Betrachtung über 2.Timotheus (Synopsis)

Kapitel 2

Betrachtung über 2.Timotheus (Synopsis)

Von welchen Gefühlen aber sollte der Mensch Gottes in solchen Augenblicken beseelt sein? Er muss stark sein in der Gnade, die in Christus Jesus ist. Christus hatte sich nicht verändert, wie sehr das auch mit den Menschen der Fall sein mochte; und der Apostel, der durch ihre Abtrünnigkeit litt, ohne sich dadurch entmutigen zu lassen, konnte sein geliebtes Kind ermahnen, standhaft in dem Wort zu verharren. Auch finden wir nirgends den Menschen Gottes mehr zu einem völligen und unerschütterlichen Mut aufgefordert, als in diesem Brief, der von dem Rückgang und Verfall der Versammlung zeugt.

Die Wahrheit war der besondere, dem Timotheus anvertraute Schatz, den er, wie wir gesehen haben, bewahren sollte; doch nicht allein das, er sollte zugleich Sorge tragen, dass die Wahrheit immer weiter ausgebreitet und anderen nach ihm mitgeteilt würde. Das, was er von Paulus gehört hatte in Gegenwart vieler Zeugen (die den Timotheus in seinen Überzeugungen bezüglich der Wahrheit befestigen und anderen bezeugen konnten, dass das, was er verkündigte, in der Tat das war, was er von Paulus empfangen hatte), sollte er treuen Leuten mitteilen, die fähig waren, auch andere zu lehren. Das war die gewöhnliche Art der Mitteilung. Es war nicht das Zeugnis des Geistes in der Versammlung, so dass diese eine Autorität wäre; auch war es nicht mehr Offenbarung. Timotheus, wohl unterrichtet in der durch den Apostel gepredigten Lehre, und befestigt in seinen Überzeugungen durch viele andere Zeugen, die gleich ihm von Paulus gelernt hatten, sollte Sorge tragen, dass diese Lehre anderen treuen Leuten mitgeteilt würde. Doch hatte dies nichts mit einer Bevollmächtigung oder Weihung dieser letzteren zu tun, wie man wohl gesagt hat; Timotheus teilte ihnen einfach die Wahrheit mit, die er von Paulus empfangen hatte.

Diese Anweisung des Apostels schließt den Gedanken an die Ausbreitung der Wahrheit durch die Versammlung aus; sie war vielmehr die Sache dessen, den der Apostel sein treues Kind im Glauben nannte, die Sache des Dienstes. Aber auch Timotheus war keine Autorität, sondern nur ein Werkzeug zur Mitteilung der Wahrheit, das wieder andere in den Stand setzen sollte, das gleiche zu sein. Das war etwas ganz anderes, als die Richtschnur der Wahrheit zu sein. Das, was er gehört hatte, sollte er mitteilen; und die anderen Zeugen dienten als eine Bürgschaft wider die Einführung von irgendetwas Falschem oder selbst seiner eigenen Meinungen, wenn er geneigt gewesen wäre, solche zu hegen.

Auf diese Weise pflanzt sich der Dienst im gewöhnlichen Sinn fort. Befähigte Personen tragen Sorge für die Mitteilung, nicht der Autorität, sondern der Wahrheit, an andere treue Personen. Gott kann irgend jemand, den Er dazu erwählt, erwecken und mit der Energie seines Geistes erfüllen, und wo sich das befindet, da ist Kraft und eine wirksame Tätigkeit; allein die uns beschäftigende Stelle setzt die sorgfältige Mitteilung der Wahrheit an solche Personen voraus, die für dieses Werk passend sind. Diese beiden Grundsätze: die freie Wirksamkeit des Geistes und die Mitteilung der Wahrheit an treue Männer, schließen sowohl den Gedanken an die Mitteilung amtlicher Autorität aus, als auch die Meinung, dass die Versammlung eine Autorität bezüglich des Glaubens oder die Ausbreiterin der Wahrheit sei. Denn wenn von Seiten Gottes, der erwecken kann, wen Er will und wie Er will, keine besondere Wirksamkeit stattfand, dann bestand das von Ihm angewandte Mittel darin, dass Er die Wahrheit solchen Personen mitteilen ließ, die für deren Verbreitung geeignet waren. Das ist jedoch etwas ganz anderes, als die Verleihung einer Autorität oder des ausschließlichen oder amtlichen Rechts, zu predigen. Und was Timotheus mitteilen sollte, war bekannte, offenbarte Wahrheit welche die unmittelbare Autorität der Offenbarung besaß – was uns jetzt nur die Schriften Pauli und selbstredend auch die übrigen inspirierten Schriften darbieten können.

