Ährenlese im Alten Testament (Richter)

Kapitel 3 bis 12

Ährenlese im Alten Testament (Richter)

Richter 3,1–11

Im Buch der Richter werden wir sehen, wie sich die gleiche Reihenfolge immer von neuem wiederholt: Das Volk fängt damit an, Jehova zu verlassen. Jehova benützt deshalb die Feinde, um sein Gewissen aufzurütteln. Schließlich schreit Israel zu Gott, der es voll Mitleid befreit, indem Er ihm einen Richter gibt (siehe auch Psalm 107,6.13.19.28). Leider wiederholt sich dieser Ablauf allzu oft auch im Leben eines jeden von uns. Wenn wir unter dem Einfluss der Welt stehen, weil wir den Herrn vergessen haben, benützt Er manchmal ihre Feindschaft, um uns aufzurütteln. Vers 2 erinnert uns daran, auf welche Weise Gott uns in Alarmbereitschaft hält und uns zum Kampf ausbildet. Zu diesem Zweck lässt Er absichtlich Feinde bestehen. Eine militärische Ausbildung umfasst notwendigerweise Übungen und Manöver, ohne die ein Soldat im gegebenen Augenblick zum Krieg untauglich wäre. Den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, ist eine ständige Ermahnung für den Christen (1. Timotheus 6,12). Denn der Glaube besitzt eine zweifache Gewissheit: die erste, dass die Welt ein Feind ist; die zweite, dass die Welt ein besiegter Feind ist. „Ich habe die Welt überwunden“, war das letzte Wort des Herrn Jesus an die Seinen, bevor Er zum Kreuz ging. Unser Glaube muss das erfassen, um seinerseits triumphieren zu können (Johannes 16,33; 1. Johannes 5,4.5).

Richter 3,12–31

Die „Rute“, die Gott jetzt braucht, um sein Volk zu züchtigen, ist Moab, die gleiche Nation, die Jehova einst durch den Mund Bileams davor zurückgehalten hatte, sich Israel zu widersetzen. Achtzehn Jahre vergehen, bevor das Volk zu Jehova umkehrt; vorher hatten acht Jahre genügt (Vers 8). In seinem Erbarmen erweckt Er ihnen einen Retter: Ehud, den Benjaminiter.

Ehud hat „ein Wort Gottes“ für Eglon, den König von Moab. Dieses ernste Wort ist nichts anderes als sein zweischneidiges Schwert, das für den Bösewicht den Tod bedeutet. Der Hebräerbrief vergleicht das Wort Gottes, das lebendig und wirksam ist, mit einem zweischneidigen Schwert (Hebräer 4,12). Glückselig für die, die sich heute durch sein Mittel erforschen lassen, denn einst wird es jene richten und vernichten, die nicht geglaubt haben (Offenbarung 19,13–15). Die Waffe Schamgars ist ebenfalls das Wort Gottes, diesmal aber so, wie die Welt es sieht: ein Werkzeug scheinbar ohne jeglichen Wert. Dennoch hat diese Waffe eine große Macht und genügt, um Israel aufs neue zu erretten.

Die Schwachheit des Menschen (Ehud war Linkshänder), die Schwachheit des Werkzeugs (der Rinderstachel Schamgars), beide heben die Macht Gottes hervor, welche die errettet, die zu Ihm schreien.

Richter 4,1–16

Im Norden des Landes ist der einstige Feind wieder aufgetaucht; unter dem gleichen Namen: Jabin; in der gleichen Hauptstadt: Hazor (siehe Josua 11,1). Und er unterdrückt Israel während zwanzig Jahren. Wachen wir darüber, die Frucht der Siege derer, die uns vorangegangen sind, nicht zu verlieren. Von neuem gilt es zu kämpfen, und Debora, eine Frau, eine Prophetin, wird von Jehova gebraucht, um das Volk zu richten und zu befreien. Gläubige Frauen und Mädchen, denkt nicht, dass ihr im Dienst für die Versammlung beiseite gesetzt seid. Gewiss, es geht für die Frau nicht darum, „über den Mann zu herrschen“, noch öffentlich das Wort zu ergreifen (1. Timotheus 2,12; 1. Korinther 14,34). Aber wie viele Christinnen haben, und sei es nur durch ihre Gebete, bemerkenswerte Befreiungen erlangt!

