Betrachtung über 1.Timotheus (Synopsis)

Kapitel 2

Betrachtung über 1.Timotheus (Synopsis)

Der Apostel fährt fort, Timotheus Unterweisungen zu geben, die auf den eben dargelegten großen Grundsatz, die Gnade, gegründet sind. Es konnte sein, dass der jüdische Geist die Könige der Nationen als Feinde und die Nationen überhaupt als der göttlichen Gunst unwürdig betrachtet. Die Verfolgungen, denen die Christen ausgesetzt waren, gaben dem Fleisch Veranlassung, solche Gefühle zu nähren und einem gesetzlichen Geist Raum zu lassen. Allein die Gnade erhebt sich über alle diese Gedanken und Gefühle des Herzens. Sie lehrt uns, an alle Menschen mit Liebe zu denken. Wir gehören einem Heiland-Gott an, der in dem Evangelium gegen alle Menschen in Liebe handelt. Insbesondere sollen wir für die Könige und alle Hochgestellten in der Welt beten, dass Gott ihre Herzen so lenken möge, dass wir ein ruhiges und stilles Leben in aller Ehrbarkeit führen können. Denn das ist wohlgefällig vor einem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (V. 4). Es handelt sich hier nicht um die Ratschlüsse Gottes, sondern um seine Wege mit den Menschen unter dem Evangelium. Er handelt in Gnade. Es ist die wohlangenehme Zeit, der Tag des Heils, wo Gott kraft des Blutes Christi allen, die kommen, die Tür öffnet und ihnen Frieden und eine sichere Aufnahme verkündigt. Das Werk ist vollbracht, und Gott ist in seinem Wesen bezüglich der Sünde vollkommen verherrlicht worden. Wenn sich also jemand weigert zu kommen, so ist das nur Eigenwille. Dass Gott seine Ratschlüsse trotz allem erfüllt, ändert weder etwas an seinen Wegen noch an der Verantwortlichkeit des Menschen. Wir kennen seine Liebe, die wir allen Menschen zu verkündigen haben, indem wir den Geist der Liebe in unserem Verhalten gegen sie offenbaren. Der Unterschied zwischen Juden und Nationen verschwindet hier gänzlich. Denn da ist ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus (V. 5). Das sind die beiden großen Wahrheiten, welche die Grundlage jeder wahren Religion bilden. Die erste, dass nur ein Gott ist, war schon durch das Judentum in der Welt offenbart und bezeugt worden. Es ist eine ewige und unveränderliche Wahrheit; aber sie genügt nicht, um den Menschen in Verbindung mit Gott zu bringen. Gott blieb für den Menschen hinter dem Vorhang in dem Dunkel, das seine Majestät verbarg. Aber das Christentum zeigt uns, indem es den einen Gott völlig offenbart, die andere dieser Wahrheiten, nämlich: „Einer ist Mittler zwischen Gott und Menschen.“ Ja, es ist ein Mittler da, aber auch nur einer. So wahr es ist, dass es nur einen Gott gibt, ebenso wahr ist es auch, dass es nur einen Mittler gibt. Das ist die große und unterscheidende Wahrheit des Christentums.

Zwei Dinge kennzeichnen hier den Mittler: Er ist ein Mensch, und Er gab Sich selbst zum Lösegeld für alle. Die Zeit, in der das Zeugnis hiervon abgelegt werden sollte, war von Gott verordnet. Köstliche Wahrheit! Wir sind schwach, schuldig, und unfähig, uns Gott näher zu bringen. Deshalb bedurften wir eines Mittlers, der uns unter Aufrechthaltung der Herrlichkeit Gottes in eine solche Stellung brachte, dass Er uns vor Gott in der mit jener Herrlichkeit übereinstimmenden Gerechtigkeit darstellen konnte. Christus gab Sich selbst als Lösegeld. Um aber für die Menschen leiden und sie vertreten zu können, musste Er ein Mensch sein. Und das war Er. Doch ist das nicht alles. Solange wir uns hienieden befinden, wo wir die Offenbarung Gottes aufzunehmen haben, sind wir schwach – schwach auch in der Benutzung unserer Hilfsquellen in Gott und in unserer Gemeinschaft mit Ihm, selbst wenn unsere Schuld getilgt ist. Um nun in unserer Schwachheit die Offenbarung Gottes empfangen zu können, hat Christus Gott und alles, was Er in seiner eigenen Person ist, offenbart, und zwar in all den Umständen, in welchen der Mensch nach Seele und Leib irgendein Bedürfnis haben kann. Christus ist in die tiefsten Tiefen hinab gestiegen, damit kein Mensch in der Welt sein möchte, und wäre es auch der elendeste, der nicht fühlen könnte, dass Gott in seiner Güte sich ihm genaht hat, ja, dass Er zu ihm herab gekommen und deshalb durchaus zugänglich für ihn ist. Die Liebe Gottes hat in dem traurigen Zustand des Menschen nur eine Gelegenheit gefunden, sich völlig zu offenbaren und zu zeigen, dass es kein Bedürfnis gab, dem Er sich entzogen hätte oder dem Er nicht hätte begegnen können.