Der Apostel beschreibt dann weiter die Eigenschaften, die Timotheus besitzen musste, um das Werk inmitten der ihn umgebenden Umstände und bei dem Zustand, in dem die Versammlung selbst sich befand, fortzusetzen. Er musste als ein guter Kriegsmann Jesu Christi Beschwerden, Widerwärtigkeiten, Mühsale und Leiden zu ertragen wissen und sich hüten, in die Beschäftigungen des Lebens verwickelt zu werden. Ein Soldat im Dienst muss von jedem Hindernis frei sein, damit er dem gefalle, der ihn unter die Waffen gerufen hat. Ferner musste Timotheus, ähnlich wie die Wettkämpfer bei den Kampfspielen, nach den Regeln kämpfen, nach dem, was in Übereinstimmung stand mit dem Willen des Herrn und was sich für einen Diener des Herrn geziemte. Auch musste er zuerst arbeiten, um ein Recht an den Genuss der Früchte seiner Arbeit zu haben. Das sind die praktischen Bedingungen des göttlichen Dienstes für jeden, der sich mit ihm befasst. Ein Diener muss standhaft sein, losgelöst von der Welt; er muss gesetzmäßig kämpfen und arbeiten, ehe er Früchte erwarten kann.

Der Apostel kommt alsdann auf die ersten, aber fundamentalen Grundsätze der Wahrheit und auf die Leiden des Dienstes zurück. Diese waren übrigens in keiner Weise ein Hindernis für die Wirksamkeit des Geistes Gottes in der Erweiterung des Kreises, in dem die Wahrheit verbreitet und das Wort Gottes bekannt gemacht wurde. Nichts konnte die Kraft des Wortes Gottes, dieses Werkzeuges seiner Wirksamkeit, hemmen.

Die Wahrheit des Evangeliums (es handelt sich hier nicht um die einzelnen Lehrsätze) teilt sich in zwei Teile, die der Apostel auch im Römerbrief anführt; erstens haben wir die Erfüllung der Verheißungen, und zweitens die Kraft Gottes in der Auferstehung: „Jesus Christus, aus dem Samen Davids, auferweckt aus den Toten“ (V. 8). Das sind in der Tat gleichsam die beiden Angelpunkte der Wahrheit: die Treue Gottes bezüglich seiner Verheißungen (offenbart hauptsächlich in Verbindung mit den Juden) und die in der Auferstehung offenbarte, schöpferische und lebendig machende Kraft Gottes, die etwas ganz Neues erzeugt und auch in der Auferstehung das Siegel Gottes auf die Person und das Werk Christi gesetzt hat.