Debora lässt Barak rufen, aber diesem mangelt es an Mut. Er muss sich auf jemand stützen können. Sein Vertrauen auf Gott genügt nicht, um auf jede menschliche Hilfe zu verzichten (lies Psalm 146,3). Unser Mut hängt immer von dem Maß des Vertrauens ab, das wir in unseren Herrn haben. Wenn uns daran mangelt, dann lasst es uns den Aposteln in Apostelgeschichte 4 gleichtun. Sie baten Gott um „Freimütigkeit“ (Vers 29) und erhielten sie durch den Heiligen Geist (Vers 31).

Richter 4,175,11

Sisera flüchtet zu Fuß; seine neunhundert eisernen Wagen sind ihm keinerlei Hilfe gewesen. Er meint im Zeit des Keniters Zuflucht zu finden. Aber dort trifft ihn der Tod durch die Hand Jaels, einer Frau des Glaubens. Diese Familie des Keniters ist eine interessante Familie. Hobab, sein Vorfahre, hatte sich einst geweigert, mit Israel zu ziehen (4. Mose 10,29.30). Aber hernach folgten seine Nachkommen dem Volk (Kapitel 1,16), und nun nahmen sie teil an seinen Kämpfen und an seinem Triumph.

Als Barak eintrifft, findet er seinen Feind durch eine Frau vernichtet, und so verliert er, wie Debora es vorausgesagt hatte, einen Teil der Siegesehre. Und doch erkennt Gott da Glauben, wo wir kaum etwas davon schimmern sehen! Der Name Barak erscheint in der Liste der treuen Zeugen in Hebräer 11,32. Welche Gnade! Das wenige, das der Herr uns für Ihn zu tun gestattet, das oft ganz mit menschlichem Vertrauen vermengt ist, dieses wenige hat für Ihn Wert und Er wird sich daran erinnern. Der Tag, da das ganze Volk am Ufer des Roten Meeres sang, liegt weit zurück. In dieser Zeit der Schwachheit hören wir nur zwei Stimmen, die Stimmen Deboras und Baraks, eines Mannes und einer Frau des Glaubens. Aber ihr Lied ist nicht weniger triumphierend. Es beginnt mit dem Rühmen Jehovas, dem die Ehre des Sieges zukommt.

Richter 5,12–31

Wenn das Lied Baraks und Deboras gerechterweise Jehova die Ehre des Sieges zuschreibt, so muss dennoch jeder Stamm das ihn betreffende Lob oder seinen Tadel bekommen. Einige dieser Stämme haben sich aktiv an den Kämpfen beteiligt. Sebulon und Naphtali, zum Beispiel, haben ihr Leben aufs Spiel gesetzt (Vers 18; vergleiche Römer 16,4; Philipper 2,30). Andere dagegen haben sich, aus Feigheit oder Trägheit, nicht engagiert. Unter ihnen die zweieinhalb Stämme: Ruben hat trotz „großer Beschlüsse des Herzens“ gezögert und ist bei seinen Herden geblieben, die ihm schon früher zum Hindernis waren, so dass er sich jenseits des Jordans niederließ. Desgleichen Gilead (Gad und Manasse; Vers 17). Dan und Aser wurden durch ihren Handel und ihre Geschäfte zurückgehalten und haben weder Schiffe noch Häfen verlassen. Der Herr kann weder Unentschlossene noch zuviel Beschäftigte brauchen. Früher oder später werden wir Gelegenheit haben, zu zeigen, was in unserem Leben den Vorrang hat. Sind es die Interessen des Volkes Gottes, das Wohl der Versammlung? Oder gleichen wir solchen, von denen Paulus mit Traurigkeit sagen musste, dass sie „das Ihrige suchten, nicht das, was Jesu Christi ist“? (Philipper 2,21).

Wenn wir unseren 12. Vers mit Psalm 68,18 und dem Zitat in Epheser 4,8 vergleichen, werden wir auf Christus als Sieger hingewiesen, der die Gefangenen Satans befreit und dann im Triumph zum Himmel emporsteigt.

