dass Liebe zur Verleugnung des eigenen Ichs führt. Daher geht die Ermahnung, nach der Liebe zu streben, der Ermahnung, um die geistlichen Gaben zu eifern, und der Belehrung über den rechten Gebrauch dieser Gaben voraus. Die Liebe wird dafür sorgen, dass der Beweggrund rein und lauter bleibt, sowohl in dem Eifern nach einer geistlichen Gabe als auch in der Ausübung dieser Gabe. Die Liebe denkt nicht an sich selbst, sondern an den Nutzen für andere. Da es den Gläubigen in Korinth an der Liebe mangelte, hatten sie die 'Zeichen-Gaben' wie Heilungen und Sprachenreden zu ihrer Selbsterhöhung gebraucht. Um dieser Neigung zu begegnen, ermahnt der Apostel sie, vielmehr danach zu trachten, zu weissagen.

Die Erbauung als das große Ziel bei dem Gebrauch der Gaben

Verse 2-4

„Denn wer in einer Sprache redet, redet nicht Menschen, sondern Gott; denn niemand versteht es, im Geist aber redet er Geheimnisse. Wer aber weissagt, redet den Menschen zur Erbauung und Ermahnung und Tröstung. Wer in einer Sprache redet, erbaut sich selbst; wer aber weissagt, erbaut die Versammlung.“

Die Ermahnung, nach der Gabe der Weissagung zu streben, führt den Apostel dazu, vorzustellen, was das große Ziel bei der Ausübung der Gaben sein sollte - Erbauung. Die ganze Belehrung hindurch stellt er uns dieses Ziel vor Augen. In Vers 3 spricht er von 'Erbauung und Ermahnung und Tröstung'; in Vers 5 schreibt er davon, 'dass die Versammlung Erbauung empfange'; in Vers 12 ermahnt er uns, 'überströmend zu sein zur Erbauung der Versammlung'; und in Vers 26, dass 'alles zur Erbauung geschehe'.

Wer in einer unbekannten Sprache redet, mag zu Gott von Geheimnissen reden, aber wenn es niemand versteht, gibt es keine Erbauung dadurch. Wenn kein Ausleger dieser fremden Sprachen da ist, dann werden die Gesichtspunkte der Liebe und der Erbauung von vornherein ausschließen, dass die Gabe der Sprachen ausgeübt wird. Wer aber weissagt, redet - im Gegensatz zu den Sprachen - den Menschen zur Erbauung, Ermahnung und Tröstung. Dies ist nicht so sehr eine Definition von Weissagung, sondern vielmehr das Ergebnis der Weissagung. Wenn wir an die alttestamentlichen Propheten denken, könnten wir geneigt sein, Weissagung auf das Vorhersagen zukünftiger Ereignisse zu beschränken. Dies war jedoch schon in den Tagen des Alten Testaments nur ein begrenzter Teil des prophetischen Dienstes. Die große Aufgabe des Propheten war es, das Wort Gottes auf Herz und Gewissen anzuwenden - zur Erbauung. Dies gilt auch in der christlichen Haushaltung noch für den Dienst der Weissagung, und in diesem Sinn bleibt diese Gabe auch heute noch bestehen. Aus dem Platz, den der Apostel dieser Gabe in diesem Abschnitt hier einräumt, können wir schließen, dass es die bedeutendste aller Gaben ist, die der Versammlung geblieben sind, und dass es diejenige Gabe ist, nach der man am meisten streben sollte.

Verse 5+6

„Ich wollte aber, dass ihr alle in Sprachen redetet, viel mehr aber, dass ihr weissagtet. Wer aber weissagt, ist größer, als wer in Sprachen redet, es sei denn, dass er es auslegt, damit die Versammlung Erbauung empfange. Jetzt aber, Brüder, wenn ich zu euch komme und in Sprachen rede, was werde ich euch nützen, wenn ich nicht zu euch rede, entweder in Offenbarung oder in Erkenntnis oder in Weissagung oder in Lehre?“