Die Leiden, die sich auf dem Pfad des Dienstes des Evangeliums finden, nehmen hier in den Gedanken des leidenden und gesegneten Apostels einen erhabenen und bemerkenswerten Charakter an, nämlich den der Teilnahme an den Leiden Christi; und diese Teilnahme fand bei dem Apostel in überaus hohem Maß statt. Man könnte sich der Ausdrücke, die er in Bezug auf sich gebraucht, wohl bedienen, um von der Liebe Christi selbst zu reden. An dem Versöhnungswerk konnte natürlich außer Christus kein Mensch teilnehmen; handelt es sich aber um Hingebung und Leiden um der Liebe und Gerechtigkeit willen, so haben wir das Vorrecht, mit Ihm zu leiden. Und welchen Anteil hatte hier der Apostel an diesen Leiden? Er sagt: „Ich erdulde alles um der Auserwählten willen.“ Das ist dasselbe, was der Herr getan hat. Der Apostel wandelte seinem Herrn auf dem Fuß nach und verfolgte denselben Zweck der Liebe: „damit auch sie die Seligkeit erlangen, die in Christus Jesus ist, mit ewiger Herrlichkeit“. Hier muss natürlich der Apostel hinzufügen, „die in Christus Jesus ist“; aber dennoch ist es wunderbar, eine solche Sprache von den Lippen einer anderen Person, als des Herrn selbst, zu vernehmen. Denn wiederum ist es gerade das, was der Herr getan hat.

Beachten wir hier auch, dass, je größer die Leiden sind, die als Frucht dieser Liebe für die Gegenstände der Ratschlüsse Gottes erduldet werden (und wie klein sind die unsrigen in dieser Beziehung!), desto größer unser Vorrecht ist, und wir desto mehr teilnehmen an dem, was die Herrlichkeit Christi hienieden war. Dieser Gedanke hält die Seele in Trübsalen dieser Art aufrecht. Man hat denselben Gegenstand wie der Herr selbst. Die Energie der Liebe richtet sich in der Verkündigung des Evangeliums an die ganze Welt. Und das Gefühl, dass man für die Erfüllung der Ratschlüsse Gottes arbeitet, erhält inmitten der Trübsale, der Schwierigkeiten und Abtrünnigkeiten das Ausharren aufrecht. Man erduldet alles um der Auserwählten Gottes Willen, damit auch sie die Seligkeit mit ewiger Herrlichkeit erlangen. Dieses Gefühl war in dem Herzen Pauli. Er kannte die Liebe Gottes und suchte, was für Leiden ihm dies auch auf dem stürmischen Meer dieser Welt verursachen mochte, die, welche Gegenstände derselben Liebe waren, zum Genuss der von Gott verliehenen Seligkeit und Herrlichkeit zu führen. Das war ein zuverlässiges Wort, d. h. das, was er soeben ausgesprochen hatte; denn wenn wir mit Christus sterben, werden wir auch mit Ihm leben; wenn wir leiden, werden wir auch mit Ihm herrschen. Wenn jemand Ihn verleugnet, den wird auch Er verleugnen. Die Folgen einer solchen Handlungsweise bleiben in ihrer ganzen Kraft bestehen; sie sind mit der Unwandelbarkeit der Natur und des Wesens Gottes verbunden und werden sich zeigen in der Autorität seines Gerichts. Denn Er kann nicht sich selbst verleugnen, weil andere untreu sind.

Timotheus sollte diese großen, mit der Natur des Herrn verbundenen Grundsätze entschieden aufrecht halten und sich nicht hinreißen lassen durch Spekulationen, die nur die Seelen irreleiteten und den Glauben verdarben. Er sollte sich selbst als einen von Gott bewährten Arbeiter erweisen, der, mit der Wahrheit erfüllt, dieselbe in ihren verschiedenen Teilen nach den Gedanken und Absichten Gottes darzulegen wusste und sich deshalb seines Werkes nicht zu schämen brauchte vor denen, die ihn etwa beurteilten. Er sollte die ungöttlichen und unnützen Gedanken menschlicher Spekulationen vermeiden, denn sie konnten in ihrem weiteren Fortschreiten nur Gottlosigkeit erzeugen. Wohl mochten sie einen großen Schein von Tiefe und Höhe haben (wie in dem Fall, wo einige sagten, dass die Auferstehung schon geschehen sei, eine Behauptung, welche die Lehre von unserer Stellung in Christus in fleischlicher Weise über alles Maß hinaustrieb), allein diese Lehren fraßen um sich wie ein Krebs. Die Leute, von denen der Apostel sprach, hatten schon den Glauben einiger, das heißt ihre Überzeugung von der Wahrheit und ihr Bekenntnis der Wahrheit, verkehrt. Doch wie groß auch der Verfall der Versammlung oder die Untreue des Menschen sein mochte, die Seele des Apostels fand ihre Zuflucht in dem, was unwandelbar ist. Denn „der feste Grund Gottes steht und hat dieses Siegel: der Herr kennt, die sein sind“. Das ist die Inschrift des Siegels von Seiten Gottes, die durch nichts angetastet werden kann 1. Die andere Seite des Siegels ist die des Menschen: „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!“ Hier haben wir die Verantwortlichkeit des Menschen; aber es kennzeichnete das Werk und die Frucht der Gnade, wo irgend dieses Werk echt war und die wahre Frucht hervorgebracht wurde.