Richter 6,1–13

Israel tut wiederum, was böse ist in den Augen Jehovas, und der Herr bedient sich diesmal der Hand Midians, um es auf die in 5. Mose 28,33 angekündigte Weise zu bestrafen. Jedes Jahr, zur Zeit der Ernte, zog dieses Volk herauf, wie eine Invasion von Heuschrecken, bemächtigte sich der Lebensmittel und des Viehs, plünderte und verwüstete das ganze Land.

Was tut Satan, um den Gläubigen zu schwächen, damit er geistlich „verarme“? Er bemüht sich, ihm seine Nahrung wegzunehmen. Haben wir schon bemerkt, wie sich manchmal alles gegen uns zu verschwören scheint, um uns daran zu hindern, unsere Bibel zu lesen, oder um uns von einer Erbauungsstunde fernzuhalten? Das ist das Werk des Teufels, davon können wir überzeugt sein. Er kennt die Kraft, die wir daraus ziehen, und er fürchtet diese Kraft.

Viele junge Leute träumen davon, sehr stark, ja, Siegeshelden zu werden. Möchten sie Gideon nachahmen! Hier haben wir einen tapferen Helden (Vers 12), voller Tatkraft, der sich alle Mühe gibt, um sich seinen Lebensunterhalt zu sichern und sich mit seiner Familie vor der Hungersnot zu schützen. Möchten wir tapfere Helden sein, dann geht es nicht um unsere Muskeln und natürlichen Fähigkeiten, sondern um Glaubensmut und Herzensentschluss für den Herrn. Gott, der sich zu uns wendet (Vers 14), sieht, ob es das ist, was wir in unserem täglichen Leben zeigen.

Richter 6,14–27

Auf sich selbst blickend, findet Gideon diese Kraft nicht, von welcher der Engel zu ihm gesprochen hat. Ganz im Gegenteil! Er ist der Jüngste (Fußnote V. 15: Kleinste, Geringste) im ärmsten Tausend. Aber wie später der Apostel Paulus, und wie du und ich oft in unserem Leben, so muss Gideon die Lektion lernen: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark“ (2. Korinther 12,10), und: „Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt“ (Philipper 4,13). Die Kraft, die Gideon hatte (Vers 14), war die Kraft Gottes selbst: „die Kraft, die Gott darreicht“ (1. Petrus 4,11) und die in der Schwachheit des Dieners vollbracht wird.

Wie kostbar ist diese Begegnung mit dem Engel Jehovas! Sie ist ein Bild der Begegnung, die wir notwendigerweise in unserem Leben einmal mit dem Herrn haben müssen, auf der Grundlage seines Opfers am Kreuz! Die Folge dieser Begegnung ist nicht Tod; weit davon entfernt, es ist der Friede (Vers 23). Und Gideon errichtet einen Altar zu Ehren dieses Gottes des Friedens, der sich ihm zu erkennen gegeben hat. Gleich darauf muss er lernen, dass es Dinge gibt, die niedergerissen und umgehauen werden müssen. Müssen nicht auch wir manches abbrechen, wenn wir stark sein wollen? Unmöglich kann ein Götze in unseren Herzen wohnen und gleichzeitig der Heilige Geist, für Den unser Leib ein Tempel geworden ist.

Richter 6,28–40

Gideon hat die Erfahrung des inneren Friedens gemacht. Gleichzeitig beginnen aber von außen die Kämpfe. In erster Linie gilt es, im väterlichen Haus Stellung zu nehmen. Wo beginnt unser Zeugnis? Zuhause, in unserer Familie, indem wir denen, die uns am besten kennen, die Veränderung zeigen, die Gott in uns bewirkt hat (Markus 5,19). Bei den meisten unter uns wird eine solche Stellungnahme nur Freude in unserer Familie auslösen, während sie für viele junge Bekehrte in den Oststaaten oder in mohammedanischen Ländern schreckliche Folgen nach sich zieht.

Man ahnt, dass Gideon, bevor er gehorchte, manche Seelenqualen durchgestanden hat. Er wusste, welcher Gefahr er sich aussetzte (Vers 30), selbst wenn er bei Nacht handelte. Doch Gott steht ihm bei und ändert die Absichten seines Vaters Joas und der Leute der Stadt.

