Betrachtung über das Buch Klagelieder (Synopsis)

Kapitel 1-2

Betrachtung über das Buch Klagelieder (Synopsis)

Kapitel 1

Die Klagelieder des Jeremia – ein rührender Ausdruck der Teilnahme Gottes an den Trübsalen, die sein Volk um seiner Sünden willen erfährt – werden nicht vieler Erklärung bezüglich der allgemeinen Bedeutung des Buches bedürfen. Einige wenige Bemerkungen mögen dazu dienen, den eigentlichen Charakter desselben und die Verbindung zu zeigen, in der es mit den anderweitig geoffenbarten Wegen und Handlungen Gottes steht. Der erste bedeutsame Punkt, auf den ich bereits hingewiesen habe, ist, dass die Trübsal seines Volkes dem Auge Gottes nicht entgeht. In all ihrer Bedrängnis ist Er bedrängt: Sein Geist nimmt Kenntnis von derselben, und, indem Er in den Herzen der Personen, deren Mund Er benutzt, wirksam ist, gibt Er den Gefühlen, die Er in ihnen hervorgerufen hat, Ausdruck. So weinte Christus über die Herzenshärtigkeit Jerusalems und forderte dessen Bewohner auf, ein Gleiches zu tun. Und auch hier tadelt sein Geist nicht nur, noch offenbart Er bloß zukünftige Dinge, sondern Er gibt dem Kummer derer, die lieben, was Gott liebt, eine bestimmte Gestalt und bringt selbst diesen Kummer zum Ausdruck. Es gibt nichts Ergreifenderes als die Gefühle, die in einem Herzen durch die Überzeugung hervorgerufen werden, dass der Gegenstand der Trübsal von Gott geliebt ist, dass Er das liebt, was Er zu schlagen genötigt ist, und dass Er das schlagen muss, was Er liebt. Indem der Prophet die Bedrängnis Jerusalems offen darlegt, erkennt er an, dass die Sünde des Volkes sie veranlasst habe. Konnte das den Kummer seines Herzens vermindern? War es auch einerseits ein Trost, so beugte es ihn doch andererseits tief nieder und gab ihm Grund, sein Angesicht zu verhüllen. Der Stolz der Feinde und ihre Freude beim Anblick der Bedrängnis der Geliebten Gottes gibt Veranlassung, um Mitleid für die Bedrängten und um Gericht über die Bosheit der Feinde zu flehen.

Kapitel 2

Die Verwüstung Jerusalems wird als des HERRN eigenes Werk und nicht als das des Feindes betrachtet; nie hatte es einen solchen Schmerz gegeben. Aber dieser Gedanke leitet dahin, sich an Ihn selbst zu wenden. Es ist eine ernste Sache, wenn der HERR gezwungen ist, das zu verwerfen, was Er als sein Eigentum anerkennt. Aber es muss geschehen, wenn die Verbindung mit seinem Namen nur dazu dient, das Zeugnis von dem, was Er ist, zu verfälschen (V. 6. 7).

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