Doch hier tritt wieder deutlich der Stand der Dinge ans Licht, wie der Apostel ihn in diesem Brief behandelt: die Versammlung hatte nach außen hin einen ganz neuen Charakter angenommen, ganz verschieden von dem, den sie im Anfang hatte, so dass jetzt jeder einzelne auf seine persönliche Treue, als das Rettungsmittel vor dem allgemeinen Verderben, angewiesen war. Der feste Grund Gottes blieb: Sein göttliches Kennen derer, die sein sind, und die persönliche Trennung von allem Bösen; aber die Versammlung nahm äußerlich in den Augen des Apostels den Charakter eines „großen Hauses“ an. Dinge aller Art werden in ihm gefunden, Gefäße zur Ehre und Gefäße zur Unehre, kostbare und wertlose Geräte. Der Mensch Gottes hat sich von den letzteren zu reinigen, abgesondert zu stehen und sich nicht mit dem, was falsch und verderbt ist, zu verunreinigen. Das ist ein höchst wichtiger Grundsatz, den der Herr uns in seinem Wort gegeben hat. Er erlaubte, dass das Böse sich schon zur Zeit des Apostels so weit entwickelte, dass es notwendig wurde, durch Offenbarung diesen Grundsatz als Richtlinie für den Christen festzustellen. Die Einheit der Versammlung ist so kostbar und hat solch mächtigen Einfluss auf das Herz des Menschen, dass nach Eintritt des Verfalls die Gefahr bestand, dass der Wunsch nach äußerer Einheit selbst die Treuen dahin bringen konnte, lieber das Böse anzunehmen und in Gemeinschaft mit ihm zu wandeln, als jene äußere Einheit zu brechen. Deshalb wird der Grundsatz persönlicher Treue und persönlicher Verantwortlichkeit Gott gegenüber aufrecht gehalten und über alle anderen Erwägungen gestellt; denn dieser Grundsatz steht mit der Natur Gottes selbst und seiner Autorität über das Gewissen des einzelnen in Verbindung. Die Tatsache, dass Gott die Seinen kennt, ist der Grund unseres Vertrauens. Ich sage nicht, wer sein ist; aber mögen alle, die den Namen des Herrn Jesus nennen, sich von allem Bösen trennen! Das ist der Prüfstein für mich. Wer das tut, den kann ich anerkennen. Behaupten, dass im praktischen Leben eine Verbindung jenes Namens mit der Ungerechtigkeit möglich sei, heißt nichts anderes als diesen Namen lästern.