Die Sprachen hatten in der Tat ihren Platz, doch der Apostel fragt, was es für Nutzen hätte, in Sprachen zu reden, ohne dass ein Ausleger da ist. Wenn die Versammlung erbaut werden soll, kann das nur dadurch geschehen, dass jemand in Offenbarung oder in Erkenntnis oder in Weissagung oder in Liebe redet. In den Tagen der Apostel gab es noch solche, die in Offenbarungen redeten. Seitdem das Wort Gottes vollendet worden ist, ist uns die Gabe der Offenbarung in der Heiligen Schrift erhalten worden. Erkenntnis deutet darauf hin, Dinge, die schon offenbart worden sind, an Gläubige weiter zu vermitteln. Weissagung ist mehr die Anwendung der Wahrheit auf das Gewissen, während Lehre oder Belehrung mehr die Unterweisung in einer speziellen Wahrheit ist.

Verse 7-11

„Doch auch die leblosen Dinge, die einen Ton von sich geben, es sei Flöte oder Harfe, wenn sie den Tönen keinen Unterschied geben, wie wird man erkennen, was geflötet oder geharft wird? Denn auch wenn die Posaune einen undeutlichen Ton gibt, wer wird sich zum Kampf rüsten? So auch ihr, wenn ihr durch die Sprache keine verständliche Rede gebt, wie wird man wissen, was geredet wird? Denn ihr werdet in den Wind reden. Es gibt vielleicht so und so viele Arten von Stimmen in der Welt, und keine Art ist ohne bestimmten Ton. Wenn ich nun die Bedeutung der Stimmen nicht kenne, so werde ich dem Redenden wie ein Barbar sein und der Redende für mich ein Barbar.“

Außerdem ist es für das Ziel der Erbauung nicht nur erforderlich, Erkenntnis zu vermitteln, oder durch Weissagung das Wort auf die Gewissen anzuwenden, oder spezielle Wahrheiten zu lehren - das alles muss auch noch in leicht verständlichen Worten geschehen. Eine unklare Ausdrucksweise ist nicht geistlich. Wenn es keinen Unterschied in den Tönen gibt, drückt die Musik keine Melodie aus. Wenn der Ton undeutlich ist, wird die Posaune kein Resultat bei den Hörern bewirken. So kann auch der Dienst in einer derart verworrenen Weise vorgebracht werden, dass er keinen Sinn vermittelt; oder er mag so unbestimmt zum Ausdruck gebracht werden, dass er keine Auswirkungen auf die Hörer hat. Wenn ein Dienst zur Erbauung sein soll, dann muss er in verständlicher Rede und mit der Bestimmtheit der Aussprüche Gottes geschehen. In der Natur hat jede Stimme eine bestimmte Bedeutung, und so haben auch Worte einen bestimmten Sinn. Wenn wir Worte benutzen, die den Hörern keinen Sinn vermitteln, dann werden wir praktischerweise zu Barbaren, die fremdes Kauderwelsch reden.

Vers 12

„So auch ihr, da ihr um geistliche Gaben eifert, so sucht, dass ihr überströmend seid zur Erbauung der Versammlung.“

Wenn wir also nach geistlichen Gaben eifern, dann darf es nicht dazu kommen, dass wir uns selbst erhöhen und vor unseren Brüdern hervortun - vielmehr sollen wir uns in der Erbauung der Versammlung auszeichnen. Nichts, was diesen großen Grundsatz der Erbauung außer Acht lässt, wird von dem Heiligen Geist kommen. Wo der Heilige Geist nicht gehindert ist, ist die Liebe maßgebend; und wo die Liebe maßgebend ist, wird jede Äußerung zur Erbauung dienen.

Verse 13-17

„Darum, wer in einer Sprache redet, bete, dass er es auslege. Denn wenn ich in einer Sprache bete, so betet mein Geist, aber mein Verstand ist fruchtleer. Was ist es nun? Ich will beten mit dem Geist, ich will aber auch beten mit dem Verstand; ich will lobsingen mit dem Geist, ich will aber auch lobsingen mit dem Verstand. Sonst, wenn du mit dem Geist preist, wie soll der, der die Stelle des Unkundigen einnimmt, das Amen sprechen zu deiner Danksagung, da er ja nicht weiß, was du sagst? Denn du danksagst wohl gut, aber der andere wird nicht erbaut.“