Nachdem Gott in Gideon gewirkt hat, möchte Er jetzt durch ihn handeln. Seine Posaune ruft die Kämpfer zusammen. Doch seht! Es mangelt ihm noch an Vertrauen. Er braucht ein Zeichen, und Jehova gewährt es ihm: das doppelte Zeichen des Woll-Vlieses. Gott hat viel Geduld mit uns, und wenn wir Ihn aufrichtig darum bitten, wird Er uns seinen Willen klar zeigen.

Richter 7,1–8

Neben der großen Masse der Midianiter und Amalekiter und der Söhne des Ostens stand die kleine Armee von zweiunddreißigtausend Israeliten armselig da. Man kann sich deshalb die Verwunderung Gideons vorstellen, als Jehova zweimal zu ihm sagt: „Des Volkes, das bei dir ist, ist zu viel“ (Verse 2 und 4). Aber es durfte nicht sein, dass dieses sich hernach die Ehre des Sieges zuschreiben konnte. Eine erste Auslese wird getroffen: nach 5. Mose 20,8 sollen die Verzagten und Furchtsamen zurückkehren. Zehntausend bleiben noch übrig, bei denen der Test am Wasser den Ausschlag geben wird. Die einen lassen sich gemächlich nieder, um zu trinken, die andern lecken das Wasser hastig aus der Hand. Die letzteren, nur dreihundert, sind zum Kampf geeignet. Sie geben dem Ziel, das sie verfolgen, gegenüber der Befriedigung ihrer Bedürfnisse den Vorrang. Das ist eine Lektion für uns, deren Ziel himmlisch ist! „Wenn jemand mir nachkommen will“, mahnt der Herr Jesus, „der verleugne sich selbst“ (Lukas 9,23). Ist Er nicht jedes Verzichtes wert? Auch Er hat auf dem Weg „aus dem Bache“ getrunken (Psalm 110,7), indem Er da und dort etwas Erfrischung für sein Herz gefunden hat, ohne jedoch für einen Augenblick das Ziel aus dem Auge zu verlieren, das Er verfolgte: den Triumph des Kreuzes und die Verherrlichung Gottes, seines Vaters (Lukas 9,51; 12,50 ).

Richter 7,9–25

Eine letzte Ermutigung für Gideon: der Traum des Midianiters, der durch seinen Genossen gedeutet wird. Gleichzeitig lernt er dabei eine letzte Lektion: er hat nicht mehr Wert als ein armseliges Gerstenbrot. Und nun kann der Kampf beginnen. Während der Nacht stellen sich die drei Haufen rund um das feindliche Lager auf, jeder an seinen Platz. Beachten wir wohl, welches die Waffen dieser seltsamen Soldaten sind: eine Fackel, die im Innern eines Kruges angezündet wird. In der andern Hand eine Posaune, wie seinerzeit zu Jericho. Weder Schwert noch Lanze; Jehova kämpft für sie. „Auf dass die Überschwänglichkeit der Kraft sei Gottes und nicht aus uns“, wird in 2. Korinther 4,7 erklärt. Die gleiche Stelle vergleicht die Gläubigen mit irdenen Gefäßen, deren Willen gebrochen werden muss, damit der strahlende Schatz (Christus in ihnen) nach außen leuchten kann.

Durch den lauten Schall der Posaunen in der Nacht und den ungewöhnlichen Lichtschein am Bergeshang wird das ganze Lager plötzlich aufgeschreckt. Von Panik ergriffen, tötet einer den andern und sie fliehen, wohin sie können. Da beginnt die Verfolgung, andere Israeliten schließen sich den dreihundert an.

Diese Begebenheit bildet eine glorreiche Seite in der Geschichte Israels (Psalm 83,11). Der Felsen Oreb und die Kelter Seeb werden die zukünftigen Geschlechter an die Befreiung Jehovas erinnern.