So hat Christus sich kundgegeben, als Er auf der Erde war, und so ist Er auch jetzt noch, während Er droben in der Herrlichkeit weilt. Er vergisst seine menschlichen Erfahrungen nicht; sie bleiben durch seine göttliche Macht für immer vorhanden in den teilnehmenden Gefühlen seiner Menschheit, nach der Kraft jener göttlichen Liebe, welche die Quelle und Triebfeder dieser Gefühle war. Er ist immer ein Mensch in Herrlichkeit und in göttlicher Vollkommenheit. Seine Gottheit verleiht seiner Menschheit die Kraft ihrer Liebe, hebt diese Menschheit aber nicht auf. Nichts kann mit einem solchen Mittler verglichen werden, nichts kommt seiner Zärtlichkeit, Seiner Kenntnis des menschlichen Herzens, Seinem Mitgefühl, Seiner eigenen Erfahrung unserer Bedürfnisse gleich. In dem Maß, das die Gottheit all seinem Tun verleihen konnte, und in der Kraft ihrer Liebe kam Er hernieder, nahm Er teil an all den Leiden der Menschheit und trat Er ein in alle Umstände, in denen das menschliche Herz sich befinden, in denen es verwundet, bedrängt, entmutigt und von der Last des Bösen niedergedrückt sein kann. Keine Zärtlichkeit, keine Fähigkeit mitzufühlen, keine Menschenliebe lässt sich mit der Seinigen vergleichen. Welche Bürde uns auch niederbeugen mag – kein menschliches Herz kann uns so verstehen, so mit uns fühlen wie das Seinige. Es ist der Mensch Christus Jesus, der unser Mittler geworden ist. Niemand ist uns so nahe, niemand hat sich so tief erniedrigt und ist mit göttlicher Kraft in die Bedürfnisse, ja, in alle Bedürfnisse des Menschen eingetreten, wie Er. Das Gewissen ist durch sein Werk gereinigt, das Herz erquickt durch das, was Er war und was Er für immer ist. Es gibt nur einen Mittler; an einen anderen zu denken, hieße Ihn seiner Herrlichkeit und uns unseres vollkommenen Trostes berauben. Sein Kommen von oben, seine göttliche Natur, sein Tod, die Tatsache, dass Er jetzt als Mensch im Himmel lebt – alles bezeichnet Ihn als den einen und alleinigen Mittler. Aber diese Tatsache, dass es nur einen Mittler gibt, und dass dieser Mittler ein Mensch ist, hat noch eine andere Seite. Er ist nämlich nicht bloß ein Mittler als Priester auf seinem Thron, zwischen Israel und Gott nicht einfach der Messias, um Israel in Verbindung mit seinem Gott zu bringen, sondern ein Mensch zwischen Gott und Menschen. Er ist Mittler nach der ewigen Natur Gottes und für die Bedürfnisse der Menschen in der Gegenwart Gottes.

Diese ewigen Wahrheiten von allumfassender Tragweite sind es also, deren Herold und Apostel Paulus war. Indem diese Tatsachen einen Charakter besitzen, der allen Zeitaltern angehört und selbst über diese hinausgeht, gab es doch eine bestimmte Zeit für ihre Offenbarung. Alle Mittel, deren Erfolg von dem Gebrauch abhing, den der Mensch von ihnen machen würde, waren angewandt worden; aber umsonst, der Mensch war nicht wieder mit Gott in Verbindung gebracht worden. Jetzt sollten die notwendigen Grundlagen dieser Verbindung mit Gott, als von Ihm selbst gelegt, ans Licht gestellt und den Nationen das Zeugnis der Gnade verkündigt werden. Und dieses Zeugnis offenbarte der Apostel als ein „Lehrer der Nationen in Glauben und Wahrheit“.

Nachdem er diese Grundlagen klar dargelegt hat, geht Paulus zu den Einzelheiten über. Die Männer sollten an jedem Ort beten und heilige Hände aufheben ohne Zorn und unnütze menschliche Überlegungen. Die Frauen werden angewiesen, in Bescheidenheit, mit guten Werken geschmückt, zu wandeln und in der Stille zu lernen. Es ist einer Frau nicht erlaubt, zu lehren, oder über den Mann zu herrschen, sondern still zu sein. Der dafür angeführte Grund ist bemerkenswert und zeigt, wie in unseren Beziehungen mit Gott alles von dem ursprünglichen Ausgangspunkt abhängt. Im Zustand der Unschuld hatte Adam den ersten Platz, in der Sünde Eva; sie war es, die betrogen wurde und die Übertretung einführte. Adam war nicht betrogen worden, wie sehr er sich auch des Ungehorsams gegen Gott schuldig gemacht hatte. Mit seiner Frau vereinigt, folgte er ihr; er wurde nicht durch den Feind betrogen, sondern er war schwach infolge seiner Liebe zu ihr. Dasselbe tat Christus, der zweite Adam, ohne Schwachheit, in Gnade; auch Er folgte seiner betrogenen und schuldigen Braut, aber um sie zu erlösen und zu befreien, indem Er ihre Schuld auf sich nahm. Eva hatte auf der Erde die Strafe ihrer Schuld auf eine Weise zu tragen, die ein Zeichen des Gerichts Gottes ist; doch wird die Frau in der Stunde ihrer Drangsal gerettet werden, wenn sie mit Glauben, Liebe und Heiligkeit in Sittsamkeit wandelt, und das, was den Stempel des Gerichts trägt, wird eine Gelegenheit zur Offenbarung der Barmherzigkeit und Hilfe Gottes.

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