Solche unklaren Äußerungen mögen auch nicht nur in der Ausübung bestimmter Gaben, sondern auch in anderer Weise vorgebracht werden. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass wir im ersten Vers aufgefordert werden, um die geistlichen Offenbarungen (vgl. Kap 12,1) zu eifern; es geht also nicht so sehr um geistliche Gnadengaben, sondern dadurch wird für jede Art der Äußerung unter der Leitung des Heiligen Geistes Raum gelassen. Wir lesen in diesen Versen von Beten, Lobsingen und Danksagen - Arten des Dienstes, die niemals Gaben genannt werden. Doch welche Art der Äußerung es auch immer sein mag, es soll immer zur Erbauung dienen. Wenn der Heilige Geist die Leitung hat und in der Versammlung die Liebe regiert, wird alles auf eine Weise zum Ausdruck gebracht werden, dass sogar Unkundige in der Lage sein werden, allem verständnisvoll zu folgen und ihr Amen dazu zu sprechen. Dadurch wird die Gemeinschaft, von der das Amen der äußerliche Ausdruck ist, aufrechterhalten.

Verse 18-20

„Ich danke Gott, ich rede mehr in einer Sprache als ihr alle. Aber in der Versammlung will ich lieber fünf Worte reden mit meinem Verstand, um auch andere zu unterweisen, als zehntausend Worte in einer Sprache. Brüder, werdet nicht Kinder am Verstand, sondern an der Bosheit seid Unmündige, am Verstand aber werdet Erwachsene.“

Der Beweggrund des Apostels, den Missbrauch der Sprachen bei den Korinthern zu verurteilen, war nicht etwa Eifersucht, denn er selbst redete mehr als sie alle in Sprachen; er aber gebrauchte diese Gabe am richtigen Platz, vor der richtigen Zuhörerschaft und für einen geeigneten Zweck. In der Versammlung sind fünf Worte mit dem Verstand, durch die andere unterwiesen werden, besser, als zehntausend Worte in einer unbekannten Sprache. Die Korinther handelten in ihrer Begeisterung für den Gebrauch der Sprachen wie Kinder, die ihre Freude an allem Eindrucksvollen haben. Der Apostel ermahnt sie und auch uns, nicht Kinder am Verstand zu werden, sondern wie Säuglinge rein und keusch im Blick auf die Bosheit zu sein. Wir haben das Fleisch in uns, und das kann - wenn nicht die Gnade Gottes uns davor bewahrt - das Gebet oder den Dienst benutzen, um etwas Böses gegen einen Bruder hervorzubringen. Dies ist eine höhere Art geistlicher Verderbtheit. Wir wollen aber danach trachten, Liebe und Erbauung zu bewirken.

Verse 21-25

„In dem Gesetz steht geschrieben: „Ich will in anderen Sprachen und durch andere Lippen zu diesem Volk reden, und auch so werden sie nicht auf mich hören, spricht der Herr“. Daher sind die Sprachen zu einem Zeichen, nicht den Glaubenden, sondern den Ungläubigen; die Weissagung aber nicht den Ungläubigen, sondern den Glaubenden. Wenn nun die ganze Versammlung an einem Ort zusammenkommt und alle in Sprachen reden, es kommen aber Unkundige oder Ungläubige herein, werden sie nicht sagen, dass ihr von Sinnen seid? Wenn aber alle weissagen, und irgendein Ungläubiger oder Unkundiger kommt herein, so wird er von allen überführt, von allen beurteilt; das Verborgene seines Herzens wird offenbar, und so, auf sein Angesicht fallend, wird er Gott anbeten und verkündigen, dass Gott wirklich unter euch ist.“

Der Apostel führt hier ein freies Zitat aus Jes 28,11+12 an, um zu zeigen, dass Gott in den Tagen des Versagens des Volkes Israel, in denen auch die Propheten irregingen, in fremden Sprachen zu ihnen geredet hatte. Dies war ein Zeichen für den Unglauben des Volkes, das auf die klaren Worte Gottes nicht hören wollte. So war auch bei der Einführung des Christentums die Ausübung der Gabe der Sprachen ein Zeichen - nicht für die Glaubenden, sondern für Ungläubige -, und ließ die Hörenden ohne Entschuldigung sein.