Die Gesamtheit derer, die sich Christen nennen, wird hier als ein großes Haus betrachtet. Der Christ bildet äußerlich, mag er wollen oder nicht, einen Teil desselben; denn er nennt sich Christ, und das große Haus besteht aus allen denen, die sich Christen nennen. Aber ein nach den Regeln der christlichen Treue handelnder Christ reinigt sich persönlich von allen Gefäßen, die nicht zur Ehre des Herrn sind, und wird so, persönlich gereinigt von jeder Gemeinschaft mit dem Bösen, ein für den Hausherrn nützliches Gefäß zur Ehre. Er hat sich abzusondern von allem, was im Gegensatz zur Ehre Christi steht in denen, die seinen Namen tragen. Es handelt sich hier nicht um Zucht betreffs persönlicher Vergehungen, noch um die Wiederherstellung der Seelen in einer Versammlung, die zum Teil ihren geistlichen Zustand eingebüßt hat, sondern um eine Richtschnur für den Wandel des einzelnen Christen im Blick auf alles, was den Herrn in irgendeiner Weise verunehrt.

Diese Belehrungen sind höchst ernst und wichtig. Das, was sie nötig macht ist seiner Natur nach traurig, aber alles muss dazu mitwirken, die Treue und Gnade Gottes ans Licht treten zu lassen. Die hier gegebenen Vorschriften sind klar und werden uns kostbar, wenn wir uns in ähnlichen Umständen befinden. Die persönliche Verantwortlichkeit kann nie aufhören. Wenn der Heilige Geist in Kraft wirkt und über die Macht des Feindes triumphiert, dann entfalten die in der Versammlung vereinigten einzelnen Personen ihr Leben Gott und seiner Gegenwart gemäß, und die in dem ganzen Leib vorhandene geistliche Kraft wirkt, wenn nötig, auf das Gewissen und leitet das Herz des Gläubigen, so dass der einzelne und die Versammlung unter demselben Einfluss zusammen vorangehen. Der in der Versammlung gegenwärtige Heilige Geist hält den einzelnen auf der Höhe der Gegenwart Gottes, so dass selbst die etwa anwesenden Fremden zu dem Bekenntnis genötigt werden, dass Gott da ist; denn Liebe und Heiligkeit regieren in der Versammlung. Aber wenn auch die Wirkung dieser Kraft nicht mehr in der Versammlung gefunden wird, und die Christenheit allmählich aufhört, dem Charakter der Versammlung, wie Gott ihn gebildet hat, zu entsprechen, so hat deshalb doch die Verantwortlichkeit des einzelnen in Bezug hierauf Gott gegenüber nicht aufgehört. Sie kann nie aufhören noch irgendwie vermindert werden, denn die Autorität und die Rechte Gottes über die Seele kommen in Frage. Aber in einem solchen Fall gibt das, was sich Christenheit nennt, keine Richtschnur mehr für das Verhalten ab, und der einzelne ist verpflichtet, durch die Kraft des Geistes, nach dem von Gott empfangenen Licht, dem Willen Gottes gemäß sich zu verhalten.

Gott kann die Gläubigen miteinander versammeln; das ist Gnade und entspricht auch seinen Gedanken. Aber die persönliche Verantwortlichkeit bleibt; und diese besteht darin, einerseits die Einheit, wo irgendeine solche in Übereinstimmung mit Gott möglich ist, nicht zu brechen, so schwach sie sein mag, und andererseits den göttlichen Charakter des Christentums in unserem persönlichen Wandel zu bewahren und so der uns mitgeteilten Offenbarung von der Natur und dem Willen Gottes zu entsprechen. Der Knecht Gottes wird, wenn er sich von den Gefäßen zur Unehre reinigt, ein Gefäß zur Ehre sein, geheiligt, nützlich und zu jedem guten Werk bereitet (V. 21); denn diese Trennung vom Bösen ist nicht nur negativ, sondern ist das Ergebnis der Verwirklichung des Wortes Gottes in dem Herzen. Ich verstehe dann, was die Heiligkeit Gottes ist, verstehe seine Rechte über mein Herz, die Unvereinbarkeit seiner Natur mit dem Bösen. Ich fühle, dass ich in Ihm bleibe und Er in mir, dass Christus um jeden Preis verherrlicht werden muss; ich fühle, dass Er nur durch das, was Ihm ähnlich ist, verherrlicht wird, und dass seine Natur und seine Rechte über mich die einzige Richtschnur meines Lebens sind. Dasselbe also, was mich absondert für Ihn und gemäß dem, was Er ist, sondert mich zugleich ab vom Bösen. Man kann Ihn nicht ehren durch den eigenen Wandel, solange man mit solchen wandelt, die Ihn verunehren.