Richter 8,1–17

Die Lektionen zur Bescheidenheit, die Gott dem Gideon erteilt hatte, haben Frucht getragen. Er ist bereit, das Teil, das andere am Sieg hatten, anzuerkennen. Und der Zorn der Männer von Ephraim schwindet angesichts seiner sanften Antwort, die die Bedeutung dessen hervorhebt, was sie getan hatten (Verse 2 und 3). Die Arbeit anderer herausstellen, ihren Qualitäten Wert beimessen, statt auf unserer Arbeit und unseren eigenen Fähigkeiten zu bestehen, das ist eine Frucht des göttlichen Lebens, die nichts gemein hat mit der Heuchelei menschlicher Diplomatie. Petrus erinnert uns daran, dass ein sanfter und stiller Geist vor Gott sehr köstlich ist (1. Petrus 3,4). Gott hat die dreihundert Kämpfer sorgfältig ausgewählt. Sie nehmen jetzt so wenig Rücksicht auf ihre Ermattung, wie vordem auf ihre Bequemlichkeit und ihren Durst am Ufer des Baches (Kapitel 7). Sie haben ein Ziel und jagen ihm nach (Vers 4). „Eines aber tue ich“ - erklärt Paulus ich jage dem Ziel nach (Philipper 3,14). „Niedergeworfen, aber nicht umkommend“, sagt er anderswo (2. Korinther 4,9). Wie Gideon mit den Männern von Sukkoth und Pnuel, so musste Paulus später die bemühende Erfahrung machen, dass alle ihn verließen (2. Timotheus 4,16). Doch welcher Gegensatz zu der scharfen Rache Gideons: Paulus kann als wahrer Jünger seines Meisters hinzufügen: „es werde ihnen nicht zugerechnet“!

Richter 8,18–35

Nach dem Sieg drohen dem Diener Gottes noch eine ganze Anzahl heikler Gefahren. Gestern haben wir den Neid der Männer von Ephraim gesehen, denen Gideon mit Sanftmut geantwortet hat. Hier haben wir die Schmeicheleien der Welt. Aber die Komplimente Sebachs und Zalmunnas über seine Gestalt - gleich einem Königssohne - hindern Gideon nicht daran, sie zu töten. Ein anderer Fallstrick wird ihm gelegt, diesmal von den Israeliten: „Herrsche über uns“ - sagen sie - „sowohl du, als auch dein Sohn... ; denn du hast uns... gerettet“. Seine Antwort ist schön: „Jehova soll über euch herrschen“ (Verse 22,23). Ein Diener muss darüber wachen, dass er den Menschen gegenüber nicht den Platz einnimmt, der dem Herrn zusteht, und die Gläubigen müssen sich davor hüten, den Dienern Gottes zu schmeicheln (Matthäus 23,8.10).

Nach den Siegen Gideons haben wir einen letzten Fallstrick (Vers 27), und diesmal erliegt Gideon. Zur Erinnerung an seinen Sieg stellt er in der Stadt ein Ephod auf (einen goldenen Gegenstand, der an das Priestertum erinnert) und ganz Israel kommt, um es zu bewundern, indem es vergisst, dass Silo, wo sich die Bundeslade befand (Josua 18,1), das einzige Zentrum des Priesterdienstes ist. Dann stirbt Gideon und das Volk kehrt zum Götzendienst zurück!

Richter 9,1–25

Dieses traurige Kapitel beschreibt das rasche und erschreckende Fortschreiten des Niedergangs. Gideon hatte einst klugerweise die ihm vorgeschlagene Herrschaft für sich und seinen Sohn abgelehnt; aber jetzt ist es ausgerechnet einer seiner Söhne, Abimelech, der durch List und Gewalttat die Macht an sich reißt. Einen Gegensatz dazu bildet Jotham, der jüngste der Söhne Gideons, der als einziger dem schrecklichen Blutbad von Sichem entronnen war. Er fürchtet sich nicht, die Wahrheit zu sagen und vor den Ohren einer ganzen Stadt Zeugnis zu geben, gewissermaßen wie sein Vater es einst getan hatte, als er seinen Altar baute und den Altar des Baal niederriss.

Das Gleichnis des Königs der Bäume enthält eine Unterweisung für uns. Es betont drei Dinge, die man nicht hergeben, sondern sorgfältig bewahren soll: 1. das Öl des Olivenbaums, ein Bild des Heiligen Geistes, der einzigen Kraft des Christen; 2. die Süßigkeit und die gute Frucht (des Feigenbaums), mit andern Worten: die Werke des Glaubens; 3. der Most (oder Traubensaft), der Gott und Menschen erfreut, ein Bild der Freuden der Gemeinschaft mit Gott und der Gläubigen untereinander. Wenn man zustimmt, hienieden zu regieren, d. h. einen hervorragenden Platz einzunehmen und sich für die Welt einzusetzen, so muss man unweigerlich diese drei kostbaren Vorrechte aufgeben. Der Herr bewahre uns alle davor!

