Betrachtung über das erste Buch Mose (Synopsis)

Kapitel 1

Betrachtung über das erste Buch Mose (Synopsis)

Die großen elementaren Grundsätze, der Beziehung Gottes zu den Menschen, werden in einem kennzeichnendem Charakter dargestellt

Das erste Buch Mose hat seinen eigenen Charakter, und als der Anfang des Heiligen Buches stellt es uns alle die großen elementarsten Grundsätze dar, die in der Geschichte der Beziehungen Gottes mit dem Menschen ihre Entwicklung finden, worüber in den folgenden Büchern berichtet wird. Der Keim eines jeden dieser Grundsätze wird hier gefunden werden, wenn wir das Gesetz ausschließen. Und doch gab es ein Gesetz, das Adam in seiner Unschuld gegeben wurde; und wir wissen, daß Hagar letztlich Sinai im Vorbilde darstellt. Es wurde späterhin kaum etwas erfüllt, was nicht in diesem Buche in der einen oder der anderen Gestalt seinen Ausdruck gefunden hätte. Obwohl die traurige Geschichte des Falles des Menschen darin enthalten ist, findet sich in diesem Buche eine Frische in den Beziehungen der Menschen mit Gott, welche später bei den Menschen kaum anzutreffen ist, die gewöhnt sind, sie zu missbrauchen und in einer von sich selbst erfüllten Gesellschaft zu leben. Sei es aber die Schöpfung, der Mensch und sein Fall, die Sünde, die Macht Satans, die Verheißungen, die Berufung Gottes, Sein Gericht über die Welt, die Erlösung, die Bündnisse, die Absonderung des Volkes Gottes, ihr Zustand als Fremdlinge auf Erden, die Auferstehung, die Einführung Israels im Lande Kanaan, die Segnung der Nationen, der Same der Verheißung, die Erhöhung eines verworfenen Herrn auf den Thron der Welt - alles dieses wird hier tatsächlich oder im Vorbilde gefunden - wo wir jetzt den Schlüssel haben, ist selbst die Kirche im Vorbilde zu finden.

Der Mensch als Haupt der Schöpfung: Gottes Werk und Gottes Ruhe

Lasst uns also den Inhalt dieses Buches der Reihe nach betrachten. Zuerst haben wir die Schöpfung, in die der Mensch als Mittelpunkt und Haupt auf Erden eingesetzt gefunden wird. Wir haben zuerst das Werk Gottes und dann die Ruhe Gottes: zum Schluss Seines Werkes Ruhe vom Wirken, ohne den Gedanken, daß irgend jemand an ihr teilnahm. Gott Selbst ruhte von Seinem Werk. Dann kommt der Mensch, um glückselig seinen Platz als Haupt desselben einzunehmen.

Gottes Offenbarung betreffs der Beziehung des Menschen zu Ihm

Hier verdienen aber einige kurze allgemeine Bemerkungen einen Platz. Diese Offenbarung Gottes ist nicht eine von Ihm verfasste Geschichte von allem, was Er getan hat, sondern davon, was dem Menschen zu seinem Nutzen gegeben wurde, die Wahrheit über das, was er dazu zu sagen hat. Ihr Zweck ist, dem Menschen alles das mitzuteilen, was seine Beziehung zu Gott betrifft. In Verbindung mit dem zweiten Adam wird er erkennen, wie er erkannt worden ist, und mittels des Werkes Christi hat er schon jene Salbung von dem Heiligen, durch den er alles weiß.

Historisch aber ist diese Offenbarung nur teilweise. Sie übermittelt das, was dem Gewissen und den geistlichen Zuneigungen des Menschen dient. Deshalb wird die erschaffene Welt so aufgenommen, wie sie vor den Augen des Menschen besteht, indem er mitten drin steht, und bei solch einer Schilderung gibt das erste Buch Mose das Werk Gottes als ihren Ursprung an. Das hier Gesagte trifft auf die ganze Bibel zu. Hier ist das daraus ersichtlich, daß über die Schöpfung nichts gesagt wird, außer dem, was den Menschen in die Lage versetzt, die Gott für ihn in der Schöpfung selbst gemacht hat, oder was ihm dieses Gebiet seines Daseins als das Werk Gottes darstellt. So werden himmlische Wesen gar nicht erwähnt. Es wird über ihre Erschaffung nichts gesagt. Wir finden sie, sobald sie zu dem Menschen in Beziehung stehen, obwohl späterhin selbstverständlich als Wahrheit völlig anerkannt wird, daß sie also erschaffen worden sind.