Der 22. Vers zeigt den heiligenden Charakter dieser Ermahnung, indem der Apostel seinem Kind zuruft: „Die jugendlichen Lüste aber fliehe; strebe aber nach Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen.“ Das heißt wirklich die reine Atmosphäre atmen, die in der Gegenwart des Herrn gefunden wird, in der die Seele Gesundheit und Kraft genießt. Alles Verderbenbringende ist weit entfernt. Wir sehen ferner, dass wir, was oft bestritten wird, solche unterscheiden können und sollen, die den Namen des Herrn aus reinem Herzen anrufen. Wir entscheiden nicht darüber, die alle dem Herrn angehören – Er kennt sie; aber wir haben uns mit denen zu vereinigen, die sich als solche offenbaren, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen. Diese soll ich kennen, anerkennen und mit ihnen wandeln. Folglich ist die Behauptung, dass man solche nicht kennen könne, eine Zurückweisung der hier gegebenen ausdrücklichen Vorschrift des Wortes Gottes, die ihre Anwendung findet auf einen Zustand, bei dem infolge des allgemeinen Verderbens viele, die das Christentum besitzen mögen, sich nicht als Christen offenbaren.

Der Apostel ermahnt dann, wie immer wieder in diesen Briefen, törichte Streitfragen, in denen es keine göttliche Unterweisung gibt, zu vermeiden. Sie erzeugen nur fruchtlose Erörterungen und Streitigkeiten; aber ein Knecht des Herrn soll nicht streiten. Er kommt von Seiten Gottes, um die Wahrheit zu bringen, in Frieden und Liebe. Diesen Charakter soll er Aufrechthalten in der Erwartung, dass Gott in seiner Gnade den Widersachern Buße geben werde (denn es handelt sich um Herz und Gewissen), damit sie die Wahrheit anerkennen. Die Wahrheit Gottes ist nicht eine Sache des menschlichen Verstandes, sondern die Offenbarung dessen, was Gott ist, und seiner Ratschlüsse. Wir können aber nicht mit Gott zu tun haben, ohne dass Herz und Gewissen davon in Anspruch genommen würden; denn wenn das nicht der Fall wäre, würde es keine Offenbarung Gottes an uns sein. Die Christen sind mit dem großen göttlichen Wesen selbst in Verbindung gebracht, und zwar durch Taten, welche die mächtigste Wirkung auf Herz und Gewissen haben sollten. Wo das nicht der Fall ist, da ist das eine wie das andere in einem schlechten Zustand und verhärtet. Ohne Zweifel wirkt der Geist Gottes auf und durch den Verstand; aber die durch ihn aufgefasste Wahrheit richtet sich an das Gewissen und an das Herz und wenn diese nicht durch die Wahrheit erreicht werden, so ist gar nichts erreicht. Auch wird nichts wirklich verstanden, bevor sie erreicht sind; denn weil man „wiedergeboren“ ist, werden in der göttlichen Wahrheit Dinge eher verstanden als Worte (vgl. Joh 8,43). Andererseits schließt Satan mittels des Irrtums, indem er den Verstand durch ihn einnimmt, Gott von dem Verstand aus und nimmt so den ganzen Menschen gefangen, so dass dieser den Willen des Feindes der Seelen tut.

Fußnoten

  • 1 Das ist einerseits eine tiefe Quelle des Trostes, andererseits aber auch ein Beweis des Verfalls; denn die Menschen sollten ebenfalls wissen, wer des Herrn ist. Es war nicht mehr, wie in Apg 2,47, wo wir lesen: „Der Herr aber tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten.“
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