Richter 9,26–57

Unser Kapitel bestätigt, was Jesaja in bezug auf solche Menschen erklärte: „Ihre Füße laufen zum Bösen und eilen, unschuldiges Blut zu vergießen; ihre Gedanken sind Gedanken des Unheils, Verwüstung und Zertrümmerung ist auf ihren Bahnen“ (Jesaja 59,7, in Römer 3,15.16 zitiert). Haben sich die Dinge heute in der Welt geändert? In keiner Weise! Selbst in den christianisierten Ländern wird die Politik der Menschen nach wie vor durch Gewalttätigkeit, Lüge und Unruhen beherrscht. Jotham hätte Partei gegen Abimelech ergreifen und sich für seine ermordeten Brüder rächen können. Aber er hütet sich wohl davor! Fern von Streit und hinterlistigen Machenschaften wartet er in Beer (Vers 21; siehe 4. Mose 21,16) ruhig auf die Befreiung Jehovas. Und wie wir im Lager der Midianiter die Feinde sich gegenseitig töten sahen, sind es jetzt Abimelech und die Bürger von Sichem, die sich bemühen, sich gegenseitig umzubringen. Sie sind einer für den andern ein verzehrendes Feuer. So erfüllt sich, was Jotham vorausgesagt hatte (Vers 20). So geht auch das Wort in Erfüllung, das sich in der Geschichte der Menschheit immer bewahrheitet hat: „Was irgend ein Mensch sät, das wird er auch ernten“ (Galater 6,7; siehe auch Galater 5,15).

Richter 10,1–18

Zwei Richter werden am Anfang dieses Kapitels erwähnt: Tola und Jair, angesehene Männer. Dann setzt der Verfall wieder ein, schlimmer als je. In seiner Verirrung bemüht sich Israel, den Göttern aller möglichen Völker zu dienen. Da benützt Jehova, wie zuvor, ihre Feinde, um sie zu züchtigen. Diesmal sind es die Philister und die Ammoniter. Dass Israel den Göttern dieser beiden Völker gedient hat, bringt ihm keinerlei Nutzen. Beachten wir, dass die ersten Opfer die Stämme jenseits des Jordan sind (Vers 8). Während achtzehn Jahren werden sie bedrückt. Endlich kommt das Bekenntnis: „Wir haben gesündigt!“ Wir wissen, dass dies immer „das Losungswort“ ist, um zum Herrn zurückzukehren.

Und doch antwortet Gott mit Strenge, wir können sogar sagen mit Ironie: Diese Götter, die ihr euch erwählt habt, geht jetzt nur zu ihnen und ruft sie an; sie sollen euch retten! Aha, das bedeutet, dass das Bekenntnis allein nicht genügt! Man muss die Götzen auch hinwegtun (vergleiche 1. Mose 35,2). Das ist der Prüfstein, dass das Gewissen wirklich in Tätigkeit getreten ist. Das Volk versteht es. Nun hören wir das tröstliche Wort: „Seine Seele wurde ungeduldig über die Mühsal Israels“ (Vers 16). Welch ein Erbarmen Gottes über sein elendes Volk! Sollte Er es jetzt für seine Kinder weniger haben?

Richter 11,1–22

Jehova ist „ein Gott der Vergebung, gnädig und barmherzig“ (Nehemia 9,17). Er wird sein Volk noch einmal erretten, durch die Hand Jephthas. Die Geschichte dieses Richters beginnt ein wenig wie diejenige Abimelechs. Aber statt sich aufzulehnen und sich an seinen Brüdern zu rächen, verzichtet er auf seine Rechte und zieht sich in das Land Tob zurück, wo Gott ihn zu finden weiß, wenn der Augenblick gekommen ist.