Gott als Schöpfer des materiellen Weltalls

Betreffs dieser Erde wird also auch über ihre Erschaffung nichts weiter gesagt, als das, was sich auf ihre gegenwärtige Gestalt bezieht. Die Tatsache wird festgestellt, daß Gott alle Dinge erschaffen hat, alles was der Mensch sieht, das ganze materielle Weltall. „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Was sich zwischen jener Zeit und dem Augenblick ereignet haben mag, als die Erde wüst und leer war (denn sie wird erst dann erwähnt), wird in völliger Dunkelheit belassen. Damals war Finsternis über der Tiefe, von der Finsternis wird aber nur gesagt, daß sie auf der Fläche der Tiefe ruhte.

Aus Chaos und Finsternis wurde die Erde zubereitet und ausgestattet

Aus diesem Zustande des Chaos und der Finsternis, in dem die Erde damals lag, brachte Gott sie hervor, indem Er zuerst durch Sein Wort Licht auf ihr einführte, dann Meere und trockenes Land bildete und sie mit Pflanzen und Lebewesen ausstattete. Auf diese also zubereitete und ausgestattete Erde wurde der im Bilde Gottes gemachte Mensch als Herr von allem, was sich auf ihr befand, hingestellt. Ihre Frucht wurde ihm zur Speise gegeben, und Gott ruht von Seinem Werk, und Er zeichnet den Tag, an dem Er Sein Werk beendet sah, durch Seinen Segen aus. Der Mensch genoss eher die Frucht des Werkes Gottes, als daß er in Seine Ruhe einging, denn er hatte an dem Werke überhaupt nicht teilgenommen.

Licht und Ordnung aus Finsternis und Verwirrung

In den ersten vier Tagen bringt Gott Licht und Ordnung aus Finsternis und Verwirrung: Licht am ersten Tage; die Ausdehnung als ein Schauplatz der himmlischen Macht über die Erde, am zweiten Tage; dann schied Er einerseits das, was gestaltet und geordnet war, von der sich regenden, mächtigen, aber unförmigen Masse der Wasser andererseits, und am dritten Tage schmückte und ordnete er dann den bewohnten Schauplatz mit Schönheit und Fruchtbarkeit. Am vierten Tage wurden die Zeichen der beherrschenden Macht sichtbar an ihre Stellen gesetzt.

Die Schöpfung, als Beweis der Leben spendenden Kraft Gottes

Der Schauplatz der Entfaltung und Herrschaft des Menschen war gestaltet, der Mensch war aber noch nicht da. Bevor Er aber den Menschen bildete, schuf Gott in den Meeren und auf der Erde und in der Luft lebendige Kräfte, welche, voller Leben, sich fortpflanzen und sich mehren sollten - der Beweis der Leben spendenden Kraft Gottes, daß Er der Materie (dem Stofflichen) Lebenskraft verleihen konnte; auf diese Weise wurde nicht nur ein Schauplatz gestaltet, wo Seine Vorsätze im Menschen entfaltet werden sollten, sondern dieses Dasein sollte der Mensch so beherrschen, um seine Lebenskraft und seine Rechte dem Willen Gottes gemäß zu entfalten, und um seine Stellung als Statthalter über die Erde innezuhalten, gesondert und unterschiedlich von allem, der Mittelpunkt von allem, der Herrscher über allem, an allem als ihm gehörend interessiert; in seiner eigenen Sphäre der Glückseligkeit sollte er seiner Natur gemäß leben, was aber das andere anbetrifft, sollte er alles in Segnung und in Unterwürfigkeit ordnen. Mit einem Wort - der Mensch wird in die Mitte der bereiteten Schöpfung hineingestellt.