Die Gabe der Weissagung dient im Gegensatz zu den Sprachen nicht nur den Ungläubigen, sondern auch den Glaubenden. Wenn die Heiligen an einem Ort zusammengekommen sind, wird die Ausübung der Gabe der Sprachen - wenn kein Ausleger zugegen ist - einen Ungläubigen oder Unkundigen zu dem Schluss führen, dass diese Versammlung von Sinnen ist. Auf der anderen Seite wird aber Weissagung das Gewissen eines Ungläubigen überführen, das Verborgene seines Herzens offenbaren und ihn davon überzeugen, in der Gegenwart Gottes zu sein.

Das Beachten der Ordnung Gottes in der Ausübung der Gaben

Vers 26

„Was ist es nun, Brüder? Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder von euch einen Psalm, hat eine Lehre, hat eine Offenbarung, hat eine Sprache, hat eine Auslegung; alles geschehe zur Erbauung.“

Bevor der Apostel seine Unterweisungen bezüglich des Aufrechterhaltens der Ordnung Gottes bei einem Zusammenkommen als Versammlung beginnt, erkundigt er sich, wie sich die Gläubigen in Korinth verhielten. Unter der Voraussetzung, dass alles in einer Gesinnung der Liebe und zur Erbauung ausgeübt würde, hatte er ihnen schon die völlige Freiheit zum Beten, Singen, Preisen, Danksagen und Weissagen vorgestellt. Sie hatten auch vollen Gebrauch von dieser Freiheit gemacht, denn ein jeder von ihnen hatte sich bereitwillig daran beteiligt. Trotzdem hatten sie ihre Freiheit darin missbraucht, dass sie nicht anständig und in Ordnung (Vers 40) gehandelt hatten. Die Freiheit des Geistes war in eine Freizügigkeit für das Fleisch verkehrt worden. Wenn nun dieser Missstand korrigiert werden soll, dann jedoch nicht dadurch, dass anstelle der Freiheit, die einem jeden gehört, der Dienst nur noch einer einzelnen Person treten muss. In der Christenheit ist das so geschehen, und in dem Versuch, dadurch diesen Missstand zu beheben, ist die Freiheit verloren gegangen.

Der Apostel sagt: „…alles geschehe zur Erbauung“; und damit auch alles zur Erbauung sein kann, stellt er die Ordnung Gottes vor. Dadurch wird die völlige Freiheit für den Dienst gewahrt und gleichzeitig ein Missbrauch dieser Freiheit verhütet.

Verse 27+28

„Wenn nun jemand in einer Sprache redet, so sei es zu zwei oder höchstens drei, und nacheinander, und einer lege aus. Wenn aber kein Ausleger da ist, so schweige er in der Versammlung, rede aber sich selbst und Gott.“

Zuerst beschäftigt er sich mit den Sprachen. Sollte jemand in einer Sprache reden, so soll dies zu zwei oder höchstens drei geschehen. Dabei muss auch ein geregelter Ablauf beachtet werden, und einer muss zum Auslegen da sein. Wenn kein Ausleger zugegen war, sollte diese Gabe nicht ausgeübt werden.

Verse 29-31

„Propheten aber lasst zwei oder drei reden, und die anderen lasst urteilen. Wenn aber einem anderen, der dasitzt, eine Offenbarung wird, so schweige der erste. Denn ihr könnt einer nach dem anderen alle weissagen, damit alle lernen und alle getröstet werden.“

Wenn die Propheten reden, sollen es auch nur zwei oder drei sein, während die anderen urteilen. Sowohl die Redenden als auch die Hörenden haben ihre eigene Verantwortung. Die Hörenden sollen urteilen, ob das, was gesagt worden ist, vom Geist ist. Jeder Redende soll Raum für andere lassen, denen auch ein Wort gegeben sein mag, damit einer nach dem anderen alle weissagen können, damit alle lernen und alle getröstet werden. Es wird ganz deutlich, dass alles, was in den Zusammenkünften dem Wesen nach 'Ein-Mann-Dienst' ist, dieser Ordnung nicht entspricht.