Seines Erbteils beraubt, von seinen Brüdern vertrieben und in ein fremdes Land verbannt, von wo er hernach als Befreier zurückkommt, unter diesem Gesichtspunkt ist Jephtha ein Bild des Herrn Jesus. Nachdem Christus von seinem Volk Israel, das seine Rechte nicht anerkennen wollte, verworfen wurde, ist Er jetzt abwesend, in den Himmel hinaufgestiegen, von wo Er mit Macht und als Sieger wiederkommen wird (Lukas 19,12–14). Jephtha tritt den Feinden Israels mutig entgegen. Wie antwortet er auf ihre Ansprüche, ihre Lügen? Indem er ihnen die Wahrheiten des Anfangs in Erinnerung ruft und sich auf die einstigen Segnungen stützt. Möchte jeder von uns diesem Beispiel folgen! Zuerst muss man die Grundsätze des Wortes, durch die sich die Gläubigen der uns vorangegangenen Generationen leiten ließen, gut kennen und dann gilt es, sie standhaft festzuhalten (2. Thessalonicher 2,15).

Richter 11,23–40

Jephtha glaubt sich gezwungen, Jehova, mittels eines Opfers, für seinen Sieg über die Kinder Ammon zu bezahlen. Das heißt, Gott schlecht kennen! Es gefällt Ihm, die Seinen zu segnen, und Er erwartet als Antwort darauf nur Liebe ihrerseits! Seine Errettung kostet uns nichts.

Wie töricht war das Versprechen Jephthas. Nun, Gott lässt uns manchmal die Verantwortung für das tragen, was wir voreilig beschlossen haben. Wachen wir deshalb sorgfältig über unsere Worte, denn leichtfertig gemachte Versprechen können schwerwiegende Folgen haben (Sprüche 20,25).

Wenn bei Jephtha der Glaube einen Augenblick gefehlt hat, so sehen wir ihn jetzt bei seiner Tochter leuchten. Als seine „einzige“, von ihrem Vater geliebte, erinnert uns ihre Unterwürfigkeit an den Gehorsam des Herrn Jesus (Johannes 8,29). Sie hängt nicht an ihrem Leben und freut sich über den Sieg, den Jehova Israel gegeben hat. Aus Liebe zu Jehova, zu ihrem Vater und zu ihrem Volk ist sie gehorsam bis zum Tod. Darin ist sie ein ergreifendes Bild von Christus, obwohl sie weit hinter Dem zurücksteht, den sie darstellt.

Wenn die Tochter Jephthas es verdiente, von Jahr zu Jahr gefeiert zu werden, wie unendlich mehr ist es der Herr Jesus wert, schon auf dieser Erde und in alle Ewigkeit hoch erhoben zu werden!

Richter 12,1–15

In Kapitel 8, Verse 2 und 3, hatte Gideon die Erfahrung gemacht, dass „eine gelinde Antwort den Grimm abwendet“. Jetzt lernt Jephtha zum eigenen Schaden die Fortsetzung dieses Verses kennen: „aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn“ (Sprüche 15,1). Er stößt mit den gleichen Männern Ephraims zusammen, die so empfindlich und streitsüchtig waren (Kapitel 8,1 und Josua 17,14), die darauf hofften, die Früchte des Sieges zu genießen, ohne gekämpft zu haben, und schließlich auf den Erfolg der andern neidisch waren, wobei sie sich doch mit ihnen über die Befreiung Jehovas hätten freuen sollen. Auch Jephtha werfen sie vor, er habe sie nicht zum Kampf gerufen. Beachten wir, welchen Platz das Ich in seiner Antwort einnimmt (Verse 2,3). Und diesmal wird der Streit entfesselt. Wie traurig, ein Streit unter Brüdern! Und doch sind die Wortgefechte in unseren Familien nichts anderes als das, nur in kleinerem Kreis! Und die Ursachen sind die gleichen: Egoismus, Neid, Empfindlichkeit. Denken wir an das große Gebot des Herrn: „dass ihr einander liebet, gleichwie ich euch geliebt habe“ (Johannes 13,34.35; 15,12.17), das der Apostel Johannes wiederholt (1. Johannes 3,23; 4,7.11.21).

Schließlich werden Israel weitere Richter gegeben, aus verschiedenen Stämmen ausgewählt. Zeiten des Friedens! Möchten wir diese, die uns geschenkt sind, gut ausnützen, um uns zu stärken, und nicht um einzuschlafen!

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