In unmittelbarer Verbindung zu Gott, hat der Mensch eine lebendige Seele

Das war aber nicht alles. Er sollte nicht, wie das Vieh, der Materie entspringen durch jene Macht, welche die nichtseienden Dinge ruft, als seien sie, und sie sind. Gott bildete den Menschen aus dem Staube, und als Er ihn gebildet hatte, hauchte Er von Sich in seine Nase den Odem des Lebens, und so wurde der Mensch in unmittelbarer Verbindung mit Gott Selbst eine lebendige Seele. An anderer Stelle stellte der Apostel fest: Wir sind auch Sein Geschlecht. Es ist nicht gesagt: „Die Erde bringe hervor“, sondern: „Lasset uns ... machen“. Und Er machte den Menschen in Seinem Gleichnis, fürwahr Er schuf ihn, um sich zu mehren wie die anderen Lebewesen, Er gab ihm aber die Herrschaft über sie und machte ihn zum Mittelpunkt und Haupt der Schöpfung Gottes auf Erden. Alles samenbringende Kraut wurde ihm gegeben, dem Getier aber alles grüne Kraut und ihr Gewächs. Tod und Gewalttat waren noch nicht 1.

Die Erschaffung des Menschen unterscheidet sich von allem anderen

In Kapitel 2 werden wir noch einen äußerst wichtigen Grundsatz in Bezug auf den Menschen sehen, wo die Frage seiner Beziehung zu Gott hervorgehoben wird. Hier unterscheidet sich seine Erschaffung von allem anderen; er wird einfach von jedem anderen Gedanken gesondert, als Gottes Werk und Geschöpf, dargestellt, das Haupt und der Mittelpunkt der Ruhe, der Herrscher über dieses alles. Wir können aber dies bemerken: während er Gott darstellt und Ihm ähnlich ist, wird hier über Gerechtigkeit und Heiligkeit nichts gesagt. Dieses kam durch die Erlösung und durch das Teilhaben an der göttlichen Natur zustande. Gewiss fehlte das Böse, und insofern besteht das Gleichnis Gottes, es war aber nur die Unwissenheit um das Böse, nicht das, was Gott betreffs des Bösen ist. Es geht hier viel mehr um den Platz, den der Mensch innehat, als um seine Natur, obwohl das Böse nicht da war, und die Quelle herablassender Zuneigungen als Mittelpunkt des Daseins müsste, wenn er nicht gefallen wäre, bei ihm gefunden werden. Diese letzteren sind mehr das Gleichnis, sein Platz ist eher das Bild. Er war die zentrale Autorität aller Dinge, und alle Dinge bezogen sich auf ihn als auf ihr Haupt. Alle Autorität und alle Zuneigungen standen in Beziehung zu ihm als ihrem Mittelpunkt und Haupt, und es waren keine Sünde, keine Trauer noch Böses noch ungehorsame Selbstsucht da. Eine nicht gefallene moralische Ordnung wäre seine Freude gewesen.

Fußnoten

  • 1 Nichts kann ausgeprägter sein als die Auszeichnung des Menschen - des Wesens, in dem die Vorsätze Gottes sich auch erfüllen sollten; Sein Wohlgefallen war bei den Menschensöhnen; Sein Wohlgefallen an (nicht bloß Sein guter Wille zu) den Menschen wurde dadurch bewiesen, daß Sein gepriesener Sohn Mensch wurde. Hier geht es zweifellos um den verantwortlichen Menschen, doch ist der Unterschied von allen anderen Geschöpfen so stark wie nur möglich ausgeprägt. Die Schöpfung des sechsten Tages endet mit der gewöhnlichen Formel: „Und Gott sah, daß es gut war“ (1. Mo 1,25), und zwar, bevor vom Menschen die Rede ist. Dann kommt eine feierliche Beratung, um ihm einen besonderen Platz zu geben, und Gott stellt das Bild und das Gleichnis Gottes als das hin, wonach Er ihn erschafft. Und es wird wiederholt: „Und Gott schuf den Menschen in seinem Bilde“. Ich muß sagen, daß es ungeheuerlich ist, aus ihm bloß ein Tier zu machen, und es ist eine Geringschätzung dieser Schriftstelle, der ausdrücklichen Erklärung Gottes. Als eine Art Wesen, ist er offensichtlich das Gegenbild der Wege Gottes, obwohl das nach (Ps 8) nur in Christo völlig zustande kommt, wo das ans Licht gebracht wird; man vergleiche (Röm 5,14) und Heb 2.
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