Verse 32+33

„Und die Geister der Propheten sind den Propheten untertan. Denn Gott ist nicht ein Gott der Unordnung, sondern des Friedens, wie in allen Versammlungen der Heiligen.“

Die Geister der Propheten sind überdies den Propheten untertan. Dies ist eine Feststellung, die jeden Gedanken eines Getriebenseins von einem unkontrollierbaren Impuls völlig ausschließt. Anders verhält es sich bei solchen Menschen, die unter der Macht von Dämonen reden; dies endet in heilloser Aufregung und Unordnung. Gott ist nicht der Urheber von Unordnung, sondern von Frieden. Jedes Aufkommen von Unordnung in den Versammlungen des Volkes Gottes ist eindeutig nicht von Gott.

Verse 34+35

„Die Frauen sollen schweigen in den Versammlungen, denn es ist ihnen nicht erlaubt zu reden, sondern sie sollen unterwürfig sein, wie auch das Gesetz sagt. Wenn sie aber etwas lernen wollen, so sollen sie daheim ihre eigenen Männer fragen; denn es ist schändlich für eine Frau, in der Versammlung zu reden.“

Die Freiheit aller, nacheinander in der Versammlung zu weissagen, gilt nicht für die Frauen. Sie sollen schweigen in den Versammlungen. Ihre Fähigkeiten und Begabungen werden damit nicht in Frage gestellt. Das Schweigen der Frauen in der Öffentlichkeit ist sowohl in Übereinstimmung mit der Schöpfungsordnung als auch mit dem Gesetz. Der Bereich der Freiheit für die Frauen ist in ihrem eigenen Haus. Öffentlich zu reden bedeutet für sie, sich mit Schande zu bedecken.

Verse 36-38

„Oder ist das Wort Gottes von euch ausgegangen? Oder ist es zu euch allein gelangt? Wenn jemand meint, ein Prophet zu sein oder geistlich, so erkenne er, dass das, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn ist. Wenn aber jemand unwissend ist, so sei er unwissend.“

Die Anweisungen des Apostels enden mit der ganz bestimmten Betonung, dass dies die Gebote des Herrn sind. Als solche besitzen sie die ganze Autorität des Wortes Gottes, das nicht nur zu der Versammlung in Korinth gelangt ist, sondern zu allen Versammlungen des Volkes Gottes. Den Anweisungen des Apostels nicht Folge zu leisten würde bedeuten, die allgemein gültige Anwendung des Wortes Gottes für die Versammlung abzulehnen. Es geziemt der Versammlung, sich dem Wort Gottes zu unterwerfen; sie soll sich immer vor Augen halten, dass das Wort Gottes nicht von ihr ausgegangen sondern zu ihr gelangt ist. Die Versammlung als solche wird belehrt, sie selbst kann nicht lehren. Die geistliche Gesinnung eines jeden wird darin gesehen, dass er diese durch den Apostel Paulus niedergeschriebenen Dinge als Gebote des Herrn anerkennt. Diese Anweisungen zu missachten, bedeutet, sich über die direkten Gebote des Herrn hinwegzusetzen. Mit jemandem, der es auf diese Weise ablehnt, sich zu unterwerfen, ist der Apostel ganz kurz und bestimmt und sagt bloß: „Wenn aber jemand unwissend ist, so sei er unwissend“. Mit einem solchen will er sich nicht auseinandersetzen.

Vers 39+40

„Daher, meine Brüder, eifert danach, zu weissagen, und wehrt nicht, in Sprachen zu reden. Alles aber geschehe anständig und in Ordnung.“

Der Apostel fasst seine Unterweisungen damit zusammen, dass er den Korinthern noch einmal eindringlich nahe legt, nach dem Weissagen zu eifern, aber dem Reden in Sprachen nicht zu wehren. Vielmehr soll alles anständig und in Ordnung geschehen. Welche Arten der geistlichen Offenbarungen in den Versammlungen auch immer geschehen mögen, lasst uns alle, die wir daran teilhaben, uns persönlich fragen: „Geschieht es in Liebe, geschieht es zur Erbauung, geschieht es in Übereinstimmung mit der Ordnung Gottes“?

Erinnern wir uns noch einmal an die drei großen Ermahnungen dieses Kapitels:

  • „Strebet nach der Liebe“ (Vers 1);
  • „Alles geschehe zur Erbauung“ (Vers 26);
  • „Alles aber geschehe anständig und in Ordnung“ (Vers 40).
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